Ich habe noch einen kleinen Nachtrag zu meinem sehr ausführlichen Bericht über die Dynamik von Planeten in Doppelsternsystemen von letzter Woche. Es handelt sich um eine kurze Forschungsarbeit meiner ehemaligen Kollegen von der Universitätssternwarte Wien. Sie haben sich angesehen, wie viel Wasser auf Planeten in Doppelsternsystemen existieren könnte (“Impact flux of asteroids and water transport to the habitable zone in binary star systems”).

Wir wissen ja heute, dass der Großteil des Wassers auf der Erde nicht von Anfang an vorhanden war. Es wurde erst später im Laufe der Zeit durch unzählige Asteroiden- und Kometeneinschläge nachgeliefert. Hätte es diesen Wassernachschub nicht gegeben, dann wäre die Erde bei weitem nicht der lebensfreundliche Planet, den wir heute vorfinden. Bei der Suche nach ebenso lebensfreundlichen Planeten die andere Sterne umkreisen, muss man diesen Faktor auch berücksichtigen. Es nützt nichts, wenn man einen Planet hat, der so groß und so schwer wie die Erde ist und sich im richtigen Abstand von seinem Stern befindet damit es dort nicht zu heiß oder zu kalt ist, wenn dann das Wasser fehlt. Und wenn die Planetenentstehung anderswo so abläuft wie bei uns (und alles was wir bis jetzt wissen sagt uns, dass das der Fall ist), dann können wir nicht davon ausgehen, dass jeder Planet ausreichend Wasser von Anfang an hat.

Asteroiden bringen das Wasser zu den Planeten (Bild: ESA/ATG medialab)

Asteroiden bringen das Wasser zu den Planeten (Bild: ESA/ATG medialab)

Damit ein extrasolarer Planet lebensfreundlich ist, muss er also vermutlich ausreichend Wasser nachgeliefert bekommen. Es müssen also genug eishaltige Kleinkörper mit ihm zusammenstoßen. Die findet man in einem Planetensystem hinter der Schneelinie, wo es kühl genug ist, damit sich Eis überhaupt bilden und in den Asteroiden ansammeln kann. Diese Region befindet sich aber weiter vom Stern entfernt als die “habitable Zone” in der die Temperaturen für einen erdähnlichen Planeten angenehm sind. Die Asteroiden müssen also von ihrem Platz hinter der Schneelinie irgendwie in die habitable Zone kommen. Dafür braucht es einen weiteren (großen) Planeten, der für die entsprechenden gravitativen Störungen sorgt, die ihren Bahnen entsprechend verändern.

Genau dieses Szenario haben David Bancelin und seine Kollegen in Computersimulationen untersucht. Ihr Modell bestand aus zwei sonnenähnlichen Sternen, einem Planeten, so schwer wie Jupiter, der einen dieser Sterne auch auf die gleiche Art umkreist wie der Jupiter bei uns und einem Asteroidengürtel hinter der Schneelinie. Die Bewegung all dieser Himmelskörper wurde dann numerisch für einen Zeitraum von 10 Millionen Jahren simuliert und man hat nachgesehen, was mit den Asteroiden passiert. Sie sind auf ihren Bahnen Störungen der beiden Sterne und des großen Planeten ausgesetzt und können entweder dort bleiben, wo sie sind oder mit dem Planeten bzw. Sternen kollidieren. Sie können auch ganz aus dem System geworfen werden oder aber auf neuen Bahnen in die habitable Zone gelangen.

Dieses Diagramm zeigt die Ergebnisse:

