Hier braucht es die “Zweite Kosmische Geschwindigkeit”; beziehungsweise die sogenannte “Fluchtgeschwindigkeit”. Wie der Name schon andeutet ist das die Geschwindigkeit, mit der man der Anziehungskraft der Erde entfliehen kann. Feuert die Kanone ihre Kugel mit mindestens 11,2 Kilometer pro Sekunde ab, dann ist das geschafft. Mit diesem Tempo gelangt man nicht nur ins Weltall sondern kann auch die Umgebung der Erde verlassen und andere Himmelskörper wie beispielweise den Mars erreichen.

11,2 Kilometer pro Sekunde sind wirklich schnell. Eine von der Erde aus startende Rakete ist ebenfalls schnell – aber im Allgemeinen nicht SO schnell. Das ist aber auch nicht nötig. Die zweite (und auch die erste) kosmische Geschwindigkeit gilt für den Fall einer einmaligen Beschleunigung. Also zum Beispiel für den Fall der Kanone, die ihre Kugel abfeuert und dann sich selbst überlässt. Da die Kanonenkugel keinen eigenen Antrieb hat, muss sie die kosmische Geschwindigkeit gleich von Anfang an erreicht haben, um die Erde verlassen zu können. Raketen werden aber nicht mit Kanonen ins Weltall geschossen. Sie haben Triebwerke, die konstant Schub abgegeben und die Geschwindigkeit kontinuierlich erhöhen. Je weiter man sich vom Erdboden entfernt, desto schwächer ist die Auswirkung der Gravitationskraft und desto geringer wird die Fluchtgeschwindigkeit. Die Raketen, die während ihres Flugs ins Weltall die ganze Zeit beschleunigen müssen also nicht von Anfang an so enorm schnell sein, wie es der Wert der zweiten kosmischen Geschwindigkeit nahe legt.

Außerdem hilft die Rotation der Erde auch ein wenig mit. Wenn man eine Rakete mit der Drehrichtung der Erde startet, kann man ein bisschen von ihrem Schwung mitnehmen und muss nicht die ganze Fluchtgeschwindigkeit selbst aufbringen. Das ist auch der Grund, warum die großen Weltraumbahnhöfe sich alle in der Nähe des Äquators befinden. Dort wird man von der Rotation der Erde am schnellsten herum geschleudert und kann sich den meisten Schwung beschaffen.

Mit der zweiten kosmischen Geschwindigkeit befinden wir uns jetzt also nicht mehr in einer Umlaufbahn um die Erde sondern auf einem Orbit, der immer weiter von der Erde weg führt. Den Einfluss der Erde sind wir also schon los geworden. Aber da ist ja immer noch die Sonne! Ihre Masse macht 99,9 Prozent der gesamten Masse im Sonnensystem aus. Und dementsprechend stark ist auch der Einfluss ihrer Gravitationskraft. Mit der zweiten kosmischen Geschwindigkeit können wir nichts dagegen ausrichten. Wollten wir nicht nur die Erde sondern das gesamte Sonnensystem verlassen, müssten wir noch schneller sein.

Die dafür nötige Geschwindigkeit hängt davon ab, wie weit man sich von der Sonne entfernt befindet. Würde man sich direkt auf der Oberfläche der Sonne befinden, dann wären enorme 617,5 Kilometer pro Sekunde nötig, um sie verlassen zu können! Wenn wir von der Erde aus starten, ist die Sache schon ein bisschen einfacher, denn hier können wir nun nicht nur den Schwung mitnehmen den uns die Drehung der Erde um ihre Achse liefert sondern auch den Schwung mit dem sich die Erde selbst um die Sonne bewegt. Es reichen nun 16,7 Kilometer pro Sekunde, um den Einflussbereich der Sonne zu verlassen.

