Ihr wollt den Weltuntergang überleben? Dann kommt nach Jena! Die vielen Vorzüge meiner derzeitigen Heimatstadt in Thüringen habe ich ja vor ein paar Monaten schon ausführlich beschrieben. Und nun kommt (angeblich) ein weiterer dazu: Ein großer Bunker, in dem sich alles von Atomkrieg bis Asteroideneinschlag in luxuriöser Umgebung überleben lässt!
Thüringen taucht in den internationalen Medien ja nicht sonderlich oft auf. In den letzten Tagen gab es aber einige interessante Meldungen. Die Daily Mail aus Großbritannien schrieb vor ein paar Tagen: “California entrepreneur builds $1billion bunker for millionaires in German village in event of an apocalypse”. Und bei Forbes.com konnte man lesen: “Billionaire Bunkers: Exclusive Look Inside the World’s Largest Planned Doomsday Escape”. Laut diesen (und vielen ähnlichen) Meldungen tut sich in der Nähe von Jena offensichtlich erstaunliches:
“The expansive shelter is located in Germany and is one of the most fortified and massive underground survival shelters on Earth. (…) Vivos will retrofit, equip, furnish, stock, supply and convert this complex into a state-of-the-art, contemporary complex. Private improvements will include all of the typical amenities enjoyed by the floating counterparts, including pools, theaters, gyms, a kitchen, bar, bedrooms and deluxe bathrooms. The possibilities are limited only by each member’s personal desire.” (Forbes)
Und:
“It boasts a luxurious array of swimming pools, theaters, gyms, restaurants, custom apartments and its own helicopter service. But at the same time, it can apparently withstand a nuclear blast, chemical agents, earthquakes, tsunamis – and virtually any other disaster or attack. These photos show an opulent, invitation-only underground survival bunker, which is being dubbed the world’s ‘ultimate doomsday escape’. The five-star Vivos Europa One shelter, in the German village of Rothenstein, was unveiled by Vivos founder and CEO, Robert Vicinio, on Friday. It portrays a planned survival complex that is comparable to a billionaire’s mansion or mega-yacht – but much bigger, and with ‘life-saving’ capabilities. Although the cost per apartment remains unclear, the property is valued at around $1.1billion – meaning it will likely be available only to the super-rich.” (Daily Mail)
Nur wenige Kilometer südlich von Jena liegt der kleine Ort Rothenstein mit knapp über 1000 Einwohnern und genau dort will der Amerikaner Robert Vicinio mit seiner Firma Vivos anscheinend eine Bunkeranlage der Luxusklasse bauen. Die Fotos die den Medien präsentiert wurden, zeigen Unterkünfte die man so auch in einem Luxushotel finden könnte. Riesige Wohnungen, noch größere Swimmingpools, Kinos, Restaurants, Fitnesscenter und alles was man sonst noch so braucht. In dieser unterirdischen Siedlung sollen die Reichen (denn billig ist das alles mit Sicherheit nicht) jede noch so große Katastrophe überleben können. Egal ob es sich um einen Atomkrieg, eine weltweite Seuche oder einen Asteroideneinschlag handelt: Wer sich in den Luxusbunker eingekauft hat, wird von Vivos direkt per Helikopter nach Rothenstein eingeflogen und in Sicherheit gebracht. Und weil man anscheinend auch ein kleines bisschen soziale Verantwortung hat, wird dort auch eine DNA-Datenbank, ein kleiner Zoo mit Tieren und ein Lager für wichtige kulturelle Artefakte eingerichtet. Damit die Menschheit nach überstandender Katastrophe wieder neu anfangen kann…
Das Problem an der Sache: In Rothenstein hat man von den großen Plänen des amerikanischen Bunkerbauers noch nichts gehört. In den Thüringer Lokalmedien war das Interesse an der Geschichte natürlich groß und in der Ostthüringer Zeitung erschien heute dazu ein ausführlicher Artikel (WebCite). Den entsprechenden Bunker, der zu der Luxus-Überlebensarche umgebaut werden soll, existiert tatsächlich und das ist auch kein großes Geheimnis. Die unterirdischen Fertigungsanlagen wurden in Rothenstein während des zweiten Weltkriegs angelegt. Wegen der günstigen Lage direkt neben der Autobahn und dem Schienennetz der Bahn wurde es danach als Militärdepot benutzt; das größte in ganz Zentraleuropa: 40 Lagerstollen bis zu 100 Meter tief unter der Erde mit einer gesamten Fläche von über 21.000 Quadratmetern auf einem 283.000 Quadratmeter großen, komplett eingezäunten und gesichtertem Grundstück. Es gibt dort einen eigenen unterirdischen Brunnen; die ganze Anlage kann luftdicht verschlossen werden und ein Heizkraftwerk ist auch vorhanden.
Seit 2009 gehört die Anlage der Firma Terraspace und die hat vor, dort ein Rechenzentrum oder ein Depot für Wertsachen einzurichten. Und es gibt tatsächlich auch ein Angebot von Robert Vicino, mit dem Terraspace offenbar derzeit verhandelt. Aber: Vermutlich ist dem Amerikaner nicht ganz bewusst, wie das mit der deutschen Bürokratie abläuft. Die zuständigen Gemeinden Rothenstein und Schöps haben zwar Bebauungspläne an Terraspace für die Nutzung als Rechenzentrum/Wertdepot erteilt. Von einem Antrag für die Nutzung als Luxuswohnanlage liegt aber derzeit kein Antrag vor und wenn Vicino einen stellen sollte, müsste erst ein komplett neuer Bebauungsplan erstellt und genehmigt werden. Und das die erteilt werden, erscheint unwahrscheinlich. Jörg Heitmann, Chef von Terraspace sagte dazu gestern (OTZ, 17.6.2015):
“Ich stelle mir da gerade vor, wie Robert Vicino im Eisenberger Landratsamt bei der Baubehörde vorspricht und die Auflage bekommt, dass das Objekt im Katastrophenfall aus brandschutztechnischen Gründen nicht betreten werden darf.”
Und das erscheint nicht unwahrscheinlich – die deutsche Bürokratie kennt da kein Erbarmen. Selbst die archäologische Konstruktion des 7000 Jahre alten Sonnenobservatoriums von Goseck musste sich anpassen und die steinzeitliche Architektur um Durchfahrtsmöglichkeiten für Feuerwehr und Einsatzfahrzeuge erweitern…
Es wird also wohl doch nichts mit dem Weltuntergangsbunker vor den Toren von Jena. Einen Besuch in Rothenstein kann ich aber trotzdem nur empfehlen. Es gibt da einen netten kleinen Wanderweg der an ein paar schönen (natürlichen) Höhlen vorbeiführt; an den Steilhängen kann man wunderbar verschiedene geologische Schichten studieren oder die Eidechsen, die im Sommer durchs Gebüsch flitzen und vom Trompeterfelsen hat man einen tollen Blick über das Saaletal. Und falls die Welt doch einmal untergehen sollte, könnte ihr ja trotzdem nach Jena kommen! Wir besorgen uns dann ein paar Flaschen Jenaer Bier und ein paar gute Thüringer Rostbratwürste, steigen auf den Jenzig und schauen uns die Apokalypse von dort oben an!
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