2015 ist das Internationale Jahr des Lichts. Ich werde dazu später im Jahr noch eine längere Artikelserie hier im Blog schreiben (wer früher was von mir dazu lesen will, soll sich die neue Ausgabe des Magazins “Profil Wissen” besorgen; da habe ich einen langen Artikel verfasst). Momentan bin ich aber noch dabei, mich zu informieren und Biografien von Wissenschaftlern zu lesen, die maßgeblich zur Erforschung des Lichts beigetragen haben. Eine davon hat mir so besonders gut gefallen, dass ich sie euch unbedingt vorstellen möchte. Es geht dabei um James Clerk Maxwell.
Das Buch heißt “The Man Who Changed Everything: The Life of James Clerk Maxwell”* und wurde von Basil Mahone geschrieben. Gleich im Vorwort erwähnt Mahon etwas, das mir auch früher schon aufgefallen ist: Über Maxwell weiß man eigentlich nicht! Die anderen großen Physiker wie Albert Einstein, Isaac Newton, Johannes Kepler, und so weiter kennt man nicht einfach nur, man hat auch – zumindest wenn man ein grundlegendes Interesse an Naturwissenschaft hat – einen einigermaßen konsistenten Eindruck davon, was sie für Menschen waren. Aber selbst als jemand, der Maxwells Arbeit im Studium ausführlich kennengelernt hat, wusste ich von ihm eigentlich nicht mehr, als das er ein Mathematiker aus dem Schottland des 19. Jahrhunderts war, der die fundamental wichtigen “Maxwell Gleichung” zur Beschreibung der Elektrodynamik aufgestellt hat. In meinem Kopf war Maxwell auch nicht mehr als “ein Mathematiker”, der halt vermutlich vor sich hin gerechnet und dabei die heute nach ihm benannten Gleichungen gefunden hat. Das Buch von Mahon hat mir allerdings gezeigt, dass ich völlig falsch lag. Maxwell war so viel mehr als nur “ein Mathematiker” und sein Leben bestand aus so viel mehr als nur den berühmten Gleichungen…
Geboren wurde Maxwell am 13. Juni 1831 und er verlor seine Mutter schon 8 Jahre später. Mit seinem Vater wuchs er auf dem Land in Schottland auf und war von Anfang an ein wissbegieriger Junge, der alles verstehen und untersuchen wollte. Seine Kindheit könnte kaum klischeehafter der eines späteren großen Wissenschaftlers entsprechen. Er war sehr begabt, war aber vorerst ein Außenseiter in der Schule, weil er wegen seiner ländlichen Herkunft auffiel. Noch in der Schule in Edinburgh, im Alter von 15 Jahren veröffentlichte er seine erste wissenschaftliche Arbeit (es ging um eine bestimmte Art ovaler Kurven) und mit 16 begann er ein Studium an der Universität von Edinburgh. Er wechselte nach Cambridge und fügte sich dort gut in das akademische Leben ein. Die Interessen von Maxwell beschränkten sich bei weitem nicht nur auf die Mathematik. Neben der Physik beschäftigte er sich auch mit Philosophie, Religion und Literatur. Er verfasste regelmäßig kleine Gedichte mit denen er Freunde und Kollegen aufs Korn nahm; er war Mitglied diverser Clubs und Gesellschaften und wenn seine Kindheit die eines klassischen “Nerds” war, so war seine Zeit als junger Erwachsener anscheinend das genaue Gegenteil dessen, was man sich bei einem Klische-Wissenschaftler vorstellt. Maxwell hatte jede Menge Freunde und Bekannte und engagierte sich in vielen sozialen Bereichen – er war ein Verfechter der Einführung von Bildungseinrichtungen für Werktätige und sollte auch später immer wieder einen Teil seiner Zeit dafür aufwenden, um Vorlesungen für die Erwachsenenbildung zu halten.
