Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen hat zurecht die Wissenschaftsnachrichten der letzten Tage dominiert. Es war ein absoluter Meilenstein und hat uns einen völlig neuen Weg eröffnet, das Universum zu verstehen und zu beobachten. Es war der erste Schritt hin zu einer Gravitationswellenastronomie die das Potential hat, unseren Blick auf den Kosmos fundamental zu verändern.
Aber wenn man ein Ziel erreichen will, darf man nach dem ersten Schritt nicht stehen bleiben. Es war wichtig, endlich das erste Mal ein kosmisches Ereignis via Gravitationswellen beobachtet zu haben. Und es werden mit Sicherheit demnächst weitere Beobachtungen folgen (LIGO hat ja nicht nur die eine, letzte Woche publizierte Gravitationswelle gesehen sondern auch noch weitere, die aber statistisch noch nicht so sehr abgesichert waren). Damit es aber eine echte Gravitationswellenastronomie geben kann, müssen wir nicht nur mehrere Ereignisse beobachten bzw. in der Lage sein mit verschiedenen Detektoren kontinuierlich entsprechende Ereignisse zu beobachten. Wir müssen vor allem unterschiedliche Phänomene detektieren können.
Die Gravitationswelle, die am 14. September 2015 vom LIGO-Observatorium nachgewiesen und am 11. Februar 2016 bekannt gegeben wurde, entstand ja als zwei mittelschwere schwarze Löcher von jeweils circa 30 Sonnenmassen miteinander kollidierten. Solche Ereignisse sind unter anderem deshalb so interessant, weil sich das Verhalten der schwarzen Löcher und die entstehende Gravitationswelle im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie ziemlich gut vorher sagen lässt. Es war also auch vergleichsweise leicht, die Messung entsprechend zu interpretieren.
Aber im Universum gibt es ja noch viel mehr Ereignisse, die Gravitationswellen auslösen und nicht alle davon lassen sich mit Observatorien vom LIGO-Typ beobachten. Dieses Bild zeigt das recht gut:
Man sieht hier die Frequenz bzw. Wellenlänge der Gravitationswellen die von verschiedenen Ereignissen ausgelöst werden zusammen mit den Nachweismethoden die geeignet sind, sie zu beobachten. Ganz rechts findet man die terrestrischen Interferometer, als genau die Observatorien zu denen auch LIGO gehört. Damit kann man Gravitationswellen beobachten, deren Schwingungsperiode im Millisekundenbereich liegt. Sie werden von (vergleichsweise) nahen und (vergleichsweise) kleinen schwarzen Löcher ausgelöst, aber auch von Supernova-Explosionen oder rotierenden Neutronensternen.
Neben diesen kleinen schwarzen Löchern gibt es aber auch noch die supermassereichen schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien. Wenn zwei Galaxien miteinander kollidieren, dann verschmelzen auch diese Giganten. Im Gegensatz zu den kleinen schwarzen Löchern deren Zusammenstoß LIGO beobachtet hat, können solche Objekte jeweils ein paar Millionen bis Milliarden Sonnenmassen haben. Wenn die miteinander kollidieren ist das ein Ereignis von einer ganz anderen Größenordnung und ganz anderen Auswirkungen. Die Dynamik der zentralen schwarzen Löcher beeinflusst die gesamte Galaxie in der sie sich befinden; sie können dafür sorgen, dass das Gas, das für die Sternentstehung benötigt wird, in den intergalaktischen Raum geschleudert wird bzw. auch für gesteigerte Sternentstehung sorgen; je nachdem wie sie sich verhalten. Es lohnt sich also, sie genau zu studieren und zu verstehen – aber mit LIGO und ähnlichen Observatorien werden solchen Beobachtungen nicht gelingen.
Die Schwingungsperioden der entstehenden Gravitationswellen können hier Wochen oder gar Jahre dauern und dazu braucht man andere und vor allem größere Detektoren. Man kann das Konzept von LIGO beispielsweise in den Weltraum verlagern. LIGO kann Gravitationswellen ja deswegen nachweisen, weil Laserlicht gleichzeitig in zwei unterschiedliche Richtungen abgestrahlt und nach einer Distanz von 4 Kilometern wieder reflektiert wird. Normalerweise kämen beide Lichtstrahlen wieder exakt zur gleichen Zeit zurück zum Ausgangspunkt; sie haben ja auch exakt die gleiche Strecke zurück gelegt und zwar mit exakt der gleichen Geschwindigkeit. Eine durch den Detektor laufende Gravitationswelle verändert nun aber die Länge dieser beiden Arme des Observatoriums auf unterschiedliche Art. Das Licht bewegt sich aber trotzdem immer noch exakt mit der gleichen (Licht)Geschwindigkeit und die beiden Strahlen kommen jetzt nicht mehr gleichzeitig an.
