Werde ich langsam alt oder vergeht die Zeit wirklich so schnell? Ich habe doch gerade erst die Buchempfehlungen für Juni geschrieben und jetzt ist schon wieder ein Monat vorbei? Tja, es hilft wohl nix. Auch wenn der Monat so schnell vorüber war, hatte ich doch ein bisschen Zeit, um ein paar Bücher zu lesen. Diesmal hauptsächlich über alternative Geschichte.
Die Nordland-Trilogie
In Romanen in denen es um alternative Geschichte geht, sind die Veränderungen zur Realität meistens sehr dramatisch. Wie würde die Welt aussehen, wenn Adolf Hitler nie gelebt hätte? Oder wenn Adolf Hitler den zweiten Weltkrieg gewonnen hätte? Adolf Hitler ist meistens immer irgendwo involviert… Und wenn nicht, dann sind es andere “große” Ereignisse in der Weltgeschichte, die in der alternativen Geschichtswelt anders verlaufen sind. Was wäre wenn JFK nicht ermordet worden wäre? Wenn die Sowjets die ersten am Mond gewesen wären? Wenn die USA nie unabhängig geworden wären? Und so weiter.
In der Nordland-Trilogie von Stephen Baxter fängt alles viel harmloser an. Das, was die Welt des Buches von der Realität unterscheidet passiert mehr als 10.000 Jahre in der Vergangenheit. In der echten Welt ist da Doggerland in der Nordsee versunken. Das war die Landbrücke, die die britischen Inseln mit dem Kontinent verband und die für mehrere tausend Jahre während und nach der letzten Eiszeit über dem Meeresspiegel lag und von Menschen bewohnt war. Bei Baxter heißt die Gegend Etxelur und die Bewohner wehren sich gegen den steigenden Meeresspiegel. Sie bauen einen großen Damm – und Doggerland überlebt.
Bis es dazu kommt muss aber erst jede Menge passieren und was da passiert wird im ersten Band der Trilogie erzählt: Stone Spring” (auf deutsch: “Steinfrühling”). Es ist vermutlich keine wissenschaftlich exakte Darstellung des Lebens in der Altsteinzeit. Aber es ist interessant zu lesen, wie Baxter die verschiedenen Kulturen darstellt, die im damaligen England bzw. Frankreich leben. Und es ist faszinierend zu erleben, wie vernetzt seine Welt ist (was vermutlich auch gar nicht so weit von der Realität entfernt war; auch in der echten Welt gab es schon früh sehr weitreichende Handelsbeziehungen). In Etxelur treffen sich nicht nur die Einwohner der Ländern, die später zu England und Frankreich werden sollten. Es gibt auch Besuch aus Jericho, einer der ältesten Städte (und in der Zeit in der Baxters Buch spielt die einzige große Stadt) der Welt. Und selbst der Atlantik stellt für die Bewohner von Etxelur kein unüberwindbares Hindernis dar…
Im zweiten Band der Trilogie treffen wir dann schon auf eine Welt die sich massiv von der unsrigen unterscheidet. In “Bronze Summer” (auf deutsch: “Bronzesommer”, erscheint im September 2015) befinden wir uns im Jahr 1151 v.u.Z. Aus Etxelur wurde “Nordland” und aus dem Damm, der vor Jahrtausenden zum Schutz vor dem steigenden Meeresspiegel gebaut wurde, ist “Die Mauer” geworden; ein Bauwerk mit gigantischen Ausmaßen und mehr Stadt als simpler Deich. Nordland ist eine der beherrschenden Mächte in Europa; bzw. der Welt. Es gibt Handelsbeziehungen mit den Völkern von Nord- und Mittelamerika und mit dem Hetither-Reich im Osten. Von dort droht aber auch Gefahr, denn in den Ruinen des zerstörten Troja sammelt ein rachsüchtiger Soldat ein Heer, mit dem er nach Nordland marschieren möchte…
Der dritte Teil der Serie, “Iron Winter” (auf deutsch “Eisenwinter”, erscheint im März 2016), spielt im 16. Jahrhundert. Ich will gar nicht viel dazu verraten. Wenn euch die ersten beiden Teile gefallen haben, dann werdet ihr den dritten sowieso lesen und wenn nicht, dann hat es auch keinen Sinn davon zu erzählen. Diesmal lernen wir aber nicht nur Nordland und das Hetither-Reich besser kennen, sondern auch Cathay (China) und Karthago. Und die Menschen kämpfen nicht nur gegeneinander sondern diesmal gegen den Planeten selbst… (und nein, dabei geht es nicht um irgendwelche irre Sci-Fi-Wesen, sondern nur um simple Himmelsmechanik).
