Auf der Erde verändern Wind, Wetter, Eis und Meere durch Erosion beständig die Landschaft. Aber auch im Weltall gibt es Erosion; selbst auf Himmelskörpern, auf denen kein Wasser fließt, kein Wind weht und die keine Atmosphäre haben, finden Erosionsprozesse statt. Sie werden zwar durch ganz andere Phänomene verursacht, sind aber trotzdem in der Lage, das Erscheinungsbild dieser Himmelskörper so massiv zu verändern wie es die Erosion auf der Erde tut. Die Beobachtung dieser Weltraum-Erosion hat uns viel über die Entstehung und Entwicklung anderer Himmelskörper beigebracht. Aber sie hat uns auch noch einige ungelöste Rätsel aufgegeben…
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Sternengeschichten Folge 130: Weltraum-Erosion
Das Phänomen der Erosion ist auf der Erde ganz normal. Wind und Wetter verändern langsam aber sicher und beständig die Welt. Der Boden wird abgetragen und selbst ganze Gebirge verschwinden im Laufe der Jahrmillionen durch den Einfluss von Wasser, Wind oder Gletschern. Küstenlinien verändern sich durch die Brandung der Meere und Flüsse spülen große Schluchten und Canyons in die Landschaft. Erosion hat das Aussehen der Erde geprägt und tun das heute immer noch. Aber wie sieht das auf anderen Himmelskörpern aus, wo es keinen Wind gibt; kein Wasser und kein Wetter? Findet dort keine Erosion statt und alles bleibt immer so wie es ist? Nein, auch im Weltraum gibt es Erosion, die aber ein wenig anders funktioniert als hier auf der Erde.
Der Mond ist dafür ein gutes Beispiel. Unser Nachbar im All besitzt keine Atmosphäre, kein Wasser fließt über seine Oberfläche und kein Wind weht über seine Krater. Aber trotzdem gibt es Einflüsse, denen er ausgesetzt ist und die zu Erosion führen. Da gibt es zum Beispiel kosmische Strahlung und den Sonnenwind. Die Sonne schickt nicht nur Licht hinaus ins All, sondern auch einen stetigen Strom geladener Teilchen. Auf der Erde wird dieser Sonnenwind durch die Atmosphäre und das Magnetfeld unseres Planeten weitestgehend blockiert. Auf dem Mond kann er aber ungehindert auf dessen Oberfläche treffen. Das erzeugt einen Effekt, den man Sputtern nennt, was so viel wie “zerstäuben” bedeutet. Die hochenergetische Teilchenstrahlung kann aus dem Gestein des Mondes einzelne Atome herauslösen.
Die Strahlung kann auch die chemische Zusammensetzung des Gesteins verändern. Und dann gibt es ja noch die Meteoriten. Auf der Erde können nur die großen Brocken die Atmosphäre durchdringen und bis zum Boden gelangen. Alles was kleiner als circa 50 Meter ist, bricht vorher auseinander. Auf dem Mond dagegen können auch kleinste, staubkorngroße Mikrometeorite ungehindert und mit großer Geschwindigkeit einschlagen. Dabei schmilzt das Gestein in unmittelbarer Umgebung des Einschlagpunkts und es entstehen winzige Glaskügelchen. Dieses Material enthält auch mineralische Partikel, die beim Einschlag aus ihren normalen chemischen Verbindungen herausgelöst werden und dann im Glas eingeschmolzen werden. Meistens ist das Eisen und deswegen erscheint dieses Material auch viel dunkler als das normale Gestein.
Die Mondoberfläche besteht zum überwiegenden Teil aus so durch Weltraumeinflüsse verändertem Material. Es wird Regolith genannt und ist ein typisches Produkt der Erosion die unseren Nachbarn beeinflusst. Diese Prozesse machen sich aber nicht nur vor Ort bemerkbar. Auch bei der Beobachtung aus der Ferne kann man die Auswirkungen der Erosion sehen. Das dunklere Material reduziert die Rückstrahlfähigkeit der Oberfläche und der Mond erscheint dunkler. Das erkennt man besonders gut an Mondkratern. Schlägt ein größeres Objekt auf dem Mond ein, wird viel Material auch aus tieferen Schichten an die Oberfläche geschleudert. Es ist noch nicht von der Erosion beeinflusst und erscheint hell. Je länger ein Krater aber existiert, desto dunkler wird seine Umgebung durch die von Sonnenwind und Mikrometeoriten verursachte Erosion. Aus der Helligkeit des Kratermaterials kann man also auf sein Alter schließen und diese Informationen sind wichtig, wenn man zum Beispiel herausfinden will, wie sich die Zahl der Asteroideneinschläge im Laufe der Zeit entwickelt hat.
Aus solchen Altersstatistiken die an Mondkratern durchgeführt worden sind, hat man auch erfahren, dass es früher viel mehr Kollisionen mit Asteroiden gab als heute und die Phase des sogenannten “Late Heavy Bombardements” entdeckt, von der ich in Folge 68 der Sternengeschichten schon ausführlich erzählt habe. Beim Verständnis und bei der Erforschung der Weltraumerosion waren natürlich die bemannten Missionen zum Mond von großer Bedeutung, denn am Material das die Astronauten damals zur Erde gebracht haben, konnte man die Effekte im Detail untersuchen. Aber auch Meteorite, die vom Mond kommend auf der Erde eingeschlagen sind und von denen ich in Folge 117 erzählt habe, haben wichtige Erkenntnisse gebracht.