Verlängert man die Strecke, die das Licht durchläuft, erhöht man auch die Genauigkeit des Detektors. Auf der Erde ist aber nicht beliebig viel Platz; es gibt überall Störungen und auch technisch wäre es schwierig, hunderte Kilometer lange Vakuumröhren zu bauen in denen sich der Laserstrahl ungestört ausbreiten kann. Im All ist mehr als genug Platz und Vakuum und dort kann man Weltrauminterferometer bauen. Das ist auch das Konzept der eLISA-Mission der Europäischen Weltraumagentur. Statt einer Länge von 4 Kilometern wird der Laserstrahl zwischen den im All positionierten Spiegeln ungefähr eine Million Kilometer hin und her laufen können! Der Start der Mission ist aber erst für 2034 geplant und wer weiß, ob da nicht doch noch etwas dazwischen kommt.
Es gibt aber noch eine weitere Methoden, die nicht nur in der Lage wäre, die Kollision supermassereicher schwarzer Löcher zu detektieren sondern die auch im Prinzip jetzt schon einsatzbereit ist. Sie nennt sich Pulsar Timing Array und erlaubt es uns, Lichtstrahlen zu verfolgen, die nicht “nur” ein paar Millionen Kilometer unterwegs sind, sondern Lichtjahre quer durch unsere Milchstraße zurücklegen!
Man macht sich dabei die Eigenschaften von Pulsaren zunutze. Dabei handelt es sich um schnell rotierende Neutronensterne, die in regelmäßigen Abständen elektromagnetische Pulse in Richtung Erde schicken (ich habe das hier sehr viel ausführlicher erklärt). Und “regelmäßig” heißt in diesem Fall wirklich regelmäßig. Die Signale der Pulsare sind die genauesten Uhren die uns zur Verfügung stehen. Und ihre Ankunft lässt sich ebenso genau vorhersagen. Schon kleinste Abweichungen von wenigen Nanosekunden lassen sich messen und sagen uns, dass mit diesen Pulsaren irgendwas passiert, was normalerweise nicht passieren sollte.
Junge Pulsare rotieren gerne mal ein wenig “unrund”; die Materie aus der sie bestehen verschiebt sich immer wieder mal ein wenig. Es gibt dort quasi “Sternbeben” und die können, so wie große Erdbeben bei uns, die Rotationsgeschwindigkeit der Pulsare und damit die Ankunftszeit der Pulse verändern. Aber sehr alte Pulsare haben sich schon ausreichend beruhigt; sie rotieren extrem gleichmäßig und wenn die Pulse hier nicht mehr pünktlich sind, muss es eine andere Ursache geben. Zum Beispiel eine Gravitationswelle, die den Raum zwischen uns und dem Pulsar ein wenig gestaucht bzw. gestreckt hat.
Die Pulsare spielen also die gleiche Rolle wie die Spiegel bei LIGO und wenn wir die Lichtsignale der fernen Neutronensterne messen, können wir damit genau so gut Gravitationswellen nachweisen wie mit den Detektoren auf der Erde. Dazu muss man einen Pulsar aber immer wieder über mehrere Jahre hinweg mit Radioteleskopen beobachten und die Ankunftszeiten der Signale genau aufzeichnen. Und das macht man idealerweise nicht nur bei einem Pulsar, sondern bei vielen. Je mehr Daten man hat, desto eher besteht die Chance, auch hier eine Gravitationswelle nachzuweisen.
Das ist die Aufgabe des International Pulsar Timing Arrays (IPTA) in dem sich das European Pulsar Timing Array (EPTA), das North American Nanohertz Observatory for Gravitational Waves (NANOGrav) und das Parkes Pulsar Timing Array (PPTA) aus Australien zusammengeschlossen haben. Gemeinsam beobachten sie zwei bis drei Dutzend Pulsare und nutzen dazu die großen Radioteleskope der Erde (unter anderem auch das deutsche Radioteleskop Effelsberg mit seinem Durchmesser von 100 Metern).
Bis jetzt war man mit dieser Methode noch nicht erfolgreich. Aber auch LIGO hat ja ein wenig gebraucht, bevor der erste Nachweis gelungen ist. Jetzt wo man weiß, was möglich ist, wird man mit diesem Wissen sicherlich auch die anderen Methoden verbessern können. Früher oder später werden wir die Gravitationswellen nicht mehr nur mit den terrestrischen Interferometern beobachten können, sondern auch mit den Radioteleskopen und den Messgeräten, die aus fernen Sternen bestehen. Der erste Schritt ist gemacht. Und der nächste wird nicht lange auf sich warten lassen!
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