Es wird wieder Zeit für Bücher! Ich habe auch im März jede Menge gelesen und möchte euch ein paar meiner Favoriten gerne ein wenig ausführlicher vorstellen. Diesmal ist alles mit dabei: Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte; Science-Fiction; Krimis; Biografien und Romane.
Die Nacht der Physiker
Mein Favorit im März war vermutlich das Buch “Die Nacht der Physiker: Heisenberg, Hahn, Weizsäcker und die deutsche Bombe” von Richard von Schirach. Es behandelt ein besonders faszinierendes Kapitel der Wissenschaftsgeschichte: Die Arbeit deutscher Physiker vor und während des zweiten Weltkriegs. Und zwar nicht die Arbeit der vielen Wissenschaftler, die vor den Nazis ins Ausland geflohen sind sondern die derjenigen, die da geblieben sind. Darunter bekannte Forscher wie Werner Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker oder Otto Hahn. Aber auch nicht ganz so prominente Persönlichkeiten wie Erich Bagge, Paul Harteck oder Karl Wirtz. Und im Krieg und unter der Herrschaft der Nationalsozialisten konnten sie alle natürlich nicht frei forschen sondern mussten ihre Arbeit in den Dienst der Diktatur stellen. Das hieß im wesentlichen nichts anderes als: Versuchen, eine Atombombe zu bauen.
Es war nicht unplausibel, dass sich die deutschen Forscher dieser Aufgabe gewidmet haben. Immerhin stammten viele der theoretischen Grundlagen von ihnen selbst. Dass es aber dann doch (und zum Glück) nicht Deutschland war, dass die erste Atombombe baute, sondern die USA, hatte ganz konkrete Gründe, die von Schirach in seinem Buch sehr anschaulich darstellt. Die “Rahmenhandlung” bildet die Festsetzung der deutschen Wissenschaftler durch die Alliierten nach Ende des Krieges. In einem britischen Landsitz wurden sie abgeschottet von der Außenwelt festgehalten und überwacht. Sie wussten allerdings nicht, dass sie abgehört wurden und sprachen daher frei über ihre Arbeit und ihr Zukunftspläne. Die Protokolle dieser belauschten Gespräche bilden das Gerüst von die “Die Nacht der deutschen Physiker”, um das herum die Geschichte der deutschen Physik während des Krieges erzählt wird.
Das Buch ist höchst faszinierend und absolut empfehlenswert und zwar aus verschiedenen Gründen. Einmal enthält es jede Menge ganz konkrete Wissenschaft und vollzieht die Erkenntnisse der Atom- und Kernphysik nach, erklärt die Grundlagen der Kernspaltung und der physikalischen Probleme, die beim Bau eines Kernreaktors bzw. einer Atombombe auftreten und deren Lösung. Es ist aber auch eine wunderbar packende historische Schilderung der unterschiedlichen Biografien und Persönlichkeiten, die auf Seiten Deutschlands Forschung betrieben haben. Und schließlich ist es eine höchst entlarvende Darstellung der Naivität der deutschen Physiker, die fest davon überzeugt waren, ihr Wissensvorsprung in Sachen Atomphysik wäre so groß, dass nur sie eine Atombombe bauen könnten und niemand anders dazu in der Lage wäre. Von Schirach zeigt aber sehr eindrucksvoll, wie sehr sie sich dabei selbst überschätzt haben; wie massiv der fast schon typisch deutsche Bürokratiewahn und die vielen persönlichen Streiterein und Eifersüchteleien zwischen den Wissenschaftlern den Fortschritt behindert haben und wie völlig anders die USA an die Entwicklung der Atombombe gegangen sind. Sieht man, mit welchem wahnsinnigen finanziellen, personellen und technischen Aufwand Amerika die Atomforschung vorangetrieben hat und vergleicht das mit den fast schon dilettanischen Bemühungen der Deutschen, dann könnte man fast Mitleid mit ihnen bekommen – bis man sich daran erinnert, um welche Forschung mit welchem Ziel es gegangen ist…
“Die Nacht der Physiker” ist ein absolut packendes und informatives Buch und ich kann es allen nur dringend empfehlen!
Shitstorm und öffenliche Beschämung
Vermutlich haben die meisten schon mal einen sogenannten “Shitstorm” mitbekommen. So nennt man das Phänomen, wenn eine Person oder eine Aktion innerhalb kürzester Zeit im Internet massiv von hunderten oder tausenden Menschen fast zeitgleich kritisiert wird. Mittlerweile reichen ja schon Kleinigkeiten aus, um die Online-Allgemeinheit zu extremen Äußerungen zu treiben. Ein schlechter Scherz im (scheinbar) privaten Facebook-Gespräch mit Bekannten oder ein dummes (scheinbar) privates Foto bei Twitter können reichen, um die ganze Welt gegen sich aufzubringen und am Ende mit einem komplett ruinierten Leben da zu stehen. Beispiel dafür gibt es genug und Jon Ronson präsentiert in seinem aktuellen Buch “So You’ve Been Publicly Shamed” einige davon. Da ist zum Beispiel der Fall der Frau, die einen – zugegebenermaßen – schlechten Witz twittert, in ein Flugzeug steigt um in Urlaub zu fliegen und beim Blick auf ihr Handy nach der Landung feststellen muss, dass sie von fast der ganzen Welt gehasst wird und zwischenzeitlich von ihrem Arbeitgeber gefeuert worden ist. Oder die Frau, die ein mäßig lustiges Foto bei Facebook postet und seitdem Beschimpfungen der übelsten Sorte bis hin zu Gewalt- und Todesdrohungen ausgesetzt ist.
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