In der Serie “Fragen zur Astronomie” geht es heute wieder einmal um die Grundlagen. Und zwar um die wirklich fundamentalen Grundlagen auf denen die ganze moderne Astronomie basiert! Wir wissen heute unter anderem deswegen so viel darüber, wie Sterne und Galaxien funktionieren, weil wir herausgefunden haben, woraus diese Himmelskörper bestehen. Das wir das tatsächlich können, ist aber eigentlich ziemlich überraschend und lange Zeit konnte sich auch niemand vorstellen, das es überhaupt möglich ist. Also: Wie findet man heraus, woraus ein Stern besteht?
Noch 1835 hat der berühmte französische Philosoph Auguste Comte folgendes über die Sterne behauptet:
“Wir haben die Möglichkeit, ihre Formen, Entfernungen, Größen und Bewegungen zu bestimmen, während wir niemals durch irgendein Mittel ihre chemische Zusammensetzung [bestimmen können]”
Und das war aus seiner Sicht gar nicht mal so unplausibel. Zu bestimmen, wie hell und weit entfernt (und damit auch wie groß) ein Stern ist oder zu beobachten, wo er sich befindet und wie er sich bewegt, ist vergleichsweise einfach. Und zur damaligen Zeit war genau das auch im wesentlichen alles, was die Astronomen getan haben: Sie beobachteten Sterne und erstellten Kataloge mit ihren Positionen, Entfernungen und Helligkeiten. Die Sterne waren so weit weg, dass es völlig illusorisch erschien, dass man mehr als das herausfinden konnte. Wenn man von einem Stern nicht mehr als einen Lichtpunkt sehen kann, wie soll man dann herausfinden, woraus er besteht?
Tja, Wissenschaftler sind kreativ und sehr gut darin, sich immer neue Wege auszudenken, um Dinge herauszufinden. Und schon 1859 haben Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen genau so einen Weg entdeckt: Die Spektroskopie. Ich lasse jetzt mal die Forschungsgeschichte beiseite (obwohl sie sehr interessant ist und erkläre gleich, wie das Prinzip funktioniert.
Ein Stern erzeugt in seinem Inneren Energie durch Kernfusion. Diese Energie wird in Form von Licht abgestrahlt – allerdings nicht nur das normale Licht das wir sehen können, sondern im kompletten elektromagnetischen Spektrum. Das soll heißen: Ein Stern produziert Licht mit allen möglichen Wellenlängen. Da ist natürlich das Licht dabei, das wir sehen können – also ein Mischung aus rotem Licht, gelbem Licht, blauen Licht, und so weiter: Der ganze Regenbogen eben. Aber auch Infrarotlicht, Ultraviolett-Licht, Mikrowellenlicht und all die anderen Arten mit Wellenlängen die zu groß oder zu klein sind, von unseren Augen gesehen zu werden.
All dieses Licht mit all diesen Wellenlängen dringt also nun vom Kern des Sterns nach außen. Dabei trifft es auf all die Atome der chemischen Elemente, aus denen der Stern besteht. Diese Atome haben einen Atomkern und eine Hülle aus Elektronen. Die Elektronen können dabei den Atomkern auf verschiedene Arten umgeben und die Konfiguration kann sich verändern, wenn die Elektronen Energie aufnehmen oder abgeben. Trifft Licht mit der richtigen Wellenlänge auf die Elektronen eines Atoms, kann es also absorbiert werden. Licht dieser Wellenlänge fehlt dann also und das kann man messen!
Man kann das gesamte Licht das von einem Stern zur Erde gelangt durch ein sogenanntes Spektroskop schicken. Hier wird das Licht in seine Bestandteile aufgespalten; man kann also nachsehen, wie viel Licht einer bestimmten Wellenlänge in der Mischung vorhanden ist. Oder wie viel Licht bei bestimmten Wellenlängen fehlt. Man sieht im aufgespaltenen Licht – dem Spektrum – dann dunkle Linien, dort wo eigentlich Licht sein sollte. Das sind die sogenannten Spektrallinien und da jedes chemische Element eine ganz charakteristische Anordnung von Elektronen in seiner Hülle hat, produziert es auch ein ganz charakteristisches Muster von Spektrallinien.
Die Spektrallinien sind wie ein Fingerabdruck bzw. ein “Strichcode”, aus dem sich ablesen lässt, welche Elemente in einem Stern vorhanden sind. So weit, so einfach – aber die Realität ist ein wenig komplizierter. Man will ja zum Beispiel nicht nur wissen, was für Elemente vorhanden sind, sondern auch wie viel davon sich in einem Stern findet. Man könnte nun glauben, das man einfach nur messen müsste, wie viel Licht bei einer bestimmten Wellenlänge fehlt. Je mehr Licht fehlt, desto mehr von diesem Element muss es im Stern geben. Oder?
Das ist der Punkt, an dem es wirklich knifflig wird. Die Elektronen eines Atoms können sich nur in ganz bestimmten Konfigurationen anordnen. Und können auch nur zwischen genau diesen Konfigurationen wechseln. Damit dieser Wechsel stattfinden kann, müssen sie eine ganz exakt definierte Menge an Energie aufnehmen. Nehmen Elektronen dagegen zu viel Energie auf, können sie ganz vom Atomkern losgelöst werden (das nennt man dann “Ionisation”).
Damit eine Spektrallinie entstehen kann, müssen also ausreichend Atome in “aufnahmebereiten” Zustand vorhanden sein. Wie viele das sind, hängt aber nicht nur von der reinen Menge ab, sondern auch zum Beispiel von der Temperatur des Sterns (je heißer, desto mehr Atome können ionisiert sein). Aus der Stärke einer Spektrallinie lässt sich also nicht direkt die Menge eines vorhandenen chemischen Elements ablesen. Da muss man erst ziemlich viel ziemlich komplizierte Mathematik (zum Beispiel die Saha-Gleichung zur Beschreibung des thermischen Gleichgewichts eines Gases in Abhängigkeit der Ionisation) benutzen um all die verschiedenen Anteile zu trennen.
Die erste, die das geschafft hat, war Cecilia Payne in ihrer Doktorarbeit aus dem Jahr 1925. Damals dachte man tatsächlich noch, die Stärke der Spektrallinien würde direkt mit der Menge der chemischen Elemente zusammenhängen und weil man im Licht der Sonne zum Beispiel besonders starke von Eisen verursachte Linien fand, ging man davon aus, dass Eisen einer der Hauptbestandteile unseres Sterns sein musste. Als Payne dann herausfand, dass Sterne vor allem aus Wasserstoff und Helium bestehen, hielt man das für so absurd, dass man ihr schlicht und einfach nicht glaubte (und natürlich auch deswegen, weil sie eine Frau war).
Die Spektroskopie ist heute eine der wichtigsten Disziplinen in der Astronomie und wir haben enorm viel gelernt. Die Spektren der Sterne zeigen uns nicht nur, wie sie zusammengesetzt sind. Wir lernen daraus auch, welche Masse ein Stern hat, wie heiß er ist, wie alt er ist, mit welcher Geschwindigkeit er sich bewegt, ob er Planeten hat, und vieles andere mehr. Ohne Spektroskopie hätte die Astronomie niemals die enormen Fortschritte machen können, die sie in den letzten 100 Jahren gemacht hat!
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
Kommentare (29)