Schwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Lange Zeit galten sie nur als mathematische Kuriosität; heute wissen wir, dass sie überall im Kosmos zu finden sind und großen Einfluss auf seine Entwicklung haben. Über schwarze Löcher gibt es viel zu erzählen und über sie existieren viele falsche Vorstellungen. Ich wollte schon seit längerer Zeit eine ausführliche Serie über schwarze Löcher schreiben. Und da Marcia Bartusiak kürzlich ein tolles Buch* zu diesem Thema veröffentlicht hat, nehme ich das als Anlass, um diese Serie endlich zu schreiben. Alle Teile der Serie findet ihr hier.
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Schwarze Löcher sind böse, fies und höchst gefährlich! So zumindest ist ihr übliches Image, wenn man nach dem geht, was man in Kino-Filmen und Science-Fiction-Büchern vorgeführt bekommt. Aber schwarze Löcher sind nicht so sehr gefährlich, als viel mehr höchst seltsam. Und sie sind die Voraussetzung dafür, das Leben auf der Erde existiert!
Dieser Aspekt wird bei der Betrachtung schwarzer Löcher meistens ein wenig ignoriert. Aber er folgt eigentlich direkt, wenn man sich ein paar Gedanken darüber macht, was es bedeutet, in einem Universum zu leben, in dem schwarze Löcher existieren können. Dass schwarze Löcher tatsächlich existieren können, war in der Astronomie lange umstritten. Zuerst waren es nur mathematische Kuriositäten denen niemand eine reale Entsprechung zusprechen wollte. Dann entdeckte man Himmelskörper, die so was ähnliches wie schwarze Löcher waren, aber nicht ganz. Zumindest aber zeigten diese “weißen Zwerge”, dass sich Sterne massiv verändern können, wenn der Brennstoff in ihrem Inneren zu Ende geht und die Kernfusion nicht mehr stattfindet.
Aber auch nachdem in den 1930er Jahren die Astronomen mehr über die Endstadien der Sternentwicklung gelernt hatten, war ihnen immer noch kein Weg bekannt, wie ein schwarzes Loch tatsächlich entstehen kann. Das änderte sich im Jahr 1932. Da entdeckte der britische Physiker James Chadwick das Neutron. Zuvor kannte man nur zwei Bausteine, aus denen ein Atom aufgebaut war: Die positiv geladenen Protonen, aus denen die Atomkerne bestehen sollten und die negativ geladenen Elektronen, die die Hülle der Atome bildeten. Chadwick aber entdeckte ein drittes Teilchen, das elektrisch nicht geladene Neutron, das so wie das Proton ebenfalls Teil des Atomkerns war.
Diese Entdeckung inspirierte den Astronom Fritz Zwicky zu einem sehr originellen Gedanken: Was, wenn ein Stern nur noch aus Neutronen bestehen würde? Das Problem bei der Entstehung schwarzer Löcher war ja, dass man sich nicht vorstellen konnte, dass reale Materie so enorm stark komprimiert werden kann, um ein schwarzes Loch zu bilden. Mit den weißen Zwergen hatte man zwar schon Objekte gefunden, die enorm stark komprimiert waren, aber immer noch weit entfernt von den für ein schwarzes Loch nötigen Dichten. In einem weißen Zwerg sorgt die Bewegung der Elektronen dafür, dass die Materie nicht mehr weiter verdichtet werden kann.
Aber was wenn die Gravitationskraft noch stärker wird? Dann würde die Materie unaufhaltsam weiter komprimiert werden, bis zu einem Punkt, an dem die physikalischen Gesetze nicht mehr in der Lage sind, die Dinge zu beschreiben. Aber Zwicky schlug vor, dass dann die Elektronen regelrecht in die positiv geladenen Protonen der Atomkerne gepresst werden. Aus Elektron und Proton entsteht ein Neutron und aus dem weißen Zwerg ein Objekt, das nur noch aus dicht an dicht gepackten Neutronen besteht. Nun sorgen die atomaren Kernkräfte (genauer gesagt die “starke Kernkraft”) dafür, dass die Materie nicht mehr weiter komprimiert wird und es entsteht ein stabiler “Neutronenstern”. Die ganze Masse eines Sterns ist auf eine Kugel von ein paar Dutzend Kilometer zusammengequetscht, wie dieser Größenvergleich zeigt:
Und was passiert mit der Energie, die bei so einem Kollaps frei wird? Die sorgt dafür, dass der ganze Rest des Sterns bei einer gewaltigen Explosion ins All hinaus geschleudert wird. Fritz Zwicky und sein Kollege Walter Baade nannten dieses Ereignis “Supernova” und stellten das Konzept im Dezember 1933 der wissenschaftlichen Welt vor. Mit “Supernova-Explosionen” hatten die Astronomen wenig Probleme und akzeptierten das Phänomen als plausiblen Mechanismen am Ende des Leben eines Sterns. Der Existenz von “Neutronensternen” stand man skeptischer gegenüber – was vor allem auch daran lag, dass Zwicky noch keinen konkreten Mechanismus angeben konnte, wie die Entstehung eines Neutronensterns ablaufen sollte.
