Ich mag Trojaner. Und nein, damit meine ich nicht den Krempel, der einem den Computer versaut. Sondern die so benannte Gruppe von Asteroiden in unserem Sonnensystem. Trojaner sind kleine Himmelskörper, die sich ihre Bahn mit einem großen Planeten teilen. Das klingt so, als könnte es nicht funktionieren; tut es aber trotzdem weil sie sich in der Nähe von speziellen Stabilitätspunkten befinden: Den sogenannten Lagrangepunkten, an denen sich die wirkenden Kräfte gegenseitig aufheben. Betrachtet man die Sonne und einen Planeten, dann gibt es immer fünf dieser Punkte und zwei davon liegen genau auf der Bahn des Planeten; 60 Grad davor und 60 Grad dahinter. Ein kleines Objekt in der Nähe dieser Punkte kann sich dort auf einer stabilen Bahn bewegen. Wir kennen heute hauptsächlich Trojaner des Jupiters; davon gibt es vermutlich ein paar Millionen (entdeckt worden sind bis jetzt knapp 6000). Es gibt aber auch eine Handvoll bekannter Trojaner des Mars, ein paar beim Neptun und sogar die Erde hat einen eigenen Trojaner.
Aber: Gibt es solche Trojaner auch anderswo? Und: Wie groß kann ein Trojaner werden? Gibt es auch Trojaner-Planeten? Bei uns im Sonnensystem nicht, aber wie sieht es bei anderen Sternen aus?
Die Trojaner waren immer schon eines meiner bevorzugten Arbeitsgebiete. Sie waren auch das erste Gebiet, auf dem ich damals begonnen habe, wissenschaftlich zu arbeiten. Das war schon im sechsten Semester, noch bevor ich mit meiner Diplomarbeit begonnen habe (Wer es genau wissen will: Ich habe probiert, unseren auf die Untersuchung von Trojanern optimierten Lie-Integrator so zu modifizieren, dass er eine brauchbare Surface of Section produziert). Später habe ich dann auch längere wissenschaftliche Arbeiten über Trojaner geschrieben (“The size of the stability regions of Jupiter Trojans”). Irgendwann bin ich dazu übergegangen, mich vermehrt mit Planeten bei anderen Sternen zu beschäftigen – aber die Trojaner spielten immer noch eine Rolle. Mit meinen Kollegen aus Wien habe ich probiert herauszufinden, ob es Trojaner auch bei anderen Sternen geben kann.
Die entsprechenden Simulationen haben nicht nur gezeigt, dass es rein dynamisch durchaus möglich wäre, dass Trojaner auch bei den bisher gefundenen Exoplaneten anderer Sterne existieren können; sie haben auch gezeigt, dass sie durchaus größer als die kleinen Asteroiden sein können, die hier bei uns existieren. Ein großer Gasriese könnte rein dynamisch auch einen erdgroßen Trojanerplanet beherbergen! Und andere Simulationen haben gezeigt, dass sich solche Himmelskörper auch tatsächlich im Zuge der Planetenentstehung bilden können.
Von der Existenz extrasolarer Trojanerplaneten auszugehen erscheint also nicht völlig unplausibel. Vor allem auch, weil wir ja mittlerweile festgestellt haben, das es bei anderen Sternen Arten von Planeten gibt, die bei uns nicht zu finden sind – zum Beispiel heiße Jupiter oder Supererden. Warum also nicht auch Trojanerplaneten?
Das war auch der Grund, warum ich damals einen Projektantrag zu diesem Thema geschrieben habe. Ich wollte die Sache mit den Trojanerplaneten richtig gründlich erforschen und nicht nur umfassende himmelsmechanische Simulationen durchführen die zeigen, wo man diese Objekte finden kann, wenn sie denn existieren sondern auch die Teleskope der Unisternwarte Jena nutzen, um ganz konkret nach ihnen zu suchen. Das geht tatsächlich: Man braucht dazu einen Planeten, der von uns aus gesehen direkt vor seinem Stern vorüber zieht. So ein “Transit” verdunkelt das Sternenlicht kurzfristig und das lässt sich mit einem Teleskop messen. Hat man auf diese Art einen Planeten entdeckt, dann kann man nachsehen, ob die Transits alle pünktlich stattfinden. Wenn der Planet ungestört seine Runden um den Stern zieht, dann sollten die Verdunkelungen exakt periodisch auftreten. Ist da aber noch irgendwas, dann kann der Transit zu früh oder zu spät passieren. Wenn irgendwo anders im Planetensystem noch ein anderer Himmelskörper existiert, kann er mit seiner Gravitationskraft den bekannten Planeten ein bisschen bremsen oder beschleunigen. So etwas nennt man “Transitzeitvariation” (siehe hier für Details) und so wurden mittlerweile tatsächlich schon neue Planeten entdeckt – unter anderem auch von meinen ehemaligen Kollegen aus Jena.
Mit der Methode der Transitzeitvariationen kann man aber nicht nur normale Planeten entdecken, sondern auch Monde oder eben Trojanerplaneten. Sie alle erzeugen ganz charakteristische Variationen – die aber bis jetzt leider noch nirgendwo nachgewiesen werden konnten. Es sucht aber auch niemand wirklich intensiv danach… Auch mein Antrag wurde damals von der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) abgelehnt – was ich heute immer noch sehr schade finde, denn es gibt mittlerweile neue Hinweise, dass so eine Suche durchaus erfolgreich sein könnte.