Die vier Optionen die ich oben aufgezählt habe, heißen hier “alive”, “Collision”, “Ejected” und “HZc” (für “habitable Zone crosser”). Auf der y-Achse sieht man, wie viel Prozent bei jeder Simulation in welchem Zustand gelandet sind; die x-Achse zeigt das Ergebnis für zwei unterschiedlich Werte der Exzentrizität der Umlaufbahn der beiden Sterne. Außerdem sind drei verschiedene Fälle dargestellt für drei verschiedene Abstände der beiden Sterne voneinander. Man sieht, dass die Zahl der Asteroiden die dort bleiben wo sie sind um so größer ist, je weiter die Sterne voneinander entfernt sind. Das ist logisch, denn dann sind auch die Störungen geringer. Ebenso logisch ist, dass die Zahl der überlebenden Asteroiden sinkt, wenn die Exzentrizität der Umlaufbahnen größer ist, denn dann kann sich der zweite Stern dem Asteroidengürtel stärker annähern. Auch die aus dem System geworfenen Asteroiden folgen dem gleichen Muster. Aber man muss die Asteroidenbahnen auch stören, wenn sie in die habitable Zone kommen sollen und darum findet man den größten Prozentsatz an HZ-crossers auch in dem Modell bei dem die Sterne sich sehr nahe sind und auf einer stark exzentrischen Umlaufbahn umkreisen. Dadurch fliegen zwar viele andere Asteroiden aus dem System oder kollidieren – aber viele gelangen eben auch in die habitable Zone. Mehr Störungen sind also in diesem Fall hilfreich.

Das zeigt auch das zweite Diagramm. Hier ist direkt die Menge an Wasser aufgetragen, die im Laufe einer Simulation in die habitable Zone gelangt (unter Berücksichtigung der während der Simulation stattfindenden Sublimation eines Teils des Eises). Die Menge wird in der Einheit “Oceans” angegeben, die im Artikel leider nicht näher definiert wird, aber vermutlich der Menge des Oberflächenwassers auf der Erde entspricht.

Das meiste Wasser kriegt man also wieder, wenn die beiden Sterne einander nahe sind und ihre Umlaufbahn exzentrisch. “Nahe” entspricht hier übrigens einem Abstand von 50 Astronomischen Einheiten. Hätte unser Sonnensystem einen zweiten Stern in dieser Entfernung, würde er sich im Kuipergürtel hinter der Bahn des Neptun finden (und bevor jemand fragt: Ja, das ist weit genug weg, damit in der habitablen Zone, also dort wo sich die Erde befindet, Planeten ungestört ihre Runden ziehen können).

Die Ergebnisse hat man übrigens auch mit dem Fall verglichen, in dem es nur einen Stern und einen “Jupiter” gibt. In diesem Fall ist der Transportmechanismus bei weitem nicht so effektiv sondern bringt nur eine vier bis fünf Mal geringere Menge an Wasser in die habitable Zone. Planeten in Doppelsternensystemen haben also einen Vorteil, wenn es um das Wasser geht. Ganz besonders dann, wenn der Abstand zwischen den Sternen nicht zu groß ist (zu klein darf er aber natürlich auch nicht sein). Und das ist gut zu wissen, denn immerhin befindet sich die Mehrheit der Sterne in Doppel- oder Mehrfachsystemen!

Kommentare (19)

  1. #1 Thomas N.
    4. Juni 2015

    Dann ist die Entdeckung eines blauen Planeten in der habitablen Zone eines Einzelsterns wohl eher seltener zu erwarten. Da haben wir mit der Erde wohl wieder ziemlich Glück gehabt.

  2. #2 bikerdet
    4. Juni 2015

    @ Thomas N. :
    Naja, Du überschätzt die Wassermenge, die die Erde abgekriegt hat. Es ist bei uns halt nur gleichmäßig verteilt.

    Wenn man aber andere Objekte im Sonnensystem ansieht, ist die Erde nicht besonders mit Wasser überhäuft.
    So besitzt der Asteroid Ceres bei einem Durchmesser von nur 1000 Km die fünffache Menge an Wasser und auch der Jupitermond Europa hat mindestens die doppelte Menge an flüssigem Wasser wie die Erde.

    Die meisten Asteroiden sind in unserem Sonnensystem durch die planetare Migration ins Innere Sonnensystem gelenkt worden, Dieser Prozess ist bei sehr vielen anderen Sonnensystemen ebenfalls abgelaufen, es sind s.g. ‘Hot Jupiters’ entstanden.
    Das was in der Simulation die zweite Sonne haben bei uns die äußeren Planeten bewirkt.

  3. #3 Crazee
    4. Juni 2015

    Das ist wieder einmal sehr interessant und ich ärgere mich, dass ich heute Abend nicht an der Veranstaltung teilnehmen kann.