In so einem Mondmeteorit wurde zum Beispiel im Jahr 2004 das Mineral Hapkeit entdeckt, eine spezielle Verbindung aus Eisen und Silicium, dessen Existenz im Jahr 1973 vom Planetologen Bruce Hapke vorhergesagt worden ist. Es bildet sich immer dann, wenn nach dem Einschlag eines Meteoriten auf dem Mond Gestein verdampft. Die eisenhaltigen Gase setzten sich dann auf der atmosphärenlosen Oberfläche ab und es entsteht ein Mineral, das auf der Erde so niemals entstehen könnte.
Der Mond ist aber nicht der einzige Himmelskörper auf dem sich diese Weltraumerosion beobachten lässt. Merkur, der sonnennächste Planet, ist dem Mond in vielen Aspekten sehr ähnlich. Auch er ist eine von Kratern übersähte Felskugel ohne Atmosphäre. Aber die Temperaturen sind dort viel höher, wenn der Merkur direkt der nahen Sonne ausgesetzt ist, aber auch viel kälter in den Nächten. Wegen der Nähe zur großen Sonne schlagen Mikrometeorite auch mit viel höherer Geschwindigkeit auf dem Merkur ein als auf dem Mond. Die Auswirkungen der Weltraumerosion sollten dort also wesentlich stärker sein. Wie es dort genau abläuft, lässt sich aber leider nicht sagen. Noch ist keine Raumsonde auf dem Merkur gelandet und hat sein Gestein aus der Nähe untersucht…
Weltraumerosion findet auch auf Asteroiden statt, allerdings wieder unter ganz anderen Bedingungen als auf Merkur oder Mond. Die Kollisionen zwischen Asteroiden finden bei geringeren Geschwindigkeiten statt; es entstehen dabei also weniger Schmelzprodukte und weniger Gestein verdampft. Auch der Sonnenwind ist in der ferneren Region der Asteroiden schwächer als beim Mond und dem Merkur. Die schwache Schwerkraft auf der Oberfläche der Asteroiden beeinflusst die Erosion ebenfalls und insgesamt sollte das zu einer langsameren und weniger stark ausgeprägten Erosion führen.
Aber sie findet statt. Die Raumsonde Hayabusa hat zum Beispiel im Jahr 2010 ein wenig Material vom Asteroiden Itokawa zur Erde gebracht. Dieser kleine Felsbrocken hat einen Durchmesser von nur 550 Metern und eigentlich ging man davon aus, dass sich auf einem so kleinen Himmelskörper mit so schwacher Schwerkraft kein richtiger Regolith ausbilden kann. Trotzdem zeigten die dort genommenen Proben, dass auf auf Itokawa Weltraumerosion stattgefunden haben muss.
Ganz anders haben die Ergebnisse ausgesehen, die man beim Asteroiden Vesta gewonnen hat. Vesta hat einen Durchmesser von über 500 Kilometern und ist der zweitgrößte Asteroid im Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Im Jahr 2011 wurde er von der Raumsonde Dawn besucht und man war sicher, dass auch dort Weltraumerosion stattfinden würde. Auch Vesta ist ein großer felsiger Himmelskörper ohne Atmosphäre und es sprach nichts dagegen, dass dort die gleichen Prozesse ablaufen würden wie auf dem Mond. Und tatsächlich haben die Bilder von Dawn gezeigt, dass auch dort die jüngeren Krater eine andere Farbe haben als die älteren. Genauere Untersuchungen haben dann aber ergeben, dass sich dort keine Spuren der winzigen Eisenpartikel finden, die bei der Erosion des Mondgesteins für die Färbung verantwortlich sind. Offensichtlich läuft die Erosion auf Vesta ganz anders ab. So wie es aussah, wurde das Gestein von Vesta beim Einschlag von Mikrometeoriten nur durcheinander gewirbelt, aber nicht chemisch verändert. Warum das so ist, hat man allerdings noch nicht herausgefunden. Es könnte mit der Kollisionsgeschwindigkeit der Mikrometoriten zu tun haben, falls sie bei Vesta anders ist als auf dem Mond. Es könnte an der unterschiedlichen Stärke des Sonnenwinds liegen. Es könnte an der geringeren Schwerkraft auf Vesta liegen, die eine leichtere Vermischung der Teilchen erlaubt. Oder es könnte an etwas ganz anderem liegen.
Die Weltraumerosion unterscheidet sich massiv von der normalen Erosion die wir von der Erde kennen. Aber sowohl auf unserem Planeten als auch draußen im Universum sorgen die Erosionsprozesse für eine ständige Veränderung. Die Erforschung der Erosion auf der Erde hat uns viel über ihre Vergangenheit verraten und die Untersuchung der Weltraumerosion kann uns Einblicke in die Entstehung und Entwicklung der anderen Himmelskörper bieten. Und wie viel es da noch zu verstehen gibt, hat uns das Beispiel von Vesta ja gezeigt…
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