Schwarze Löcher sind faszinierend. Kaum ein Science-Fiction-Buch oder Film kommt ohne sie aus und diese Himmelskörper regen die Fantasie so gut wie aller Menschen an. Das liegt einerseits daran, dass wir diese Objekte noch nicht komplett verstehen und nicht wissen was sie eigentlich sind. Andererseits wissen wir auch nicht Nichts; wir wissen, wie die schwarzen Löcher entstehen (aus dem Kollaps großer Sterne), wir wissen wie sie sich in vielen Bereichen verhalten und wie sie ihre Umgebung beeinflussen (und wir wissen übrigens auch, dass sie keine Staubsauger sind und alles “ansaugen”). Aber sie sind werden eben immer noch aktiv erforscht und über fast jede Neuigkeit wird – im Gegensatz zu vielen anderen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen – in den Medien berichtet. Da trifft dann die Faszination und die Freude an der Spekulation auf die wissenschaftliche Realität und dieser Gegensatz ist hier besonders hart. Wenn es darum geht, schwarze Löcher zu verstehen (oder auch nur die Facharbeiten der Wissenschaftler), dann muss man so richtig, richtig viel Ahnung von Mathematik haben! Mathematik, von der auch die meisten übrigen Wissenschaftler kapitulieren. Und als Laie hat man so gut wie keine Chance, hier die Grundlagen zu verstehen, auf denen die Medienberichte basieren. Das gilt auch für die Journalisten die darüber berichten (und das ist jetzt nicht als Vorwurf gemeint) und dementsprechend missverständlich oder lückenhaft sind deren Artikel oft.
Aber wenn eine prominente und öffentliche Figur wie Stephen Hawking etwas Neues über schwarze Löcher zu sagen hat, dann wollen alle berichten. Und da Hawking vor kurzem auf einer Konferenz in Stockholm tatsächlich wieder ein paar neue Ergebnisse präsentiert hat, gab es in den letzten Wochen überall in den Medien wieder etwas über schwarze Löcher zu lösen. Über Hologramme. Über andere Dimensionen. Darüber, dass nun die Handlung des Kinofilms “Interstellar” doch real sein könnte und man durch schwarze Löcher reisen kann. Und so weiter. Alles sehr faszinierend – aber nicht immer das, worum es eigentlich geht.
Ich bin weit davon entfernt, ein Experte für schwarze Löcher zu sein und habe von der Mathematik die für deren Untersuchung nötig ist, kaum mehr Ahnung als der durchschnittliche Laie. Aber ich möchte zumindest probieren, die Ergebnisse von Hawking kurz zusammenzufassen, so wie ich sie verstanden habe.
Und für alle die mehr Ahnung haben als ich, gibt es hier noch ein Video von Hawkings Vortrag:
Das, worum es in diesem Fall geht, ist das sogenannte “Informationsparadoxon”. Ein schwarzes Loch ist deswegen so außergewöhnlich, weil es sehr viel Masse auf sehr kleinem Raum vereinigt und man der Masse deswegen auch viel näher kommen kann, als das bei weniger dichten Objekten der Fall ist. So nahe, dass die Anziehungskraft der man ausgesetzt ist, irgendwann so groß ist, dass keine Rückkehr möglich ist. Je stärker die Anziehungskraft eines Himmelskörpers, desto schneller muss man sich bewegen, wenn man sie überwinden will. Hinter dem “Ereignishorizonts” eines schwarzen Lochs ist die nötige Geschwindigkeit aber größer als die Lichtgeschwindigkeit. Und da man die nicht überschreiten kann, kann man auch dem Ereignishorizont nicht mehr entkommen. Alles, was dahinter verschwindet, bleibt auch dort. Selbst das Licht, weswegen ein schwarzes Loch ja auch “schwarz” ist.
Der Ereignishorizont ist eine Grenze, durch die keine Information dringen kann. Von außen gibt es nur drei Eigenschaften, die man von einem schwarzen Loch bestimmen kann: Seine Masse, seine elektrische Ladung und seinen Drehimpuls. Das ist alles – und die Grundlage des Informationsparadox. Denn alles, was hinter dem Ereignishorizont verschwindet, bleibt dort und jegliche Information darüber mit ihm. In einem schwarzen Loch kann also Information verschwinden. Und es wird noch schlimmer: Stephen Hawking wurde unter anderem deswegen so berühmt, weil er heraus fand, dass ein schwarzes Loch in gewissen Sinn doch nicht komplett schwarz ist. Aufgrund gewisser Quanteneffekte kann eine sehr, sehr schwache Strahlung am Ereignishorizont entstehen, die dem Loch im Laufe der Zeit Energie/Masse entzieht. Während sehr langer Zeiträume (länger als die bisherige Lebensdauer des Universums) löst sich so ein Loch auf. Es verschwindet und mit ihm alle Informationen über alles, was je hinter seinem Ereignishorizont gelandet ist. Schwarze Löcher vernichten also Information und das widerspricht diversen grundlegenden Gesetzen von Relativitätstheorie und Quantenmechanik.