Als Lehrer war er enthusiastisch; wenn auch den Studenten zufolge manchmal so enthusiastisch, dass er gelegentlich ein wenig konfus wirkte. Trotzdem waren seine Vorlesung höchst beliebt, was vielleicht auch seiner Philosophie geschuldet war. Maxwell wollte nicht einfach nur Wissenschaft unterrichten, sondern die Wissenschaft nutzen, um den Studenten beizubringen, selbständig zu denken und zu forschen:
“My duty is to give you the requiste foundation and to allow your thoughts to arrange themselves freely. It is best that every man should be settled in his own mind, and not be led into other men’s ways of thinking under the pretence of studying science.”
Wer sich bisher, so wie ich, Maxwell immer als Mathematiker vorgestellt hat, wird auch überrascht sein, wie viel Wert er auf Experimente legte und wie viel experimentelle Arbeit er selbst geleistet hat. Und auch seine Arbeitsfelder waren vielfältiger als ich dachte. Klar, ich kannte natürlich die “Maxwell-Boltzmann-Verteilung”, die beschreibt, wie sich die Geschwindigkeiten von Teilchen in einem Gas verteilen. Aber mir war nicht klar, wie fundamental diese Leistung von Maxwell damals war. Die Verteilung die Maxwell damals für die Geschwindigkeiten der Gasmoleküle fand, war das erste statistische Gesetz in der Physik und eröffnete völlig neue Arbeitsfelder. Es war der Beginn der statistischen Mechanik, einem Verständnis der Thermodynamik, usw. Selbst wenn Maxwell sonst nichts anderes geleistet hätte, wäre das genug gewesen, um sich seiner als bedeutenden Physikers zu erinnern.
Ich wusste auch nicht, wie intensiv sich Maxwell mit der Wahrnehmung von Farben beschäftigt hatte. Während seines ganzen Arbeitslebens führte er Experimente durch, um herauszufinden, wie Farben zusammengemischt werden müssen, um den Eindruck anderer Farben zu erzeugen; er entwickelte eine mathematische Notation mit der man jede Farbe durch ihren Rot/Grün/Blau-Anteil exakt definieren konnte die zum Vorläufer für das heute benutzte CIE-Normvalenzsystem wurde; er untersuchte Farbenblindheit und er erstellte das erste dauerhafte Farbfoto.
Maxwell schrieb eine maßgebliche mathematische Arbeit, in der er erstmals zeigte, dass die Ringe des Saturn nur aus einzelnen Teilchen bestehen konnte und keine andere Konfiguration (zum Beispiel ein fester oder flüssiger Ring) möglich war. Für diese Arbeit bekam er einen Preis der Universität Cambridge und der königliche Astronom George Airy sagte darüber: “It is one of the most remarkable applications of mathematics to physics that I have ever seen.” (Und ich werde darüber irgendwann definitiv nochmal mehr schreiben!).
Maxwell erfand in einem Gedankenexperiment den Maxwellschen Dämon, der den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in Frage zu stellen schien und noch mehr als 100 Jahre später die Physiker beschäftigt und inspiriert.