  4. #4 Wage
    4. Juni 2015

    Hmm… hast du auch etwas über das Vorkommen von Wasser im Sonnensystem? Speziell erdnahe Asteroiden?

  5. #5 dgbrt
    4. Juni 2015

    Für mich sind solche Modellrechnungen immer etwas fragwürdig. Die Anfangsbedingungen sind entscheidend aber keinesfalls nachgewiesen. Das “Paradoxon der schwachen jungen Sonne”, die massive Staubscheibe in einem jungen Sternsystem, und vieles mehr sollten berücksichtigt werden.

    Nur zum Nachdenken: Warum sind die vier Galileischen Monde so unterschiedlich zusammengesetzt? Gab es da irgendwann Asteroiden mit sehr viel Schwefel für Io?

    Über entfernte Sonnensysteme können wir nur spekulieren, aber zu den Planetensystemen Jupiter und Saturn haben wir heute viele Daten, die nur noch zu verstehen sind. Über Uranus und Neptun wissen wir heute dagegen nur sehr wenig, aber komplex sind diese Systeme auch.

    Und die Missionen zu Pluto und Ceres (Rosetta darf man dabei natürlich auch nicht unterschlagen) werden uns hoffentlich genauere Erkenntnisse über unser Sonnensystem liefern, um dann in etwas präzisere Modellrechnungen einzufließen.

  6. #6 Alderamin
    4. Juni 2015

    @Thomas N.

    Nein, kein Glück gehabt. Hãtte die Erde mehr als zwei Ozeane abbekommen, gäbe es kein festes Land und es wäre wahrscheinlich kein intelligentes Leben, sicher aber keine Technologie (Feuer, Metallverarbeitung) entstanden. Mit wesentlich weniger Landfläche wäre auch die Entwicklung der Atmosphäre anders verlaufen, die Verwitterung spielt eine große Rolle beim Binden des CO2.
    Und bei hinreichend viel Wasser entsteht in der Tiefe Eis und der Kontakte zwischen Gestein und flüssigem Wasser ginge verloren, was möglicherweise die Entstehung von Leben unmöglich gemacht hätte.

    Mit wesentlich mehr Wasser hätte es uns nie gegeben und wir könnten uns hier nicht darüber wundern, warum wir in einem Einzelsternsystem auf einem Planeten mit wenig Wasser leben.

  7. #7 Franz
    5. Juni 2015

    Hat nicht Rosetta nachgewiesen, dass das Wasser auf den Kometen nicht mit dem auf der Erde ‘zusammenpasst’ ? Wirft das nicht diese Berechnungen über den Haufen ?

  8. #8 Benny
    5. Juni 2015

    Die Verwendung von ‘lebensfreundlich’ scheint mir sehr anthropozentrisch zu sein. Wenn man sieht, unter welchen Bedingungen Leben schon auf der Erde existiert (Extremophile Organismen), so sollte man auch höhere Lebensformen auf Jupiter ähnlichen Planeten oder bei eisiger Kälte nicht einfach ausschliessen.

  9. #9 Florian Freistetter
    5. Juni 2015

    @FRanz: Ne, bei dem Rosetta-Ding ging um es die Frage WO GENAU das Wasser her kommt:Asteroiden? Kometen? Welche Gruppe von Asteroiden? Welche Gruppe von Kometen? Etc. Und man hat festgestellt, dass die Daten von 67P nicht zu dem passen, was man bisher dachte; also auf eine andere Kometengruppe hinweisen als die bisher favorisierte. Aber dass das Wasser aus dem Weltall kommt ist immer noch Status Quo.

  10. #10 Bullet
    5. Juni 2015

    @Benny:

    Die Verwendung von ‘lebensfreundlich’ scheint mir sehr anthropozentrisch zu sein.

    Korrekt. Hast du eine bessere Idee? Insbesondere in Hinblick darauf, daß du dann Leben postulieren mußt, das du nicht einmal als solches erkennen könntest, machst du es dir dabei nicht nur schwer, sondern auch unnötig schwer.
    Oder glaubst du, du wüßtest exakt, was “Leben” ist?