Michael Hippke und Daniel Angerhausen haben kürzlich eine Arbeit präsentiert (“A statistical search for a population of Exo-Trojans in the Kepler dataset”) in der sie eine neue Methode zur Suche nach Exo-Trojanern angewandt haben. Das Problem an der Sache ist der geringe Effekt, den Trojaner – sofern vorhanden – in den Beobachtungsdaten hervorrufen. Will man Transitzeitvariationen messen, muss man einen Planeten sehr genau und vor allem sehr lange beobachten. Das kann man nur bei wenigen Objekten tun und die Chancen hier erfolgreich zu sein, sind gering (Es sei denn, man hat einen Plan und vorher genau analysiert, welche Planeten vielversprechende Ziele abgeben, was ich in meinem Projekt damals auch vorhatte…). Und da Planeten oft mehrere Jahre für eine Runde um den Stern brauchen, muss man auch mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte beobachten, um genug Transits beisammen zu haben. Man kann natürlich auch schauen, ob der Trojanerplanet direkt einen Transit verursacht. Wenn er sich in der gleichen Ebene um den Stern bewegt wie der “Haupt”planet, dann sollte man nicht nur einen Transit beobachten können, sondern auch einen kleineren, der zum entsprechenden Zeitpunkt vor oder nach dem Haupttransit stattfindet. Auch das ist nicht einfach, denn ein kleiner Trojanerplanet verursacht nur einen schwach sichtbaren Transit und die Analyseprogrammen von Weltraumteleskopen wie Kepler, die viele Transits beobachten, sind nicht auf diese spezielle Art der Suche ausgelegt.
Hippke und Angerhausen haben einen anderen Ansatz gewählt. In der Astronomie kann man die Qualität der Daten erhöhen, in dem man Beobachtungen kombiniert. Beobachtet man zum Beispiel drei Transits eines Planeten, die jeweils nur schwach ausgeprägt sind und im allgemeinen Rauschen der Beobachtungen fast untergehen, dann kann man die Daten quasi übereinander legen. Auf die richtige Art kombiniert löschen sich die zufälligen Störungen in den Daten gegenseitig aus und nur das, was tatsächlich einen Effekt verursacht, bleibt übrig. Der Transit wird in den überlagerten Daten viel deutlicher sichtbar als in den Einzelbeobachtungen. Die beiden Astronomen haben nun den kompletten Kepler-Katalog genommen und alle Transits aller Planeten überlagert. Dazu muss man die entsprechenden Beobachtungen natürlich zuerst normieren, denn die Planeten sind alle unterschiedlich groß und brauchen unterschiedlich lange für einen Transit. Aber hat man sie alle auf eine gleiche Basis gebracht, dann kann man schauen, ob sich Trojaner zeigen. Da diese Himmelskörper nur in der Nähe der Lagrangepunkte existieren können und diese Punkte sich immer 60 Grad vor bzw. hinter dem Hauptplaneten befinden, muss ein Trojaner bei jedem Transit an der gleichen Stelle einen entsprechenden Effekt hervorrufen. Hat eine relevante Menge an Planeten aus dem Keplerkatalog Trojanerplaneten, dann verstärken sich deren Transits in den überlagerten Daten und könnten so sichtbar werden.
Insgesamt wurden 3739 Transits verwendet und so sehen die kombinierten Daten aus:
Man sieht hier die Helligkeit des Sterns und wie sie sich verändert. In der Mitte des Diagramms erkennt man deutlich den Transit des jeweiligen Planeten. Wenn diese Planeten Trojaner hätten, müsste man an den mit “L4” oder “L5” markierten Stellen ebenfalls Transits erkennen können. Das ist aber hier nicht der Fall.
Es scheint also so zu sein, dass (große) Trojaner nicht recht häufig sind. Wenn es nur ein paar von ihnen gibt, dann geht ihr Effekt in der Vielzahl der Daten unter, die von Planeten ohne Trojaner stammen. Hippke und Angerhausen haben sich daher entschieden, die Daten noch einmal anders zu analysieren. Sie haben nachgesehen, bei welchen Transits entweder bei L4 oder bei L5 die Andeutung eines Transits zu erkennen ist (1940 Stück) und nur diese Datensätze überlagert. Dann sieht das ganze so aus:
Das erste Bild zeigt, dass hier nun tatsächlich etwas zu erkennen ist. Das zweite Bild zeigt die Sache noch einmal genauer. Die Form der Lichtkurve sollte im Fall des Transits eines Trojanerplaneten ein ganz bestimmtes Aussehen haben. Denn so ein Planet sitzt nicht exakt im Lagrangepunkt und bleibt immer exakt 60 Grad vor bzw. hinter dem Hauptplaneten, sondern befindet sich im Allgemeinen mal ein wenig vor dem Lagrangepunkt, mal ein wenig dahinter. Aus der Sicht des Lagrangepunktes bewegt sich ein Trojaner in einer “Kaulquappen”-förmigen Bahn um ihn herum, so wie im zweiten Bild skizziert (Ich habe in diesem Artikel erklärt, wie das genau funktioniert).
Und die Form der Lichtkurve entspricht in etwa dem, was man erwarten würde, wenn der zusätzliche Transit von Trojanerplaneten hervorgerufen wurde!
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind leider noch nicht statistisch signifikant genug, um tatsächlich auf die Existenz von extrasolarern Trojaner schließen zu können. Aber sie zeigen, dass es sich auf jeden Fall lohnt, weiter zu suchen! Hippke und Angerhausen verweisen auf das PLATO-Weltraumteleskop (ein Projekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt), das im Jahr 2024 ins All fliegen soll und dann wesentlich mehr und bessere Daten sammeln kann. Mit denen würde sich die Frage nach den extrasolaren Trojaner vielleicht beantworten lassen. Aber wer weiß: In der Zwischenzeit findet man ja vielleicht auch auf anderem Weg die Trojaner fremder Sterne! (Und ich kann der DFG dann endlich einen Brief schreiben und ihnen sagen: “Ha! Ich habs euch gesagt!”)
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