Könnten wir mit unseren Augen Gammastrahlen sehen, dann würde die “Fermi-Blasen” fast den gesamten sichtbaren Himmel einnehmen. Entdeckt wurden diese gigantischen Strukturen in unserer Milchstraße erst im Jahr 2010 und verstanden hat man sie bis heute noch nicht wirklich. Davon, was man bis jetzt erfahren hat, erzähle ich in der neuen Folge der Sternengeschichten.
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Transkription
Vieles von dem, was im Universum existiert können wir nicht sehen. Zumindest dann nicht, wenn wir uns auf unsere Augen verlassen. Es ist überraschend, wie wenig wir mit ihnen eigentlich wahrnehmen können. Sie zeigen uns nur einen ganz kleinen Ausschnitt der Realität und dennoch kommt es uns so vor, als wäre das alles, was vorhanden und alles, was wichtig ist.
Dabei würde die Welt mit anderen Augen auch ganz anders aussehen. Wenn wir in einer klaren Nacht zum Himmel schauen, sehen wir jede Menge Dunkelheit mit hunderten hellen Lichtpunkten der Sterne. Hätten wir aber andere Augen, dann würden wir sehen, das zwei Drittel des Himmels von einer gigantischen Struktur eingenommen wird, die alles andere winzig erscheinen lassen würde.
Zum Glück haben die Astronomen in den letzten Jahrzehnten gelernt, sich neue Augen zu bauen und eines davon hat vor wenigen Jahren genau dieses den Himmel umspannende Phänomen entdeckt. Das “Auge”, das sie dabei verwendet haben war das Fermi Gamma-ray Space Telescope und die Struktur trägt den Name “Fermi-Blase”.
Das Fermi Gamma-ray Space Telescope, oder kurz “Fermi” ist ein Weltraumteleskop das in der Lage ist, Gammastrahlung zu registrieren. Dabei handelt es sich um sehr kurzwellige elektromagnetische Strahlung. Die Wellenlänge der Gammastrahlung ist viel kürzer als die des normalen sichtbaren Lichts, das wir mit unseren Augen sehen können. Entdeckt wurde diese Art des Lichts im Jahr 1900 bei der Untersuchung der Radioaktivität. Wenn radioaktives Material zerfällt, dann sendet es dabei Licht in Form von Gammastrahlung aus und es ist genau diese Strahlung und ihre hohe Energie, die die Radioaktivität für uns Menschen so gefährlich macht. Die Gammastrahlung kann Materie durchdringen und die Moleküle in unserem Körper beschädigen.
Gammastrahlung gibt es aber nicht nur in radioaktiven Elementen; sie entsteht auch im Weltall wenn dort zum Beispiel geladene Teilchen mit hoher Geschwindigkeit mit Staubkörnchen oder Gasmolekülen kollidieren und dabei abgebremst werden. So etwas kann dort passieren, wo es starke Magnetfelder gibt, die diese Teilchen entsprechend schnell beschleunigen können. Magnetfelder wie sie bei großen schwarzen Löchern existieren oder bei den Überresten ehemaliger Sterne. Aber auch Sternexplosionen können Teilchen stark genug beschleunigen und jede Menge Gammastrahlung erzeugen.
Es ist also nicht überraschend, das Astronomen gerne die Gammastrahlung beobachten wollen, die aus dem Weltall zu uns kommt den aus ihr lässt sich jede Menge lernen. Das Problem ist allerdings die Atmosphäre der Erde. Sie lässt die Gammastrahlung nicht durch und eigentlich ist das nur ein Problem für die Astronomen; für uns Menschen allgemein ist es eine ziemlich gute Sache, das wir so vor dieser kosmischen Strahlung geschützt sind. Aber die Astronomen wollten sie trotzdem sehen und haben daher entsprechende Teleskope ins Weltall geschickt, wo sie einen direkten Blick auf das Gammalicht des Universums haben.
Das Fermi-Teleskop wurde am 11. Juni 2008 ins Weltall geschickt und beobachtet seitdem, was es dort an Gammastrahlen zu sehen gibt. Und da gab es einiges: Zum Beispiel den bisher stärksten registrierten Gammablitz, eine gewaltige Explosion, stärker als 9000 Supernovas (über die Gammablitze habe ich auch schon in Folge 42 der Sternengeschichten gesprochen). Fermi entdeckte auch viele Überbleibsel von anderen, schwächeren Supernova-Explosionen – und entdeckte sogar auf unserer eigenen Erde Neues: Auch hier gibt es – zum Glück kleinere – Gammablitze, die durch elektrische Felder in Gewitterwolken entstehen können.
