Ed Regis beschreibt die Geschichte des IAS von seiner Gründung bis in die (damalige) Gegenwart. Er stellt die Arbeit und die Biografien der wichtigsten Mitarbeiter des Instituts vor; beschäftigt sich aber vor allem damit, wie deren Arbeit von der speziellen Umgebung des Instituts beeinflusst worden ist. Und das ist ein interessanter Punkt: Es haben dort zwar jede Menge “große” Wissenschaftler gearbeitet. Aber sie sind vor allem deswegen ans Institut geholt worden, weil sie “groß” waren und schon bahnbrechende Ergebnisse erzielt haben. Und im allgemeinen haben diese Spitzenforscher es dann nicht mehr geschafft, ihre Leistungen am IAS zu wiederholen. Kein Wunder – in den seltensten Fällen hat ein einzelner Forscher mehrere wirklich fundamentale und revolutionäre Ideen. Einstein war unbestritten eines der größten Genies aller Zeiten; das gilt genau so für Kurt Gödel und andere die am IAS gearbeitet haben. Aber ihre genialen Ideen hatten sie eben schon vorher und am IAS selbst sind dann keine gleichwertigen Entdeckungen mehr gefolgt. Darum haben viele Wissenschaftler das Institut auch kritisch betrachtet und Stellenangebote abgelehnt.
Ein Zitat von Nobelpreisträger Richard Feynman, der dank seiner Leistungen bestens für eine Professur am IAS qualifiziert gewesen wäre, fasst die Sache gut zusammen:
“When I was at Princeton in the 1940s I could see what happened to those great minds at the Institute for Advanced Study, who had been specially selected for their tremendous brains and were now given this opportunity to sit in this lovely house by the woods there, with no classes to teach, with no obligations whatsoever. These poor bastards could now sit and think clearly all by themselves, OK? So they don’t get any ideas for a while: They have every opportunity to do something, and they’re not getting any ideas. I believe that in a situation like this a kind of guilt or depression worms inside of you, and you begin to worry about not getting any ideas. And nothing happens. Still no ideas come. Nothing happens because there’s not enough real activity and challenge: You’re not in contact with the experimental guys. You don’t have to think how to answer questions from the students. Nothing!”
Die auf den ersten Blick recht gute Idee, den besten Köpfe der Zeit die Möglichkeit zu geben fernab jeder Ablenkung sich ganz dem Denken zu widmen, ist laut Feynman also gar keine so gute Idee. Denn wenn der Kontakt zum Rest der Welt fehlt, dann fehlt einem auch die Inspiration. Wenn es keine Studenten gibt, denen man etwas beibringen muss, dann gibt es auch keine frischen Fragen und Gedanken. Und kein Wissenschaftler kann rund um die Uhr denken und arbeiten. Kreativität richtet sich nicht nach den Arbeitszeiten; mal folgt eine tolle Idee der nächsten und man arbeitet Tage und Wochen fast ohne Pause. Mal verweigert das Hirn aber auch Tage oder Wochen lang die Arbeit und es fällt einem nichts ein. Feynman schrieb in seinen biografischen Texten, dass ihm in diesen Situationen dann gerade die Lehre über Wasser gehalten hat. So kam er sich nicht völlig nutzlos vor; er musste sich immer noch mit Wissenschaft beschäftigen und irgendwann brachte der Kontakt mit den Studenten dann auch neue Ideen hervor.
Ich habe mir während der Lektüre des Buchs auch immer wieder Gedanken gemacht, ob das IAS ein guter Platz zum Arbeiten wäre oder nicht. Eigentlich wäre das ja der Traum eines jeden Wissenschaftlers: Eine gut bezahlte Stelle, ohne Befristung, ohne Verpflichtung, ohne Stress – einfach nur nachdenken! Wer in der Realität des derzeitigen akademischen Prekariats mit den Unmengen unbezahlter Überstunden, den Befristungen, der mangelnden Zukunftsplanung und der ganzen restlichen Misere steckt, dem wird so ein Posten am IAS wie ein Geschenk des Himmels vorkommen. Aber schafft man mit diesen Rahmenbedingungen wirklich die Grundlage für Spitzenforschung? Oder ist das IAS nur eine Art “Belohnung” oder gut bezahltes Altersheim für einstige Genies, die sich in Würde aus der akademischen Welt verabschieden können?
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