Das Problem an der Sache ist, dass ein schwarzes Loch einerseits so massereich ist, dass man es mit der Relativitätstheorie beschreiben muss; andererseits aber auch so klein, dass man für sein Verständnis die Quantenmechanik heranziehen muss. Beide Theorien sind aber nicht miteinander vereinbar und es ist kein Wunder, das es so zu Widersprüchen kommt. Man bräuchte eine Quantentheorie der Gravitation und die hat bis jetzt noch keiner gefunden.
Auch Stephen Hawking nicht, aber er hat nun mit seinen Kollegen Malcolm Perry und Andrew Strominger ein paar neue Ideen zur Lösung des Informationsparadoxons präsentiert. Es geht dabei um sogenannte “Supertranslationen”. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was das genau ist. Aber soweit ich es verstanden habe, hat es damit zu tun, dass – zumindest laut dieser neuen Hypothese – an der Grenze des Ereignishorizonts eine Art Hologramm existiert. Ein Hologramm ist normalerweise eine fotografische Aufnahme, bei der dreidimensionale Information so auf einer zweidimensionalen Fläche abgebildet wird, dass bei Beleuchtung mit dem entsprechenden Licht wieder ein 3D-Eindruck entsteht. So ähnlich soll das auch beim schwarzen Loch funktionieren: Das Licht will vom schwarzen Loch weg, kann aber nicht. Es kommt nur bis zum Ereignishorizont und bleibt dort “hängen”. Wenn nun etwas – zum Beispiel ein Atom – den Ereignishorizont durchquert, dann wird dadurch das Licht am Ereignishorizont verändert (das sind die “Supertranslationen”). Alles, was ins schwarze Loch fällt, wird also in gewisser Weise so im Licht am Ereignishorizont gespeichert; in einem dreidimensionalen Hologramm der vierdimensionalen Raumzeit.
Wenn jetzt die Hawking-Strahlung das schwarze Loch verlässt und dabei dieses Hologramm durchquert, kann sie die Information zurück nach außen tragen. Das Informationsparadoxon wäre gelöst! Das heißt allerdings nicht, dass man nun einfach so durch ein schwarzes Loch spazieren kann… Wer das Pech hat, als Astronaut den Ereignishorizont zu durchqueren wird dabei immer noch sterben – aber zumindest werden die Informationen über die diversen Moleküle und Atome nicht für immer verschwinden.
Zumindest dann, wenn Hawkings Idee richtig ist. Das lässt sich derzeit schwer beurteilen, da die entsprechende Facharbeit noch nicht veröffentlicht worden ist. Bei der Beurteilung sind Hawkings Kollegen also auf das angewiesen, was während der Konferenz gesagt wurde. Ich empfehle euch dazu das Blog Backreaction der theoretischen Physikerin Sabine Hossenfelder. Sie gehört zu denen, die die nötige Ahnung vom Thema und der Mathematik haben und arbeitet selbst auf den Gebieten, auf denen auch Hawking arbeitet. Sie war bei der Konferenz dabei und hat damals live über den Vortrag berichtet. Sie hat gestern auch noch einen weiteren Artikel zum Thema veröffentlicht und kommt darin zu dem Schluss, dass die These von Hawking und seinen Kollegen nicht geeignet ist, das Informationsparadoxon zu lösen. Da ich aber nicht im geringsten qualifiziert bin, das alles zu beurteilen, empfehle ich euch, den Text selbst zu lesen.
Ansonsten werden wir darauf warten müssen, bis Hawkings Arbeit in aller Ausführlichkeit publiziert und von der wissenschaftlichen Community geprüft worden ist. So oder so – wir werden weiter von den schwarzen Löchern fasziniert sein. Und früher oder später werden wir hoffentlich auch verstehen, wie die verflixten Dinger funktionieren!
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