Aus solchen Altersstatistiken die an Mondkratern durchgeführt worden sind, hat man auch erfahren, dass es früher viel mehr Kollisionen mit Asteroiden gab als heute und die Phase des sogenannten “Late Heavy Bombardements” entdeckt, von der ich in Folge 68 der Sternengeschichten schon ausführlich erzählt habe. Beim Verständnis und bei der Erforschung der Weltraumerosion waren natürlich die bemannten Missionen zum Mond von großer Bedeutung, denn am Material das die Astronauten damals zur Erde gebracht haben, konnte man die Effekte im Detail untersuchen. Aber auch Meteorite, die vom Mond kommend auf der Erde eingeschlagen sind und von denen ich in Folge 117 erzählt habe, haben wichtige Erkenntnisse gebracht.
In so einem Mondmeteorit wurde zum Beispiel im Jahr 2004 das Mineral Hapkeit entdeckt, eine spezielle Verbindung aus Eisen und Silicium, dessen Existenz im Jahr 1973 vom Planetologen Bruce Hapke vorhergesagt worden ist. Es bildet sich immer dann, wenn nach dem Einschlag eines Meteoriten auf dem Mond Gestein verdampft. Die eisenhaltigen Gase setzten sich dann auf der atmosphärenlosen Oberfläche ab und es entsteht ein Mineral, das auf der Erde so niemals entstehen könnte.
Der Mond ist aber nicht der einzige Himmelskörper auf dem sich diese Weltraumerosion beobachten lässt. Merkur, der sonnennächste Planet, ist dem Mond in vielen Aspekten sehr ähnlich. Auch er ist eine von Kratern übersähte Felskugel ohne Atmosphäre. Aber die Temperaturen sind dort viel höher, wenn der Merkur direkt der nahen Sonne ausgesetzt ist, aber auch viel kälter in den Nächten. Wegen der Nähe zur großen Sonne schlagen Mikrometeorite auch mit viel höherer Geschwindigkeit auf dem Merkur ein als auf dem Mond. Die Auswirkungen der Weltraumerosion sollten dort also wesentlich stärker sein. Wie es dort genau abläuft, lässt sich aber leider nicht sagen. Noch ist keine Raumsonde auf dem Merkur gelandet und hat sein Gestein aus der Nähe untersucht…
Weltraumerosion findet auch auf Asteroiden statt, allerdings wieder unter ganz anderen Bedingungen als auf Merkur oder Mond. Die Kollisionen zwischen Asteroiden finden bei geringeren Geschwindigkeiten statt; es entstehen dabei also weniger Schmelzprodukte und weniger Gestein verdampft. Auch der Sonnenwind ist in der ferneren Region der Asteroiden schwächer als beim Mond und dem Merkur. Die schwache Schwerkraft auf der Oberfläche der Asteroiden beeinflusst die Erosion ebenfalls und insgesamt sollte das zu einer langsameren und weniger stark ausgeprägten Erosion führen.
Aber sie findet statt. Die Raumsonde Hayabusa hat zum Beispiel im Jahr 2010 ein wenig Material vom Asteroiden Itokawa zur Erde gebracht. Dieser kleine Felsbrocken hat einen Durchmesser von nur 550 Metern und eigentlich ging man davon aus, dass sich auf einem so kleinen Himmelskörper mit so schwacher Schwerkraft kein richtiger Regolith ausbilden kann. Trotzdem zeigten die dort genommenen Proben, dass auf auf Itokawa Weltraumerosion stattgefunden haben muss.
Ganz anders haben die Ergebnisse ausgesehen, die man beim Asteroiden Vesta gewonnen hat. Vesta hat einen Durchmesser von über 500 Kilometern und ist der zweitgrößte Asteroid im Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Im Jahr 2011 wurde er von der Raumsonde Dawn besucht und man war sicher, dass auch dort Weltraumerosion stattfinden würde. Auch Vesta ist ein großer felsiger Himmelskörper ohne Atmosphäre und es sprach nichts dagegen, dass dort die gleichen Prozesse ablaufen würden wie auf dem Mond. Und tatsächlich haben die Bilder von Dawn gezeigt, dass auch dort die jüngeren Krater eine andere Farbe haben als die älteren. Genauere Untersuchungen haben dann aber ergeben, dass sich dort keine Spuren der winzigen Eisenpartikel finden, die bei der Erosion des Mondgesteins für die Färbung verantwortlich sind. Offensichtlich läuft die Erosion auf Vesta ganz anders ab. So wie es aussah, wurde das Gestein von Vesta beim Einschlag von Mikrometeoriten nur durcheinander gewirbelt, aber nicht chemisch verändert. Warum das so ist, hat man allerdings noch nicht herausgefunden. Es könnte mit der Kollisionsgeschwindigkeit der Mikrometoriten zu tun haben, falls sie bei Vesta anders ist als auf dem Mond. Es könnte an der unterschiedlichen Stärke des Sonnenwinds liegen. Es könnte an der geringeren Schwerkraft auf Vesta liegen, die eine leichtere Vermischung der Teilchen erlaubt. Oder es könnte an etwas ganz anderem liegen.
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