“Without sunlight there is: no wheat, no bread, no grass, no cattle, no meat, no milk, and everything would be frozen. No LIFE.”
Entsprechende Kausalketten zu dieser komplexen Ökologie findet man immer wieder, in der Vergangenheit genau so wie in der Gegenwart. Erst letztes Jahr habe ich das hervorragende Buch “Eine kurze Geschichte der Hummel” von Dave Goulson rezensiert und darin geschrieben:
“Ganz besonders hat Goulson sich aber in letzter Zeit mit Arterhaltung und Biodiversität beschäftigt. Denn viele Hummelarten sterben aus beziehungsweise sind schon ausgestorben. Sie reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen im gesamten Ökosystem und es ist oft absurd, wie vertrackt die Zusammenhänge sind. Wie viele Hummeln es gibt, hängt zum Beispiel unter anderem von der Zahl der Mäuse ab, die die Nester der Hummeln zerstören können. Die Zahl der Mäuse hängt aber von der Zahl der Katzen ab und davon gibt es in der Nähe menschlicher Ansiedlungen viel mehr weswegen dort auch mehr Hummeln zu finden sind. Andererseits nutzen die Nagetiere den Hummeln aber auch, weil sie in deren verlassenen Nestern ihre eigenen Nester bauen können. Wie die optimale Zahl von Nagetieren für die Hummeln aussieht, ist aber noch nicht bekannt.”
Vermutlich hat also in den 1960er Jahren irgendwer eine der vielen Aussagen über die komplizierten Zusammenhänge in der Natur mit Einstein in Verbindung gebracht. Ob das absichtlich geschehen ist oder ein Versehen, lässt sich heute nicht mehr herausfinden, genau so wenig wie den eigentlichen Urheber. Da die erste Quelle für das Bienenzitat von Einstein die Publikation des französischen Imkerverbandes ist (wo es auch heute noch verbreitet wird – in Frankreich findet man es sogar auf der Homepage des Landwirtschaftsministeriums, WebCite) scheint es naheliegend, das es damals verwendet/erfunden wurde, um der eigenen Sorge über die Bienen mehr Gewicht zu verleihen. Und das angebliche Zitat ist dramatisch und eindringlich genug, um sich im Laufe der Jahrzehnte immer weiter zu verbreiten.
Aber egal ob Einstein das nun tatsächlich gesagt hat oder nicht: Ist das Bienensterben nicht wirklich eine Gefahr für die Menschen? Wenn die Bienen verschwinden und die Pflanzen nicht mehr bestäubt werden, dann ist unsere Nahrungskette und damit unsere Existenz doch ohne Zweifel gefährlich. Oder? Nicht ganz… Selbstverständlich ist es auf keinen Fall gut, wenn die Bienen aussterben würden! Colony Collapse Disorder ist ein massives ökologisches und auch wirtschaftliches Problem und wir sollten alles daran setzen, eine Lösung dafür zu finden. Aber in einer Welt ohne Bienen würden wir deswegen noch lange nicht aussterben. Bienen sind nicht die einzigen Lebewesen, die für die Bestäubung der Pflanzen zuständig sind!
Sehr viele Pflanzen kommen auch ganz ohne Tiere aus und werden zum Beispiel vom Wind bestäubt. Dazu gehören die für uns Menschen wichtigen Nutzpflanzen wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Mais und Reis. Seltener, aber trotzdem vorhanden ist die Bestäubung durch Wasser bei Wasserpflanzen. Andere Pflanzen werden durch Vögel bestäubt oder durch Käfer (dazu gehören die wirtschaftlich relevanten Dattel- und Ölpalmen). Es gibt Pflanzen, die sich mit Hilfe von Fliegen fortpflanzen, sehr viele Pflanzen vertrauen auf Schmetterlinge und Fledermäuse treten als Bestäuber auf. Bienen sind wichtige Bestäuber aber sie müssen diesen Job bei weitem nicht alleine erledigen. Und würden sie verschwinden, würde deswegen nicht sofort unsere komplette Welt untergehen!
Der Schutz der Bienen und der Einsatz gegen das Bienensterben sind enorm wichtige Themen. Sie sind eigentlich wichtig genug, das man nicht noch extra falsche Einstein-Zitate ins Feld führen müsste, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erringen. Aber ich vermute, dass man bei Pro7 sowieso nicht so kompliziert gedacht hat, sondern schlicht und einfach überhaupt nicht gedacht und das überall im Internet herumfliegende Zitat gedanken- und kritiklos übernommen hat…
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