Resonante Bewegung dreier Jupitermonde (Bild: gemeinfrei)

Resonante Bewegung dreier Jupitermonde (Bild: gemeinfrei)

Resonanzen wie die eben beschriebene nennt man “Resonanzen der mittleren Bewegung” (oder “mean-motion resonances”). “Bewegung” wird aber in diesem Zusammenhang etwas umfassender definiert. Es geht nicht nur um die Bewegung eines Himmelskörpers durch den Raum, sondern auch um die Veränderung seiner Bahn. Die Bahnen der Himmelskörper sind ja variabel; sie werden größer oder kleiner; mehr oder weniger elliptisch und drehen sich im Raum hin und her. Es kann nun auch passieren, dass die Geschwindigkeit, mit der sich zum Beispiel die Bahn eines Asteroiden dreht in einem ganzzahligen Verhältnis zur Drehgeschwindigkeit der Bahn eines Planeten stehen. Oder die Periode mit der eine Bahn hin und her wackelt steht in einem ganzzahligen Verhältnis zur Wackelei einer anderen Bahn. All diese Resonanzen nennt man “säkulare Resonanzen” und sie spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Dynamik von Satelliten geht.

Das Problem ist nun, dass es bei der Bewegung von künstlichen Himmelskörpern sehr viele solcher säkularer Resonanzen gibt. Welche davon wie stark wirksam werden, hängt von vielen Faktoren ab. Davon, wie nah oder weit man von der Erde entfernt ist zum Beispiel oder welche Zeitskalen man betrachtet. Manche säkularen Resonanzen hängen mit der Rotation der Erde zusammen und laufen daher mit Perioden von wenigen Tag ab; andere werden durch die Bewegung der Erde um die Sonne verursacht und dauern Jahre. Wieder andere hängen damit zusammen, wie sich die Bahn des Mondes verändert oder wie die Erdachse im Laufe der Zeit hin und her schwankt und wirken sich daher erst im Laufe von Jahrzehntausenden aus. Rosengren und seine Kollegen haben sich bei ihrer Analyse auf die Navigationssatelliten konzentriert. Die befinden sich einige zehntausend Kilometer von der Erde entfernt und haben unterschiedlich stark geneigte Umlaufbahnen, um die gesamte Erde im Blickfeld haben zu können. Diese verschiedenen Bahnneigungen machen sie zu einem guten Studienobjekt – und ihre technische Bedeutung zu einem wichtigen Anwendungsfall!

In ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler außerdem nur die Störungen betrachtet, die vom Mond verursacht werden (bei den solaren Resonanzen sind die Zeitskalen so lang, dass man sie vorerst vernachlässigen kann). Ihre Arbeit war analytisch, das heißt sie haben nicht wie sonst meistens üblich, die Bewegung der Satelliten numerisch am Computer simuliert um herauszufinden, ob sie sich irgendwann chaotisch bewegen. Arbeiten dieser Art wurden in der Vergangenheit schon gemacht und sie haben gezeigt, dass es tatsächlich unter vielen unterschiedlichen Bedingungen zu instabilen Satellitenbahnen kommen kann. Rosengren und seine Kollegen wollten aber nicht nur wissen ob Chaos auftritt, sondern auch warum und dafür müssen sie die entsprechenden mathematischen Gleichungen genau betrachten und mathematisch lösen, anstatt sie am Computer nur näherungsweise zu simulieren. Dieses Arbeitsgebiet der Mathematik nennt sich “Störungsrechnung”, ist ziemlich knifflig und wer mehr darüber wissen will, soll sich am besten meine Artikelserie zu diesem Thema ansehen (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4). Im Wesentlichen geht es darum, eine sogenannte “Störungsfunktion” aufzustellen, die alle möglichen säkularen Resonanzen mathematisch zusammenfasst und diese Funktion zu untersuchen. Wer gerne mal wissen möchte, wie so etwas aussieht – bitte sehr:

Ich werde das jetzt nicht im Detail erklären (das könnte ich auch gar nicht, ohne mich nochmal ein paar Wochen hinzusetzen und all das aufzufrischen, was ich damals im Studium gelernt habe). Am Ende geht es um zwei ganz bestimmte Größen: die “Länge des aufsteigenden Knotens” und das “Argument des Perihels”. Das sind zwei der sogenannten “Bahnelemente”, mit denen man die Bahn eines Himmelskörpers beschreiben kann. Knotenlänge und Argument des Perihels sind zwei der drei Winkel, die angeben, wie die Bahn im Raum orientiert ist und so wie alle anderen Bahnelemente verändern sie sich im Laufe der Zeit. Stehen nun die Änderungsraten von Knotenlänge/Argument des Perihels der Mond- bzw. Satellitenbahn in bestimmten ganzzahligen Verhältnissen, dann kommt es zu einer säkularen Resonanz und genau das war es, was Rosengren und seine Kollegen untersucht haben. Hier ist ein Beispiel für ihre Ergebnisse:

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Kommentare (7)

  1. #1 Alderamin
    12. März 2015

    @Florian

    Wo Du das Beispiel der Jupitermonde für die Resonanzen bringst: interessant, dass diese Resonanz (wie auch die von Pluto mit Neptun) anscheinend stabil ist und eben nicht dazu führt, dass einer der Monde aus der Bahn geworfen wird, oder ist dies längerfristig zu erwarten? Wenn nicht, was macht gerade diese Konfiguration stabil?

    Und nun zu etwas völlig anderem:

    Rosengren und seine Kollegen haben sich bei ihrer Analyse auf die Navigationssatelliten konzentriert. Die befinden sich einige zehntausend Kilometer von der Erde entfernt und haben unterschiedlich stark geneigte Umlaufbahnen, um die gesamte Erde im Blickfeld haben zu können.

    Was GPS betrifft, die sind alle auf Bahnen mit 55° Inklination (nur die Knotenlinien der Bahnen sind versetzt), und GLONASS alle auf 64,8°. (BeiDou kannte ich gar nicht, da gibt’s tatsächlich ein paar Satelliten auf 1°-2° und der Rest auf 55°-57°; Galileo wird 56° verwenden). Vermutlich meinst Du aber hier die Länge des aufsteigenden Knotens, der später im Text erscheint.

    Dann verstehe ich allerdings die Graphiken nicht so ganz, die bei Exzentrizität von 0 die unterschiedlichsten Inklinationen haben. Haben die Autoren einfach mal verschiedene Inklinationen in ihren Berechnungen ausprobiert, die mit den tatsächlichen nicht unbedingt übereinstimmen?

  2. #2 Florian Freistetter
    12. März 2015

    Bin gerade auf der Buchmesse. Ausführlich antworten kann ich erst später. Aber zumindest das mit den Resonanzen findest du sicher auch selbst raus 😉

  3. #3 Ludger
    12. März 2015

    Als Störgröße kommen noch Strahlungsdruck und Sonnenwind dazu, weshalb manche Satellitenbahnen von Technikern der Bodenstationen alle paar Tage nachjustiert werden müssen.

  4. #4 tes
    der mond ist schuld
    12. März 2015

    sag ich doch schon immer 🙂

  5. #5 Artur57
    Mannheim
    12. März 2015

    @Alderamin

    In der Tat, da kann man ja weiter denken. Ist diese 1:2:4 Resonanz der Monde etwa zufällig entstanden? Wohl kaum, es ist ja denkbar, dass dieser Zustand der stabile Attraktor des Systems ist und dass sich die Monde in diesem Zustand gegenseitig stabilisieren. Erstaunlicherweise bewegen sich alle drei auf fast perfekten Kreisbahnen ohne nennenswerte Exzentrität.

    Was man sich ja vorstellen kann: die Monde kehren nach ihrem Rendezvous nicht einfach auf ihre bisherige Bahn zurück, sondern sie pendeln wohl noch etwas um diese. Bei einer erneuten Annäherung kann dies nun aufschaukelnd wirken oder dämpfend. Letzteres wohl, denn sonst wäre das System schon längst – nun ja – ins Chaotische mutiert.

    Jetzt haben wir noch ein Problem: wenn dieser Zustand durch gegenseitige Beeinflussung der Monde herbeigeführt wurde, dann hieße das, dass die Monde in der Lage sind, Drehimpuls zwischen sich auszutauschen. In der Tat: die Wirkung der Monde ist bei Annäherung und Auseinandergehen nicht symmetrisch, wegen der Massenträgheit. Aus diesem Grund kann dabei Drehimpuls übertragen werden.

  6. #6 Yeti
    16. März 2015

    “einige zehntausend Kilometer” wäre ja fast schon Geostationär.
    Ich konnte in der Wikipedia nix genaues finden, weiß jemand, wie hoch die wirklich fliegen?

  7. #7 Alderamin
    16. März 2015