Aber natürlich war seine Arbeit auf dem Gebiet des Elektromagnetismus der Höhepunkt seiner Karriere. Das Konzept des “Elektromagnetismus” existiert überhaupt nur, weil Maxwell die beiden Phänomene Elektrizität und Magnetismus als fundamental zusammengehörig erkannte. Die Biografie von Mahon erklärt sehr anschaulich (und verständlich), wie Maxwell sich langsam an diese Erkenntnis herangetastet hat. Zwischen 1855 und 1865 erschienen drei Arbeiten, die sich mit Elektrizität und Magnetismus beschäftigten. Natürlich waren beide in der Mitte des 19. Jahrhunderts schon durchaus experimentell gut erforscht, aber noch nicht wirklich verstanden. Da war zum Beispiel das Konzept von Michael Faraday, der sich das Konzept der “Feldlinien” ausgedacht hatte, aber mangels mathematischer Fähigkeiten nicht in der Lage war, es auch wissenschaftlich gründlich zu untermauern. Maxwell hat sich der Sache angenommen und überlegt, ob es irgendein analoges System geben könnte, dessen Mathematik zur Beschreibung der Feldlinien dienlich wäre. In seiner ersten Arbeit beschrieb Maxwell nur den Fall von statistischen elektrischen Feldern und fand heraus, dass er die Gleichungen nutzen konnte, die eine Flüssigkeit beschreiben, die sich durch dünne Röhren bewegt. Auch für den Fall von dynamischen Felder dachte er sich so ein mechanische Analogie aus; jetzt aber wesentlich komplexer. Es bestand aus rotierenden Zellen, dünnen Röhrchen und Zahnräder und natürlich war Maxwell klar, dass Strom und Magnetismus in der Realität nicht auf diese Weise funktionierten. Aber sein Modell lieferte ihm Gleichungen, mit denen er die bei den Experimenten beobachteten Phänomene beschreiben konnte und darauf kam es an!
Erst in seiner letzten Arbeit warf er die Analogien aus dem Fenster und konzentrierte sich auf die reine Mathematik. Zuerst aber vereinheitlichte er mit seinen Kollegen das komplette System der physikalischen Einheiten, mit denen Elektrizität und Magnetismus beschrieben wurden (daraus entstand das CGS-Einheitensystem und auch die Technik der Dimensionsanalyse geht darauf zurück). Und als Maxwell dann noch ein paar neue mathematischen Techniken lernte, war er bereit, seine vier berühmten Gleichungen aufzustellen. Sie gelten nicht umsonst nicht nur als wissenschaftlich fundamental, sondern auch ästhetisch schön. Auch ohne zu wissen, was sie aussagen, kann man ihre Eleganz erkennen. Es gibt verschiedene Arten, sie aufzuschreiben, aber mir gefällt diese Variante (die Formulierung der Gleichungen im Vakuum) am besten:
Wie gesagt: Das, was diese Gleichungen beschreiben, war auch vorher schon aus Experimenten bekannt. Aber dank Maxwell konnte man nun auch verstehen, was man bei den Experimenten beobachtet hatte. Seine Gleichungen zeigten, dass Elektrizität und Magnetismus nicht ohne einander sein könne. Elektrische und Magnetische Wellen sind untrennbar verknüpft; die einen rufen die anderen hervor und umgekehrt. Er konnte sogar die Geschwindigkeit ausrechnen, mit der sich diese elektromagnetischen Wellen ausbreiten und die entsprach der Lichtgeschwindigkeit. So konnte Maxwell auch Licht als elektromagnetische Welle identifizieren uns als Heinrich Hertz 1886 dann die von Maxwell vorhergesagten elektromagnetischen Wellen im Experiment nachweisen konnte, war sein Triumph komplett. Erlebt hat Maxwell das aber leider nicht mehr, denn er starb am 5. November 1879.
Maxwells Arbeit hat die Physik revolutioniert und die Grundlage für die moderne Technik des 20. Jahrhunderts gelegt. Seine Gleichungen waren der erste große Schritt bei der Vereinheitlichung der Kräfte in der Natur; ein Projekt das von Einstein und den Quantenmechanikern fortgeführt wurde und heute von den Stringtheoretikern zu vollenden versucht wird. Ich kann allen nur empfehlen, das Buch von Mahon zu lesen. Das Leben von James Clerk Maxwell ist viel interessanter, als man es vermuten würde und er war ein faszinierender, vielseitiger und offensichtlich sehr sympathischer Mensch.
“Eine wissenschaftliche Epoche endete und eine andere begann mit James Clerk Maxwell”, hat Albert Einstein gesagt und wie so oft hat er damit vollkommen recht.
P.S. Und wenn ihr andere gute Biografien von Licht-Forschern kennt, sagt bitte Bescheid!
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