  11. #11 Alderamin
    5. Juni 2015

    @Benny

    Die Extremophilen zeigen, wie anpassungsfähig Leben sein kann, wenn es einmal existiert. Sie sagen aber nichts darüber aus, wie eng die Grenzen gezogen sein müssen, damit Leben überhaupt erst entstehen kann. Das ist höchstwahrscheinlich eine äußerst komplexe chemische Reaktion verbunden mit bestimmten physikalischen Prozessen gewesen.

    Der hier öfters aktive Kommentator Hoffmann hatte dazu mal eine sehr schöne Webseite angelegt, die da ziemlich desillusionierend wirkte. Ich finde sie leider nicht mehr, ich glaube, sie war umgezogen, vielleicht postet er nochmal den Link.

  12. #12 Spritkopf
    5. Juni 2015

    @Alderamin

    Der hier öfters aktive Kommentator Hoffmann hatte dazu mal eine sehr schöne Webseite angelegt, die da ziemlich desillusionierend wirkte.

    Diese hier?

  13. #13 Wage
    5. Juni 2015

    CH3COOH → CH4 + CO2?

  14. #14 Alderamin
    5. Juni 2015

    @Spritkopf

    Genau! Danke.

    Insbesondere dieser Artikel und da die Unterpunkte “Wie entsteht Leben” und “Wo entsteht Leben”. Alles nicht so einfach.

  15. #15 Hoffmann
    6. Juni 2015

    @ Benny:

    Auf Jupiter-ähnlichen Planeten kann kein Leben entstehen, weil dort die für eine Polymerbildung nötigen Grenzflächen fehlen. Flüssigkeitstropfen oder Schneekristalle in den Atmosphären sind zu kurzlebig, um dort mehr als einfache Aminosäuren entstehen zu lassen. Wenn diese in die tieferen Atmosphärenschichten gelangen, zersetzen sie sich wieder in die Ausgangsstoffe (meist Wasser, Methan und Ammoniak).

    Der Nachteil eisiger Kälte ist, dass hier chemische Reaktionen so langsam ablaufen, dass erst recht nicht mit größeren Kettenmolekülen gerechnet werden kann. Dieselben würden bei Strahlungseintrag schneller wieder abgebaut werden als sie nachwachsen könnten.

    Problematisch ist weiterhin, dass bei eisiger Kälte die geeignete Flüssigkeit fehlt, um eventuell entstandene größere Moleküle in Bereiche zu transportieren, wo sie sich anreichern könnten.

    Das Beispiel Saturnmond Titan zeigt, dass in einer hinreichend dichten Atmosphäre, die zum überwiegenden teil aus Stickstoff und Methan besteht, zwar komplexe Moleküle entstehen können, diese aber nach dem Abregnen

    a) keine Chance haben, weiter miteinander zu reagieren, wenn die Tiefe unterschritten wird, in die die solare UV-Strahlung noch hinreicht, und

    b) keine Chance haben, sich zu längeren Molekülen zu verketten, weil das dann anfallende Reaktionswasser sofort gefriert.

    Eventuell vorhandene Reaktionsräume würden folglich nach und nach mit Eispartikeln “versanden”, so dass über kurz oder lang die Reaktionen zum Erliegen kommen.

    Hinzu kommt bei all dem, dass flüssige Kohlenwasserstoffe wie Methan oder Ethan aufgrund der Tatsache, dass es sich um unpolare Lösungsmittel handelt, die zum Aufbau von Peptiden nötigen polaren Aminosäuren gar nicht lösen kann.

    Lebensentstehung auf Gasplaneten oder auf sehr kalten Himmelskörpern kann man daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen.

    P.S.: Meine Webseite hatte ich vor einiger Zeit überarbeitet und unter einem anderen Titel neu angelegt. Inzwischen ist man ja fündig geworden … 🙂

  16. #16 maunz
    ?
    6. Juni 2015

    Kann auf Jupiter-ähnlichen Planeten Jupiter-ähnliches Leben entstehen ?

  17. #17 Hoffmann
    6. Juni 2015

    @ maunz:

    Nein.