Die Entdeckung, von der ich aber anfangs gesprochen habe, fand im November 2010 statt. Bei der Vermessung des Himmels im Gammalicht hat Fermi festgestellt, das sich über und unter der Ebene unserer Milchstraße zwei riesige Blasen befinden, aus denen Gammastrahlung ausgesandt wird. Und “riesig” ist dabei noch untertrieben: Die Blasen reichen von der Ebene der Milchstraße 25.000 Lichtjahre darüber beziehungsweise darunter. Es sind Strukturen die in ihren Ausmaßen mit der ganzen Galaxis vergleichbar sind und auch ihre Entstehung muss mit den Eigenschaften und Vorgängen in der gesamten Milchstraße zu tun haben.
Nur: Wie diese Fermi-Blasen entstehen ist immer noch nicht vollständig geklärt. Die Blasen sitzen mit ihrer Basis genau in der Mitte der Milchstraße. Man kann also davon ausgehen, dass ihr Ursprung auch mit dieser Zentralregion zusammenhängt. Im Zentrum der Galaxis befindet sich – so wie in jeder anderen großen Galaxie auch – ein supermassereiches schwarzes Loch, das daher auch zum Hauptverdächtigen im Fall der Fermi-Blasen wurde.
2011 haben chinesische Forscher ein entsprechendes Modell entwickelt. In der zentralen Region der Milchstraße stehen die Sterne ja viel näher beieinander als in den dünn besiedelten äußeren Regionen in denen sich unsere Sonne befindet. Im Zentrum der Milchstraße kommt es daher öfter mal vor, das Stern dem schwarzen Loch zu nahe kommen. Dann werden sie auseinander gerissen und das ganze Material aus dem sie bestanden haben, verschwindet im Loch. Aber nicht komplett. Ein Teil wird auch davon geschleudert, hinaus ins All. Das passiert im Durchschnitt alle 30 Millionen Jahre und wenn dann das Sternenmaterial mit hoher Geschwindigkeit davon geschleudert wird, entstehen Stoßwellen in der sogenannten intergalaktischen Materie, also den verstreuten Molekülen und Atomen die sich überall zwischen den Sternen befinden. Diese Stoßwellen können Teilchen schnell genug beschleunigen, damit sie Gammastrahlung abgeben. So entstanden im Laufe der Zeit die Fermi-Blasen. Das war zumindest die Hypothese der Forscher.
2013 haben niederländische Wissenschaftler allerdings neue Beobachtungen durchgeführt, die auf einen anderen Mechanismus hindeuten. Sie haben mit einem Radioteleskop von der Erde aus ganz genau vermessen, wie sich das ganze Material in der Nähe des galaktischen Zentrums bewegt und konnten auch die Stärke des Magnetfeldes messen, das von all den durch die Gegend sausenden elektrisch geladenen Teilchen erzeugt wird. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Partikel dort mit bis zu 1000 Kilometern pro Sekunde bewegen! Aus der Vermessung der Magnetfelder die dort existieren konnten die Forscher auch Rückschlüsse auf den Ursprung der Teilchenströme ziehen. Und stellten fest, das die vermutlich nicht vom zentralen schwarzen Loch kommen. Vermutlich sind es doch die Sterne, die für die Fermi-Blasen verantwortlich sind. Im dicht besiedelten Zentrum der Milchstraße entstehen Sterne auch viel öfter. Es gibt dort also mehr Sterngeburten und damit auch mehr Sterne, die ihr Leben bei einer Supernova-Explosion beenden. Jedesmal wenn das passiert, werden Teilchen hinaus ins All geschleudert und tragen dabei zur Gammastrahlung bei, die aus den Fermi-Blasen kommt.
Messungen aus dem Jahr 2015 scheinen dieses Szenario zu bestätigen. Mit Beobachtungen des Hubble-Teleskops konnte man feststellen, wie das ganze Material zusammengesetzt ist, dass da mit so enormen Geschwindigkeiten aus der zentralen Region der Milchstraße hinaus strömt. Sie fanden chemische Elemente wie Silicium, Kohlenstoff oder Aluminium, die all im Inneren von großen Sternen durch Kernfusion entstehen und bei Supernova-Explosionen freigesetzt werden.
Aber endgültig geklärt ist die Sache noch nicht. Es wird weitere Beobachtungen brauchen, bevor dieses spezielle astronomische Rätsel geklärt ist. Wir werden das Universum noch ein bisschen weiter betrachten müssen und dabei natürlich immer auch auf das achten müssen, was unsere Augen nicht sehen können…
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