Und wenn wir schon mal auf dem Weg aus dem Sonnensystem hinaus sind, dann können wir auch gleich überlegen, wie wir noch weiter kommen. Die Sonne ist einer von vielen Milliarden Sternen, die gemeinsam die Milchstraße bilden. Die gesamte Masse dieser Galaxie hält die Sterne aus der sie besteht mit ihrer Gravitationskraft fest, genau so wie Erde und Sonne mit ihrer Kraft unsere Raumschiffe festhalten. Zu berechnen, wie schnell man sein muss, wenn man aus der Milchstraße entkommen will, ist dann allerdings nicht mehr so einfach. Die Masse ist nicht an einem Punkt konzentriert sondern auf komplizierte Art und Weise überall in der Milchstraße in Form von Sternen, großen Gaswolken und Ansammlungen dunkler Materie verteilt. Die Sterne bewegen sich nicht mehr auf simplen Umlaufbahnen wie die Planeten sondern folgen komplexen Wegen durch die Galaxie.

1 / 2 / 3

Kommentare (9)

  1. #1 Captain E.
    15. Oktober 2015

    Einige der großen Weltraumbahnhöfe sind aber nicht am Äquator, sondern nur möglichst weit südlich, soweit das eigene Staatsgebiet reicht, wie z.B. Vandenberg, Cape Canaveral, Baikonur oder der im Bau befindliche Wostotschny.

  2. #2 BerndB
    15. Oktober 2015

    Heute ist doch noch gar nicht Freitag. 🙂

  3. #3 Christian
    15. Oktober 2015

    Heute das erste Mal richtig Ärger gehabt wegen der Sternengeschichten: Nachdem die aktuelle Folge heute morgen im Downcast gelandet ist habe ich mich kurzerhand in Casual Friday Outfit geworfen – den Chef konnte ich besänftigen und hab ihm direkt die Sternengeschichten empfohlen. 😉

    Schade nur das dann doch morgen erst Freitag ist – danke Herr Freistetter 😉

  4. #4 Kyllyeti
    15. Oktober 2015

    @BerndB

    Heute ist doch noch gar nicht Freitag.

    Doch, in Kiribati schon.

  5. #5 Florian Freistetter
    15. Oktober 2015

    “Heute ist doch noch gar nicht Freitag. “

    Ja, der ganze Stress mit der Sciencebusters-Tour hat mein Zeitgefühl ein wenig durcheinander gebracht…

  6. #6 BerndB
    15. Oktober 2015

    @Kyllyeti

    Und in Alaska noch Mittwoch, oder so.

  7. #7 Captain E.
    16. Oktober 2015

    So langsam gehen aber die Uhren selbst in Alaska nicht – es kommt einem nur so vor… 😉

  8. #8 Nordlicht_70
    16. Oktober 2015

    Sehr schön geschrieben. Astronomieunterricht kann ja sooo spannend sein.

  9. #9 UMa
    16. Oktober 2015

    @Florian:

    Außerdem hilft die Rotation der Erde auch ein wenig mit. Wenn man eine Rakete mit der Drehrichtung der Erde startet, kann man ein bisschen von ihrem Schwung mitnehmen und muss nicht die ganze Fluchtgeschwindigkeit selbst aufbringen. Das ist auch der Grund, warum die großen Weltraumbahnhöfe sich alle in der Nähe des Äquators befinden. Dort wird man von der Rotation der Erde am schnellsten herum geschleudert und kann sich den meisten Schwung beschaffen.

    Der Hauptgrund dafür, dass die Weltraumbahnhöfe sich möglichst dicht am Äquator befinden, ist nicht der Rotationsgewinn, sondern die erreichbare Inklination der Bahn. Ohne zusätzliche, sehr viel Treibstoff kostende, Inklinationsänderungen kann man von einem Startplatz nur Bahnen erreichen, deren Inklination gleich oder größer der geographischen Breite ist. Im Extremfall Nord- oder Südpol gehen nur polare Bahnen, vom Äquator aus kann man alle Bahnen erreichen.