Ich hätte mir ja gerne noch einen vierten Teil gewünscht der in der Gegenwart bzw. der Zukunft spielt und zeigt, wie das alles endet. Aber auch so kann ich die Trilogie nur empfehlen. Es ist erstaunlich, was Baxter aus einer so unscheinbaren Prämisse wie “Vor 12.000 Jahren bauen ein paar Steinzeitmenschen einen Deich an der Nordseeküste” entwickeln kann. Aus dieser simplen Handlung entsteht am Ende eine völlig veränderte (aber auch irgendwie vertraute) Welt. Die Nordlandtrilogie ist ein ideales Urlaubsbuch! Leicht, originell und trotzdem spannend!
Der Kampf der Adler
Das Buch “Clash of Eagles” von Alan Smale hat gewisse Ähnlichkeiten mit Baxters Trilogie. Es spielt im 13. Jahrhundert und auch hier ist die Welt eine ganz andere als in der Realität. Das merkt man schon auf der ersten Seite: Die 33. Legion des römischen Imperiums marschiert unter der Führung des Feldherrn Marcellinus durch Nordamerika bzw. “Nova Hesperia” wie es im Buch heißt. Man ist auf der Suche nach den sagenhaften Städte voller Gold von denen die skandinavischen Seefahrer erzählt haben (Skandinavien ist in der Welt des Buches natürlich ebenfalls Teil des Imperiums; genau so wie Indien, der Himalaya, Äthiopien und alles, was dazwischen liegt) die schon vor einiger Zeit auf den neuen Kontinent gestoßen sind.
Die Römer haben bei ihrem Marsch durch Hesperia allerdings keinen Spaziergang vor sich. Dort wohnen Leute, und die sind den Soldaten von der anderen Seite des Ozeans nicht unbedingt freundlich gesinnt. Und es wäre keine alternative Geschichte, wenn nicht auch die amerikanischen Ureinwohner ein paar besondere Extras auf Lager hätten, die sie von ihren realen Vorbildern unterscheiden: Zum Beispiel eine Technik, um per Hängegleiter durch die Luft zu fliegen. Und mit dem Kampf gegen eine indianische Luftwaffe haben die Römer so überhaupt nicht gerechnet…
Auch hier will ich nicht zu viel verraten und auch hier kann ich das Buch nur empfehlen. Es ist perfekte Urlaubslektüre; es ist genau so eine Art von Buch, das schon auf den ersten Seiten großartig ist und während des Lesens immer großartiger wird. Man wird immer weiter in die seltsame Welt der alternativen Mississippi-Kultur hineingezogen und beobachtet ängstlich, wie die noch verbleibenden Seiten schwinden, weil man nicht möchte, das es aufhört. Das Buch ließe sich auch hervorragend verfilmen (und ich hoffe, irgendwer arbeitet schon daran!)
Der Autor ist übrigens auch Astronom bei der NASA (was aber keinen negativen/positiven Einfluss auf das Buch hat). “Clash of Eagles” ist übrigens auch Teil einer Trilogie; die restlichen beiden Bücher sind aber noch nicht erschienen (was angesichts des Endes des ersten Teils besonders fies ist).
Die Geschichte einer Konferenz
Zur Abwechslung gibt es auch noch ein Buch über echte Geschichte. Und zwar die Geschichte der Nobelpreisträger-Konferenz in Lindau auf der ich ja Anfang Juli teilnehmen durfte. Sie fand in diesem Jahr zum 65. Mal statt und zu diesem Jubiläum wurde ein dickes Buch veröffentlicht, das die Vergangenheit des Nobelpreisträgertreffens aufarbeitet und präsentiert. Es ist eine überarbeitete Version des Buches von Ralph Burmester, das zum 50. Jubiläum der Konferenz erschienen ist: “Wissenschaft aus erster Hand. 50 Jahre Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau/Bodensee”. Ich habe noch nicht herausgefunden, ob die aktualisierte Version die unter dem Titel “Wissenschaft aus erster Hand. 65 Jahre Lindauer Nobelpreisträgertagungen” (ISBN 978-3-940396-50-1) vom Deutschen Museum (Bonn) herausgegeben wurde, auch irgendwo im Handel erhältlich ist oder erhältlich sein wird. Bei der Konferenz haben jedenfalls alle Teilnehmer so ein Buch geschenkt bekommen und wenn ihr ein wenig an Wissenschaftsgeschichte interessiert seid, solltet ihr probieren, ein Exemplar davon in die Hände zu bekommen.
