In meinem Buch “Asteroid Now” habe ich über die ferne Zukunft der Menschheit spekuliert und diverse Methoden vorgestellt, mit denen wir prinzipiell auch sehr, sehr lange im Sonnensystem überleben und den diversen Gefahren die das Universum für uns bereit hat, entgehen können. Ich habe allerdings “nur” bis zum Ende unserer Sonne voraus geblickt; wie die Entwicklung einer Zivilisation nach dem Tod der Sonne in etwa 5 Milliarden Jahren weiter gehen könnte, habe ich dann nur noch am Rande betrachtet. Aber auch da gibt es natürlich Möglichkeiten, die keine reine Science-Fiction sind, sondern zumindest ein wenig auf echter Wissenschaft basieren. Wenn der Sonne in ferner Zukunft der Brennstoff ausgeht, wird sie zu einem weißen Zwerg werden. In diesem Sternenrest, der nur noch so groß wie die Erde ist, findet keine Fusion mehr statt. Er kühlt einfach nur immer weiter ab – aber das heißt nicht, dass er nicht mehr als Lebensraum für eine Zivilisation dienen könnte. Auch weiße Zwerge könnten von bewohnbaren Planeten umgeben sein und wie das funktioniert habe ich früher schon hier oder hier erklärt. Man kann die Wärme eines weißen Zwergs aber auch anders nutzen: Zum Beispiel durch den Bau einer Dyson-Sphäre!
Dyson-Sphären sind ein Konzept, das sich der Astronom Freeman Dyson im Jahr 1960 ausgedacht hat. Wir nutzen, so Dyson, ja nur einen kleinen Teil der gesamten Sonnenenergie. Unser Stern strahlt Licht und Wärme in alle Richtungen ab, aber wir kriegen davon nur das, was auch auf die Erde trifft. Um die Ausbeute zu erhöhen könnte man eine Hülle um den gesamten Stern konstruieren. Damit ließe sich alle Energie auffangen und noch dazu hätte man auf/in dieser Hülle einen gigantisch großen Lebensraum der ausreichend Platz für jede noch so große Zivilisation bietet.
Natürlich müsste man für den Bau so einer großen Konstruktion vermutlich einen ganzen Planeten auseinander nehmen und das wäre noch nicht mal das geringste Problem. Dyson-Sphären sind nicht stabil und müssten mit irgendwelchen heute noch unvorstellbaren Technologien stabilisiert werden. Auf einer Sphäre, die groß genug ist um die Sonne einzuhüllen, wäre die Gravitationskraft so gering, dass man ohne künstliche Gravitation nicht darauf leben könnte. Man müsste sie zum rotieren bringen, was wieder Stabilitätsprobleme bringt. Und so weiter… Es wurden auch viele Varianten vorgeschlagen, die einige dieser Probleme lösen: Statt einer Sphäre könnte man auch nur einen rotierenden Ring um einen Stern bauen (aber auch der wäre nicht stabil). Oder man baut einen Schwarm kleinerer “Kollektoren”, die den Stern umgeben und dessen Energie einsammeln. Ideen gab es in den letzten Jahrzehnten viele und sogar Initiativen im Weltall nach Dyson-Sphären zu suchen, die andere gebaut haben.
İbrahim Semiz und Salim Oğur von der Boğaziçi Universität in Istanbul haben sich nun eine neue Variante ausgedacht (“Dyson Spheres around White Dwarfs”): Warum nicht eine Dyson-Sphäre um einen weißen Zwerg bauen? Die ausgebrannten Sterne geben immer noch Wärme und Licht ab und tun das über Milliarden Jahre hinweg. Sie böten also eine hinreichend stabile Umgebung für eine langlebige Zivilisation. Und da sie viel kleiner sind als ausgewachsene Sterne, muss man die Sphären auch nicht so groß bauen. Die Berechnungen von Semiz und Oğur zeigen, dass man “nur” etwa die Masse unseres Erdmondes bräuchte, um eine entsprechende Hülle um einen weißen Zwerg zu bauen.
So eine Sphäre hätte einen Radius von etwa 3 Millionen Kilometer und wenn man sich die richtige Art von weißen Zwerg aussucht, würden auf ihrer Außenseite Temperaturen von -25 bis 35 Grad Celsius herrschen und das bei Erdschwerkraft. Durchaus lebensfreundlich also. Und praktisch noch dazu: Semiz und Oğur weisen darauf hin, dass man so eine Dyson-Sphäre auch wunderbar zur Müllentsorgung nutzen könnte. Alles was man in die Sphäre schmeißt, fällt auf den weißen Zwerg und wird rückstandslos vernichtet (und würde dabei sogar noch Energie erzeugen, die von der Sphäre aufgefangen wird). Aber ob eine Zivilisation die in der Lage ist, einen Stern einzuhüllen wirklich noch Probleme mit der Müllentsorgung hat?
Die beiden Physiker beenden ihren Artikel mit der Feststellung:
“We conclude that 106 km-scale Dyson Spheres built around white dwarfs are at least as realistic as the ‘standard’ ones, and possibly more probable. Unfortunately, they would also be harder to detect.”
Tja. Es ist ja immer ein wenig schwer zu entscheiden, was man von solchen Arbeiten halten soll. Einerseits behandeln sie höchst faszinierende Themen. Sich Gedanken über Konstruktionen auf stellaren Maßstäben zu machen und darüber zu spekulieren, wie so etwas funktionieren kann und ob vielleicht anderswo jemand so etwas tatsächlich macht. Andererseits ist natürlich auch klar, dass der Bau einer Dyson-Sphäre so weit jenseits unserer technischen Möglichkeiten liegt, dass keinerlei Bezug zur Realität besteht.
Aber trotzdem finde ich es gut, wenn sich jemand darüber Gedanken macht! Und zwar auf wissenschaftlicher Basis und nicht nur im Rahmen reiner Science-Fiction. Denn man kann nie wissen: Vielleicht gibt es irgendwo da draußen so etwas wie Dyson-Sphären ja tatsächlich. So lange die entsprechende Forschung nicht nachweist, dass es unmöglich ist, so ein Ding zu bauen, besteht die Möglichkeit weiter. Und wenn man auch nicht unbedingt viel Forschungszeit und -geld für großangelegte Suchprogramme nach Dyson-Sphären ausgeben muss, lohnt es sich darüber Bescheid zu wissen, wie man sie erkennen könnte. Vielleicht tauchen irgendwann mal ja entsprechende Beobachtungen auf, die sich anders nicht interpretieren lassen. Und dann ist es natürlich IMMER gut, über neue Dinge nachzudenken! Wer weiß, auf welche Ideen man unterwegs kommt. Zuerst will man nur wissen, wie man rein theoretisch eine Hülle um einen Stern bauen kann und am Ende findet man vielleicht etwas neues darüber heraus, wie ein Stern funktioniert (oder entwickelt eine neue Methode, um Rotweinflecken vom Teppich zu entfernen; die Wissenschaft ist schon auf viel seltsameren Umwegen zu Erkenntnissen gelangt). Über die Natur nachzudenken lohnt sich immer!
P.S. Ach ja – heute ist der 1. April. Und nein, dieser Artikel hier ist kein Aprilscherz. Die Arbeit über die weißen Zwerg ist schon Mitte März erschienen und auch wenn sie spekulativ ist, hat sie mit den üblichen Scherzartikeln, die Wissenschaftlern um den 1. April herum publizieren nichts zu tun.
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