Die vier Diagramme zeigen die Parameter für vier verschiedene Navigationssatellitensysteme: GLONASS (Russland), GPS (USA), BeiDou (China) und Galileo (Europa). In jedem Bild zeigen die Achsen die Werte für die Bahnneigung und die Bahnexzentrizität an. Die bunten Linien sind die Positionen unterschiedlicher säkularer Resonanzen. Soll heißen: Ein Satellit, dessen Bahnneigung und Bahnexzentrizität Werte haben, die in dem Diagramm genau auf einer der bunten Linien liegen, wird von einer Resonanz beeinflusst. Auch ohne alle Details der Bilder zu verstehen, sieht man eines doch sehr deutlich: Es gibt viele Resonanzen, sie liegen einander oft sehr nahe und sie überlappen sich gegenseitig. Und damit ist man mitten im Chaos. Denn wenn sich ein Satellit in einer der Überlappungsregionen befindet, reichen oft schon kleine Veränderungen in der Bahn aus, um von einer Resonanz in die andere zu “springen” und damit die ganze Bahndynamik zu verändern (das ist genau das Verhalten, das ich auch schon bei der Betrachtung der seltsamen Attraktoren beschrieben habe.

Rosengren und seine Kollegen haben das auch mit konkreten Beispielen illustriert. Das zeigt dieses Bild:

Hier sieht man die dynamische Entwicklung zweier fiktiver Galileo-Satillten im Verlauf von 500 Jahren. Die Bahnen der Satelliten sind anfangs identisch, nur ist eine Bahn um 120 Grad gegenüber der anderen gedreht (um die sogenannten Knotenlinie herum, also die Linie, die die beiden Schnittpunkte der Satellitenbahn mit der Ebene der Erdbahn verbindet). Die Diagramme sind identisch mit denen zuvor; nur sind diesmal Punkte eingetragen, die zeigen, wie sich Bahnneigung und Exzentrizität der Satelliten im Laufe der Zeit verändern. Die Farbe der Punkte gibt dabei den Zeitpunkt an (je heller, desto früher). Beim unteren Bild passiert nicht viel – die Bahn des Satelliten bleibt immer annähernd kreisförmig, das heißt seine Exzentrizität ist gleich Null und die Punkte landen alle auf der x-Achse. Beim oberen Bild sieht man aber gut, wie die Exzentrizität im Laufe der Zeit immer mehr anwächst und sich am Ende der 500 Jahre immer stärker ändert. Wenn die Bahn eines Satelliten aber zu sehr von der Kreisbahn abweicht, kommt er an seinem erdnächsten Punkt der Erde immer näher und damit auch der Atmosphäre, was schließlich durch die Reibung zu einem Absturz bzw. seiner Zerstörung sorgt.

Die Arbeit von Rosengren und seinen Kollegen zeigt also recht deutlich die Komplexität der chaotischen Dynamik auf. Nicht nur kommt es darauf an, ob man sich in einer Region befindet, in der Resonanzen wirksam sind bzw. sich überlappen oder nicht, sondern auch die ursprüngliche Konfiguration der Bahn spielt eine wichtige Rolle. Wie das eben so ist, wenn das Chaos eine Rolle spielt: Dann können schon kleinste Änderungen in den Anfangsbedingungen dramatische Auswirkungen haben. Die Drehung der Mondbahn im Laufe der Zeit – sie braucht knapp 19 Jahre für eine Drehung um die Knotenlinie – hat einen relevanten Einfluss auf die Stabilität von Satellitenbahnen und die Komplexität der säkularen Resonanzen ist der Grund, warum man bis jetzt Schwierigkeiten, eine stabile “Friedhofsregion” für die Galileo-Satelliten ausfindig zu machen. Rosengren und seine Kollegen wollen aber in zukünftigen Arbeiten genau dieses Chaos ausnutzen und zeigen, wie es für eine aktive Entfernung des Weltraumschrotts genutzt werden kann. Anstatt die ausgedienten Satelliten “sicher” zu parken, was angesichts der Resonanzen schwierig wird, sollen sie durch das Chaos gezielt abstürzen. Aber damit das klappt, muss man sich noch ein wenig intensiver mit der Identifizierung der Resonanzen beschäftigt. Davon gibt es erdnahen Weltraum noch jede Menge…