Mittlerweile ist die Sache relativ klar und seit den 1960er Jahren weiß man auch, dass es Neutronensterne wirklich gibt. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemachten Überlegungen zur Sternentwicklung lassen sich aus heutiger Sicht so zusammenfassen:
- Ein normaler Stern fusioniert in seinem Inneren Wasserstoff zu Helium. Die Gravitationskraft der Materie versucht zwar, den Stern unter seinem Gewicht kollabieren zu lassen, der Druck der vom Kern nach außen dringenden Strahlung wirkt ihr aber entgegen und hält den Stern stabil.
- Endet die Wasserstoff-Fusion, dann gewinnt die Gravitation die Oberhand. Der Stern kollabiert, sein Inneres wird dichter und dadurch heißer. Die höheren Temperaturen reichen aus, um nun auch die schwereren Helium-Atome zu fusionieren. Dabei entsteht Kohlenstoff und Sauerstoff.
- Die Heliumfusion erzeugt mehr Strahlungsdruck als zuvor und der Stern beginnt sich auszudehnen.
- Kleine Sterne mit etwa der Masse der Sonne verbleiben in diesem Stadium. Der Strahlungsdruck bläst ihre äußeren Schichten immer weiter ins All hinaus und am Ende der Heliumfusion bleibt nur der verdichtete innere Kern zurück: ein “weißer Zwerg”.
- Schwerer Sterne können mit ihrer größeren Masse nach Ende der Heliumfusion den verbleibenden Kern noch so weit verdichten und aufheizen, dass auch Kohlenstoff und Sauerstoff zu neuen Elementen fusioniert werden.
- Erst wenn als Endprodukt der Fusion Eisen entsteht, kommt der Prozess zum Stillstand. Eisen kann nicht mehr fusioniert werden, weil hier keine Energie mehr frei wird, sondern extra Energie für die Fusion nötig wäre.
- So ein schwerer Stern endet als Neutronenstern mit einer Supernova-Explosion.
Und wenn der Stern noch schwerer ist? Dann kann auch die starke Kernkraft den Neutronenstern nicht mehr stabil halten und die Gravitation gewinnt ein weiteres Mal. Der Neutronenstern kollabiert und es entsteht ein schwarzes Loch. Und auch bei der Supernova-Explosion selbst entstehen noch Elemente und zwar all die, die schwerer sind als Eisen (siehe dazu auch hier). Nur während der enorm hochenergetischen Explosionen, die zur Entstehung schwarzer Löcher führen, können diese ganz speziellen Elemente gebildet werden.
Damit ein schwarzes Loch entstehen kann, braucht es also zuerst einmal einen großen Stern, der sein komplettes Leben hinter sich bringen muss. Ein Leben, in dem dieser Stern durch Kernfusion jede Menge chemische Elemente erzeugt. Da es nach dem Urknall selbst nur Wasserstoff und Helium im Universum gab, ist dieser Prozess der Ursprung all der anderen Elemente im Kosmos. Damit diese Elemente aber aus dem Inneren der Sterne hinaus ins All gelangen um dort zum Beispiel Planeten zu bilden (oder Lebewesen, die auf diesen Planeten leben), muss er bei einer Supernova explodieren und all die frisch fusionierten Elemente durch die Gegend schleudern.
Ohne die Prozesse im Inneren der Sterne, die am Ende zur Entstehung schwarzer Löcher führen, würden also auch nicht all die Elemente entstehen, auf denen unser Leben aufgebaut ist! Ein Universum ohne schwarze Löcher wäre also auch ein Universum ohne Leben! Wir können also durchaus froh sein, dass es diese seltsam absurden Himmelskörper gibt!
Die Astronomen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren allerdings alles andere als froh was die schwarzen Löcher anging. Aber dazu dann mehr im nächsten Teil der Serie.
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