  18. #18 Till
    16. Juni 2015

    @Hoffmann: Sie haben da einige sehr interessante Ansätze. Vor allem gefällt mir Ihre darlegung, warum nur wenige Elemente als Grundlage für Leben in Frage kommen (Häufigkeit und die Fähigkeit komplexe Makromoleküle zu bilden) Mir scheinen aber einige Ihrer Argumente etwas überzeichnet formuliert. (Zur Information: Ich habe eben auch Ihre Webseite mit Interesse gelesen.)

    Sie argumentieren:

    Der Nachteil eisiger Kälte ist, dass hier chemische Reaktionen so langsam ablaufen, dass erst recht nicht mit größeren Kettenmolekülen gerechnet werden kann. Dieselben würden bei Strahlungseintrag schneller wieder abgebaut werden als sie nachwachsen könnten.

    Und einige Sätze später:

    a) keine Chance haben, weiter miteinander zu reagieren, wenn die Tiefe unterschritten wird, in die die solare UV-Strahlung noch hinreicht,

    Das empfinde ich als Widerspruch, denn entweder blockiert die dichte Atmosphäre nun die Strahlung, die dann zwar keine UV Photoreaktionen erlaubt, aber auch keine Makromoleküle abbaut und Makromoleküle können auch ohne UV Photoreaktionen entstehen (Z.B. in porösen Oberflächen). Wichtiger ist da das Argument, dass Reaktionen viel langsamer ablaufen. Daher sollten wir nicht erwarten, dass unsere Raumsonde auf Titan von Eingeborenen begrüßt wird.

    Die langsamen Reaktionen bedeuten aber, dass wir auf Titan evtl. die Chance hätten die Evolution ganz an ihrem Anfang als sie noch auf Molekülebene ablief zu untersuchen.

    Des weiteren Argumentieren Sie:

    b) keine Chance haben, sich zu längeren Molekülen zu verketten, weil das dann anfallende Reaktionswasser sofort gefriert.

    Eventuell vorhandene Reaktionsräume würden folglich nach und nach mit Eispartikeln “versanden”, so dass über kurz oder lang die Reaktionen zum Erliegen kommen.

    Das gilt sicherlich für Makromoleküle wie sie bei uns auf der Erde in Wasser als Lösungsmittel entstanden sind. Es gibt aber jede Menge (Kohlenstoffbasierte) Makromolekülchemie, die in organischen Lösungsmitteln sogar besser funktioniert als in Wasser.

    p.S. Oft wird argumentiert, dass es nicht Sinnvoll ist nach Leben zu suchen, dass eine andere Biochemie hat als das Leben hier auf der Erde, da das zu schwer zu identifizieren ist. Das ist bei extrasolaren Planeten absolut sinnvoll, weil wir da viele Planeten zur Auswahl haben und in absehbarer Zeit nicht genauer nachschauen können. Wenn man nach Leben sucht, dass wie auf Titan postuliert in einem anderen Lösungsmittelsystem (Methan/Ethan statt Wasser) entstanden ist, dann muss man zwangsläufig auch nach einer anderen Biochemie Ausschau halten. Das Argument “Leben das genau so ist wie es bei uns in Wasser existiert kann auf einem Planeten/Mond auf dem es kein Wasser sondern Methan/Ethan regnet nicht funktionieren, weil die Wasserbasierte Chemie in Ethan nicht funktioniert ist ein klassischer Zirkelschluss”. Wenn wir also nur nach Erdähnlichem Leben ausschau halten, dann ist an dieser Stelle Schluss und wir brauchen auf Titan auch nicht weiter zu suchen. Aber wie Sie auf Ihrer Webseite richtig formulieren, wenn wir (mit einer entsprechend ausgestatteten Raumsonde) genau genug nachschauen können, dann können wir Leben mit ziemlicher Sicherheit an seiner Fähigkeit zur Entropietrennung erkennen.

  19. #19 Hoffmann
    16. Juni 2015

    @ Till:

    Das empfinde ich als Widerspruch, denn entweder blockiert die dichte Atmosphäre nun die Strahlung, die dann zwar keine UV Photoreaktionen erlaubt, aber auch keine Makromoleküle abbaut und Makromoleküle können auch ohne UV Photoreaktionen entstehen (Z.B. in porösen Oberflächen).

