Bevor es morgen die monatliche umfassende Blog-Bücherschau gibt, in der ich alle Bücher vorstelle, die ich im Februar gelesen habe, möchte ich heute noch ein Werk ganz besonders hervorheben. Ich weiß gar nicht, wie ich auf “Who Got Einstein’s Office?: Eccentricity And Genius At The Institute For Advanced Study”* von Ed Regis gestossen bin. Wahrscheinlich habe ich wie so oft in irgendeinem anderen Buch eine Referenz dazu gesehen. Aber ich bin froh, dass ich es gefunden habe! Das Buch ist zwar schon alt – es wurde 1988 veröffentlicht – aber es ist absolut hervorragend! Es behandelt nicht nur einen sehr interessanten Aspekt der Wissenschaftsgeschichte, sondern eignet sich auch als Ausgangspunkt um über die Art und Weise zu diskutieren, wie man Wissenschaft am besten betreibt.
Das Buch handelt vom Institute for Advanced Study, einer Forschungseinrichtung in Princeton in den USA. Das Institut ist aber nicht einfach irgendeine normale Universität sondern ein ganz spezieller Ort. Gegründet wurde es in den 1930er Jahren. Das reiche Ehepaar Bamberger hatte Geld übrig und wollte damit eigentlich eine medizinische Forschungseinrichtung finanzieren. Damals galt Abraham Flexner als Experte für die medizinische Forschung und Ausbildung in den USA (und seine Biografie ist ebenfalls höchst interessant und die Bücher dazu stehen schon auf meiner Liste!). Aber Flexner riet den Bambergers, mit ihrem Geld doch lieber einen ganz neuen Ort für die Forschung zu schaffen. Flexner stellte sich ein Institut vor, an dem die klügsten und besten Wissenschaftler völlig ungestört von der Welt und allen weltlichen Belangen einfach nur denken und forschen können. Es sollte dort keine Lehre geben und keine Betreuung von Studenten. Es sollte keinen Drang geben, Fördergelder einzusammeln; keine bürokratischen Aufgaben oder sonstige Ablenkung. Die Gehälter der Wissenschaftler sollten exorbitant hoch sein und ihnen sollten absolut keine Vorgaben gemacht werden. Wer am IAS arbeitet, konnte tun oder lassen was immer man wollte. Es sollte die reale Entsprechung des metaphorischen “Elfenbeinturms” sein, in dem die Wissenschaftler nur noch denken und sich sonst um nichts kümmern müssen.
Es sollte tatsächlich nur gedacht werden. Der Schwerpunkt des Instituts sollte auf den theoretischen Disziplinen liegen; auf Mathematik und theoretischer Physik. Keine lauten, lästigen und weltlichen Experimente sollten das reine Denken stören; keine Labors, Maschinen, Ingenieure – nur das Genie und sein genialer Geist. Und Flexner schaffte es tatsächlich, das Paradegenie der damaligen Zeit als einen der ersten Professoren für das Institut zu gewinnen: Albert Einstein.
Einstein tat genau das, was am IAS von ihm erwartet wurde. Er verbrachte den Rest seines Lebens im abgeschiedenen Institut, dachte nach und diente als “Werbeikone” für die neue Forschungseinrichtung. Das, was Einstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Physik war, war Kurt Gödel (dessen Leben ich hier ein wenig genauer besprochen haben) für die Mathematik und auch Gödel konnte für das IAS gewonnen werden. Nach dem zweiten Weltkrieg folgten weitere berühmte Namen: Robert Oppenheimer zum Beispiel, der zum dritten Direktor des Instituts wurde. Oder John von Neumann, der die reine Lehre des IAS mit dem Bau seines ersten Computers durcheinander brachte (und trotzdem diese Arbeit von enormer Bedeutung war, lehnten viele am Institut sie ab, weil es eben kein reines Denken war, sondern Arbeit). Im Laufe der Jahre folgten weitere Wissenschaftler: Die Quantenphysiker Chen Yang und Tsung-Dao Lee die für ihre Arbeit 1957 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurden zum Beispiel. Aber auch Astronomen wie Freeman Dyson oder John Bahcall (der fundamentale Arbeit beim Verständnis der Neutrinos geleistet hat) waren dort; es gab aber auch Geisteswissenschaftler wie den Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn oder Computerpioniere wie Stephen Wolfram. Die letzte Gruppe von Forschern, die im Buch in der Geschichte des Instituts auftauchen, sind die Stringtheoretiker um Ed Witten, die Ende der 1980er Jahre gerade so richtig populär wurde.
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