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Kommentare (7)

  1. #1 Alderamin
    12. März 2015

    @Florian

    Wo Du das Beispiel der Jupitermonde für die Resonanzen bringst: interessant, dass diese Resonanz (wie auch die von Pluto mit Neptun) anscheinend stabil ist und eben nicht dazu führt, dass einer der Monde aus der Bahn geworfen wird, oder ist dies längerfristig zu erwarten? Wenn nicht, was macht gerade diese Konfiguration stabil?

    Und nun zu etwas völlig anderem:

    Rosengren und seine Kollegen haben sich bei ihrer Analyse auf die Navigationssatelliten konzentriert. Die befinden sich einige zehntausend Kilometer von der Erde entfernt und haben unterschiedlich stark geneigte Umlaufbahnen, um die gesamte Erde im Blickfeld haben zu können.

    Was GPS betrifft, die sind alle auf Bahnen mit 55° Inklination (nur die Knotenlinien der Bahnen sind versetzt), und GLONASS alle auf 64,8°. (BeiDou kannte ich gar nicht, da gibt’s tatsächlich ein paar Satelliten auf 1°-2° und der Rest auf 55°-57°; Galileo wird 56° verwenden). Vermutlich meinst Du aber hier die Länge des aufsteigenden Knotens, der später im Text erscheint.

    Dann verstehe ich allerdings die Graphiken nicht so ganz, die bei Exzentrizität von 0 die unterschiedlichsten Inklinationen haben. Haben die Autoren einfach mal verschiedene Inklinationen in ihren Berechnungen ausprobiert, die mit den tatsächlichen nicht unbedingt übereinstimmen?

  2. #2 Florian Freistetter
    12. März 2015

    Bin gerade auf der Buchmesse. Ausführlich antworten kann ich erst später. Aber zumindest das mit den Resonanzen findest du sicher auch selbst raus 😉

  3. #3 Ludger
    12. März 2015

    Als Störgröße kommen noch Strahlungsdruck und Sonnenwind dazu, weshalb manche Satellitenbahnen von Technikern der Bodenstationen alle paar Tage nachjustiert werden müssen.

  4. #4 tes
    der mond ist schuld
    12. März 2015

    sag ich doch schon immer 🙂

  5. #5 Artur57
    Mannheim
    12. März 2015

    @Alderamin

    In der Tat, da kann man ja weiter denken. Ist diese 1:2:4 Resonanz der Monde etwa zufällig entstanden? Wohl kaum, es ist ja denkbar, dass dieser Zustand der stabile Attraktor des Systems ist und dass sich die Monde in diesem Zustand gegenseitig stabilisieren. Erstaunlicherweise bewegen sich alle drei auf fast perfekten Kreisbahnen ohne nennenswerte Exzentrität.

    Was man sich ja vorstellen kann: die Monde kehren nach ihrem Rendezvous nicht einfach auf ihre bisherige Bahn zurück, sondern sie pendeln wohl noch etwas um diese. Bei einer erneuten Annäherung kann dies nun aufschaukelnd wirken oder dämpfend. Letzteres wohl, denn sonst wäre das System schon längst – nun ja – ins Chaotische mutiert.

    Jetzt haben wir noch ein Problem: wenn dieser Zustand durch gegenseitige Beeinflussung der Monde herbeigeführt wurde, dann hieße das, dass die Monde in der Lage sind, Drehimpuls zwischen sich auszutauschen. In der Tat: die Wirkung der Monde ist bei Annäherung und Auseinandergehen nicht symmetrisch, wegen der Massenträgheit. Aus diesem Grund kann dabei Drehimpuls übertragen werden.

  6. #6 Yeti
    16. März 2015

    “einige zehntausend Kilometer” wäre ja fast schon Geostationär.
    Ich konnte in der Wikipedia nix genaues finden, weiß jemand, wie hoch die wirklich fliegen?

  7. #7 Alderamin
    16. März 2015