    Das war von mir missverständlich formuliert. Aus der Titanatmosphäre ist bekannt, dass sich hier über UV-Strahlung Radikale bilden, die dann miteinander zu komplexeren Molekülen reagieren, welche schließlich in Gestalt von Tholin-Partikeln herabsinken.

    Diese Partikel verbleiben dann auf der Oberfläche und bilden u.a. Dünen oder gelangen in die Methanseen, wo die hydrophoben (unpolaren) Anteile gelöst werden und die hydrophilen (polaren) Anteile möglicherweise analog zu hiesigen Teerklümpchen in ungelöster Form im flüssigen Methan verbleiben, wobei je nach Dichte entweder eine schwimmende Schicht entsteht oder eine Art Bodensediment.

    Entscheidend ist hierbei jedoch – neben der tiefen Temperatur – dass die polaren Anteile der Tholin-Partikel die chemisch abwechslungsreicheren sind. Unpolare Moleküle sind mit Methyl-Gruppen abgesättigt und erlauben z.B. nicht die Vielfalt an katalytischer Aktivität wie sie für Proteine charakteristisch sind.

    Also ist in unpolaren Lösungsmitteln wie Methan oder Ethan nicht mit hinreichend abwechslungsreichen Makromolekülen zu rechnen, die eine komplexe Biochemie am Laufen halten könnten, wie sie für Lebewesen nun mal notwendig ist. Die tiefen Temperaturen bewirken zusätzlich, dass aus eventuell vorhandenen Monomeren keine längeren Polymere werden können, die sich zu einem Reaktionsnetzwerk organisieren könnten.

    Es gibt aber jede Menge (Kohlenstoffbasierte) Makromolekülchemie, die in organischen Lösungsmitteln sogar besser funktioniert als in Wasser.

    Das ist richtig, aber diese Art von Chemie läuft dann auch in Temperaturbereichen ab, die in etwa denen entsprechen, bei denen auch Wasser flüssig ist.

    Problematisch in Bezug auf andere Himmelskörper ist dann, wie sich z.B. Paraffin-Öl in Reinform anreichern kann, wenn zugleich – wie in Planetensystemen generell üblich – Wasser vorhanden ist sowie Sternstrahlung, die aus Wasser und Kohlenwasserstoffen über kurz oder lang nicht Paraffin-Öl sondern CO2 und Wasserdampf entstehen lässt.

    Auch andere potenziell mögliche organische Lösungsmittel wie Methanol, Äther oder Azeton unterliegen hier den einschränkenden planetologischen Rahmenbedingungen, die es nicht zulassen, dass solche Stoffe Seen, Meere oder gar Ozeane bilden.

    Wenn man nach Leben sucht, dass wie auf Titan postuliert in einem anderen Lösungsmittelsystem (Methan/Ethan statt Wasser) entstanden ist, dann muss man zwangsläufig auch nach einer anderen Biochemie Ausschau halten.

    Die Frage ist dann, wie eine solche andere Biochemie beschaffen sein könnte, um bei -180°C in einem unpolaren Lösungsmittel Organismen hervorzubringen, die ebenfalls in der Lage sind, ihren Zustand niedriger Entropie selbsttätig zu erhalten und zu vermehren. Bislang habe ich noch keine plausiblen Modelle in Erfahrung bringen können.

    Wenn wir also nur nach Erdähnlichem Leben ausschau halten, dann ist an dieser Stelle Schluss und wir brauchen auf Titan auch nicht weiter zu suchen.

    Leben auf Titan wäre definitiv nicht erdähnlich. Es wurde zwar die Idee einer “methanhabitablen Zone” vor einiger Zeit mal in den Ring geworfen, aber mehr als eine Meinungsäußerung der Art “Könnte ja sein, dass …” ist nach meinem Kenntnisstand nicht daraus geworden. Mir erscheint diese Idee sehr unplausibel, aber ich lasse mich gern positiv überraschen, wenn jemand aufzeigen kann, dass das wirklich funktionieren könnte.