Erst am Samstag habe ich über die Simulation einer Mars-Mission in Österreich berichtet. Es gibt vieles, was man testen muss, bevor man sich auf den langen Weg zu unserem Nachbarplaneten machen kann. Dabei geht es allerdings nicht nur um die Lösung diverser technischer Probleme. Es geht vor allem auch darum, den Flug durchs All und den Aufhalten auf dem Mars zu überleben. Wir sind uns selten bewusst, in was für einer einzigartigen Situation wir uns hier auf der Erde befinden. Unser Planet bietet uns nicht nur angenehme Temperaturen und flüssiges Wasser, das die Existenz von Leben erst ermöglicht. Mit ihrer Atmosphäre und ihrem Magnetfeld schützt uns die Erde auch vor den unsichtbaren Gefahren, die im Weltraum auf uns warten. Gefahren, die anscheinend (noch) größer sind, als wir bisher dachten, wie Mediziner aus den USA nun heraus gefunden haben.
Ich habe erst kürzlich in meinem Podcast über Radioaktivität gesprochen und den großen Wert, den die Beobachtung der kosmischen radioaktiven Strahlung für die Astronomie hat. Die kosmische Strahlung, die von unserer Sonne, all den anderen Sterne und sogar fernsten Galaxien bis zu uns gelangt, ist aber nicht nur eine nützliche Informationsquelle, sondern auch eine potentielle Gefahr für Menschen, die den Schutz der Erde verlassen.
Hier auf der Oberfläche unseres Planeten absorbiert die Atmosphäre einen großen Teil der radioaktiven Strahlung aus dem All und ein weiterer Teil wird durch das Magnetfeld der Erde schon weit draußen im Weltraum blockiert. Übrig bleibt nur ein kleiner Teil, der zur allgemeinen natürlichen radioaktiven Hintergrundstrahlung bei trägt, an die sich unser Körper im Laufe der Evolution gewöhnt hat. Reisen wir aber hinaus ins Weltall, dann sind wir plötzlich einer sehr viel stärkeren Strahlung ausgesetzt. Wenn man sich nicht all zu weit von der Erde entfernt, so wie die Astronauten in der Internationalen Raumstation, oder nicht allzu lange im Weltraum bleibt, so wie die Apollo-Astronauten, die nur ein paar Tage unterwegs waren, dann ist das vergleichsweise unproblematisch. Bei medizinischen Untersuchen oder bei Langstreckenflügen setzen wir uns auch immer wieder kurzfristig erhöhten Strahlendosen aus. Macht man das nicht zu oft, dann ist das Risiko einer Erkrankung überschaubar.
Aber beim Flug zu Mars muss man viele Monate lang durch den Weltraum fliegen. Und wenn man dann einmal dort ist, will man ja auch nicht gleich wieder zurück fliegen sondern einige Zeit lang bleiben um den Planeten zu erforschen (abgesehen davon lässt die Bewegung von Erde und Mars einen Flug sowieso nur zu bestimmten Zeit zu). Mars-Astronauten befinden sich also richtig lange im weit von der Erde entfernten Weltall wo sie der kosmischen Strahlung voll ausgesetzt sind. Und auch auf dem Mars selbst ist man nicht geschützt. Unser Nachbarplanet hat kein Magnetfeld und keine nennenswerte Atmosphäre und für die Dauer ihres Aufenthalts ist die Gefahr durch kosmische Strahlung dort nicht wesentlich geringer als direkt im All.
Dass radioaktive Strahlung gefährlich ist, zu Strahlenkrankheiten führt und langfristig das Krebsrisiko erhöht, ist lange bekannt. Vipan Parihar von der Abteilung für Strahlungs-Onkologie der Universität Kalifornien in Irvine und seine Kollegen haben nun aber auch noch einen anderen Weg entdeckt, auf dem sich die kosmische Strahlung schädlich auf den menschlichen Körper auswirken kann (“What happens to your brain on the way to Mars”). Die Forscher haben Mäuse hohen Dosen an Strahlung ausgesetzt, die aus geladenen Sauerstoff- bzw. Titanatomen besteht. Diese Art der Strahlung ist auch im Weltall zu erwarten; solche geladene Teilchen werden durch die hochenergetischen Vorgänge im Kosmos (wie zum Beispiel Supernova-Explosionen oder Material das durch schwarze Löcher beeinflusst wird) auf enorm hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Was passiert, wenn sie auf Lebewesen treffen, wollte man in diesem Experiment heraus finden.
Sechs Wochen nachdem die Mäuse der Strahlung ausgesetzt wurden, hat man ihre kognitiven Fähigkeiten mit einer Kontrollgruppe verglichen. Wie sie bei zwei dieser Tests (es ging darum, Objekte zu erkennen und zu unterscheiden), zeigt dieses Diagramm:
Das linke Diagramm zeigt wie gut die Fähigkeiten der Mäuse waren, neue Dinge zu erkennen. Rechts sieht man, wie gut sie in der Lage waren, sich räumliche Konfigurationen zu merken. Rot ist die Kontrollgruppe, die keiner Strahlung ausgesetzt war; die anderen Farben zeigen die Mäusegruppen an, die verschieden starken Strahlendosen mit Sauerstoff bzw. Titan abbekommen haben. Man sieht deutlich, dass die kognitiven Fähigkeiten sinken, je stärker die Strahlung wird.