Das Buch ist zweisprachig in deutsch und englisch verfasst. Und bietet einen Überblick über die Entstehung der Konferenz in den 1950er Jahren als zwei Lindauer Ärzte der Meinung waren, dass Deutschland nach dem Krieg den wissenschaftlichen Anschluss nicht verlieren dürfte und sich überlegten, wie man ein paar Nobelpreisträger ins Land bekommen könnte. Es ist interessant zu verfolgen, wie das gelungen ist und wie man die finanziellen Schwierigkeiten lösen konnte. Auch die Entwicklung von einer Fachkonferenz für Nobelpreisträger und deutsche Wissenschaftler hin zu der heutigen Form, bei der junge Forscher aus aller Welt mit Nobelpreisträgern diskutieren können ist im Buch gut beschrieben. Dazu gibt es jede Menge historische Fotos von Lindau, den Konferenzen und den Teilnehmern; Interviews mit Organisatoren, Konferenzbesuchern und Nobelpreisträgern und jeder Menge anderen Informationen.
Ein Buch über die Geschichte einer einzelnen Konferenz ist sicher eine ziemlich spezielle Thematik. Aber ich hab eine Schwäche für solche “Nischenthemen” und hab das Buch mit großem Interesse gelesen.
Was ich bisher schon gelesen habe
Im Rahmen meiner Serie über die Biografien von Astronominnen habe ich über das inspirierende Leben von Maria Cunitz berichtet und kann euch nur noch einmal empfehlen, euch über diese Frau zu informieren!
Was ich sonst noch so gelesen habe
- “Der Wolkenatlas” (im Original: “Cloud Atlas”) von David Mitchell: Irgendwie hab ich es nie geschafft, dieses Buch zu lesen oder mir die neue Verfilmung anzusehen. Im Juli hatte ich dann aber doch Zeit dafür und bin eigentlich ziemlich positiv überrascht. Es ist ein sehr seltsames Buch mit einer ungewöhnlichen Erzählperspektive aber es ist durchgehend spannend und hat mir viel Spaß gemacht.
- “The Old Ways: A Journey on Foot” von Robert Macfarlane: Auch das ist ein sehr seltsames und außergewöhnliches Buch. Macfarlane erzählt vom Wandern und Spaziergehen in Großbritannien. Aber nicht nur – Macfarlane wandert auch in Spanien, Palästina oder Tibet. Er erzählt von den unterschiedlichen Wegen die es gibt und was man auf ihnen erleben kann. Das klingt jetzt vielleicht nach Wander- oder Reiseführer – aber nichts könnte “The Old Ways” schlechter beschreiben als dieses Genre. Das Buch ist voll mit literarischen Referenzen, poetischen Naturbeschreibungen, historischen Informationen über die Wege und Beziehungen unter den Völkern in der Vergangenheit und viel, viel mehr, das ich nicht wirklich adequat beschreiben kann. Vom Verlag wird es u.a. so beschrieben: “Robert Macfarlane discovers a lost world – a landscape of the feet and the mind, of pilgrimage and ritual, of stories and ghosts; above all of the places and journeys which inspire and inhabit our imaginations”. Wer “The Old Ways” liest, wird danach nicht unbedingt mehr Ahnung von den konkreten Bedingungen auf britischen Wanderwegen haben. Aber ich kann versprechen, das euch eine enorme Lust überkommen wird, vor die Tür zu gehen und einfach loszuwandern! Ich habe das Buch sehr gerne gelesen.
- “Malz und Totschlag: Kleine Morde unter Bierfreunden”: Passend zu meinen Geburtstagskurzurlaub in Tschechien habe ich diese Sammlung von Krimi-Kurzgeschichten geschenkt bekommen, in denen es immer auf die eine oder andere Art um Bier geht. Keine große Literatur, aber ideal für den Urlaub, wenn man zwischendurch ein paar nette Geschichten lesen will. Die Geschichten sind mal lustig, mal ernst; mal spielt das Bier eine Hauptrolle, mal taucht es nur am Rande auf. Das Thema “Bier und Kriminalität” ist in manchen der Geschichten – die übrigens hauptsächlich in Österreich spielen – ein wenig erzwungen umgesetzt, aber zum überwiegenden Teil passt es wirklich gut zusammen.
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