Die der Strahlung ausgesetzten Mäuse waren bei den Tests viel weniger aktiv und viel schneller verwirrt als ihre Artgenossen aus der Kontrollgruppe. Die Forscher haben als nächstes probiert herauszufinden, was genau in den Gehirnen der Mäuse passiert ist und deren Dendriten untersucht. Das sind die verzweigten Ausläufer der Nervenzellen, die dafür zuständig sind, Reize aufzunehmen und weiter zu leiten: Die bestrahlten Mäuse hatten davon deutlich weniger, wie dieser Vergleich zweier Gehirnscans zeigt:
Auch die Dichte der Neuronen sank bei den bestrahlten Mäusen. Die Autoren schreiben in ihrer Arbeit:
“Our data indicate an unexpected and unique susceptibility of the central nervous system to space radiation exposure, and argue that the underlying radiation sensitivity of delicate neuronal structure may well predispose astronauts to unintended mission-critical performance decrements (…)”
Die Daten zeigten also demnach eine “einzigartige Anfälligkeit des Zentralnervensystems für kosmische Strahlung” und Astronauten wären “prädisponiert zu unbeabsichtigen missionskritischen Leistungsabfällen”. Oder etwas plakativer gesagt: Ein langer Aufenthalt im All macht Astronauten zu dumm für ihren Job!
Man kann natürlich diskutieren, wie realistisch diese Experimente sind. Die Strahlungsdosen denen die Mäuse ausgesetzt waren, waren sehr hoch und es ist fraglich, ob Astronauten im Weltall unbedingt den gleichen extrem hohen Dosen ausgesetzt wären. Aber dass die kosmische Strahlung einen entsprechenden extrem hochenergetischen Anteil hat, ist unbestritten. Ebenso wie die Tatsache, dass man sich genau gegen diesen Anteil am schlechtesten schützen kann, weil er auch die dicksten Schutzschichten durchdringen kann. Aber am Ende wird man wohl nicht um entsprechende Langzeitstudien umhin kommen, die direkt im Weltall durchgeführt werden, wenn man ganz genau Bescheid wissen will.
Aber egal wie stark die Auswirkungen auf das Gehirn nun wirklich sind: Die kosmische Strahlung ist wahrscheinlich eines der größten Probleme, die der bemannten Raumfahrt gegenüber steht. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, es zu lösen. Entweder man verkürzt die Dauer des Aufenthalts abseits der Erdoberfläche dramatisch. Oder man findet einen Schutz, der auch im Weltall funktioniert. Beides läuft daraus hinaus, dass die Raumfahrt wesentlich teurer wird. Will man die Reisedauer verkürzen, braucht man mehr Treibstoff und der muss ins Weltall geschafft werden. Will man einen entsprechenden Schutz ins Raumschiff einbauen, dann braucht das mehr Material und das muss ebenfalls ins Weltall gebracht werden. Dazu braucht es dann natürlich auch Raketen, die in der Lage sind, diese großen Mengen zu befördern. Und die Frage, wie man sich auf dem Mars selbst vor der Strahlung schützen soll, ist damit immer noch nicht gelöst. Auch dort wird man sich irgendwie schützen müssen; also entweder entsprechend abgeschirmte Strukturen errichten oder sich tief in den Boden eingraben. Beides benötigt – wieder einmal – viel Material, das auf den Mars gebracht werden muss.
Am Ende bleiben eigentlich nur zwei relevante Punkte: 1) Um irgendwann den Mars (sicher und gesund) erreichen zu können, müssen wir viel mehr konkrete Forschung durchführen, die vor allem im Weltall stattfinden muss. Anstatt große Forschungsstationen wie die ISS langsam abzuwickeln, sollte man also viel mehr darüber nachdenken, sie noch zu erweitern. 2) Langfristig braucht es einen neuen Weg, um ins Weltall zu gelangen bzw. dort zu operieren. Sichere bemannte Raumfahrt wird immer mehr zu einer Materialfrage. Es ist nicht zielführend, all das was wir für einen längeren Aufenthalt jenseits der Erde brauchen, mit unseren kleinen Raketen Stück für Stück in den Orbit zu schießen. Entweder wir holen uns das Material direkt vor Ort; lernen also wie man Asteroiden ausbeuten und verwerten kann. Oder wir finden einen besseren Weg als Raketen, um ins All zu kommen. Das könnte der berühmte Weltraumlift sein (für Details siehe diese beiden Podcastfolgen oder mein aktuelles Buch) – aber auch wenn das aus wissenschaftlicher Sicht durchaus realistisch und machbar wäre, ist so ein Projekt in unserer derzeitigen Gesellschaft doch eher noch Science-Fiction.
Der Mars wird weiter auf uns warten. Es liegt an uns, weiter zu forschen um irgendwann einen Weg zu finden, ihn zu erreichen.
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