Als ich letztes Jahr im März darüber geschrieben habe, das ich ein Fan der Zeitumstellung bin, hab ich dafür jede Menge Kritik bekommen. Teilweise durchaus zu Recht, in meinem Artikel damals habe ich außer meiner eigenen Meinung zur Sache nicht viele Argumente inkludiert. Ich habe aber vor einigen Tagen einen sehr netten Text von Dan Falk zum Thema gelesen, der das Problem sehr gut zusammenfasst und den ich hier ein wenig ausführlicher vorstellen möchte. Denn es läuft ja alles auf eine Frage hinaus: Wenn wir die Zeitumstellung abschaffen: Was machen wir stattdessen?
Die klassische Begründung der Zeitumstellung liegt ja beim Energieverbrauch. Wenn man die (Uhr)Zeit des Sonnenuntergangs weiter nach hinten am Tag verschiebt, braucht man die elektrische Beleuchtung nicht so lange eingeschaltet zu lassen. Aber abgesehen davon, dass dieses Argument vermutlich nie sonderlich überzeugend war, ist es heute mit Sicherheit nicht mehr brauchbar. Unsere Gesellschaft hat sich verändert und mit all unseren Computern, Smartphones, etc verbrauchen wir sowieso ständig Energie, egal ob es draußen hell oder dunkel ist.
Gründe gegen gegen Zeitumstellung beschäftigen sich im Allgemeine mit gesundheitlichen Folgen, aber wie stark die wirklich ausgeprägt sind, ist immer noch nicht zweifelsfrei und eindeutig nachgewiesen.
Aber gehen wir mal davon aus, dass wir die Zeitumstellung abschaffen. Dann bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir benutzen das ganze Jahr über die “normale” Winterzeit oder wir bleiben beständig bei der “umgestellten” Sommerzeit. Und beide Varianten sind problematisch.
Dazu muss man sich ansehen, was die Zeitumstellung eigentlich macht. Beim englischen Wort für die Sommerzeit wird das klarer: “Daylight Saving Time”. Wir leben auf einem Planeten, wo man zu verschiedenen Zeiten im Jahr verschieden viel und verschieden lange Licht von der Sonne abbekommt (ich habe das hier ein wenig ausführlicher erklärt). In Europa sind die Nächte im Winter lang und der helle Tag ist kurz; im Sommer ist es umgekehrt. (Sehr viel) Früher war das relativ unkompliziert. Man stand auf, wenn es hell wurde und ging schlafen, wenn es dunkel war. Wenn das an unterschiedlichen Orten der Erde zu unterschiedlichen Zeiten stattfand und sich Nacht/Tag im Laufe eines Jahres veränderten, war das kein großes Problem. Heute ist unsere Gesellschaft aber eine ganz andere. Wir sind sehr viel stärker mit dem Rest der Welt verbunden. Und wir richten uns sehr viel stärker nach der Uhrzeit und nicht mehr nach der Realität der astronomischen Bedingungen. Wenn unser Arbeitstag um 8 Uhr beginnt, dann stehen wir (zum Beispiel) um 6.30 auf; egal ob es draußen hell ist oder nicht.
Wer am 10. März 2016 in Berlin um 6.30 MEZ aufgestanden ist, konnte das fast gleichzeitig mit dem Sonnenaufgang machen (der um 6:29 MEZ stattfand). Und wenn man seinen Arbeitstag dann um 18 Uhr MEZ beendet, war das ebenso fast gleichzeitig mit dem Sonnenuntergang der um 18:02 MEZ stattfand. Der helle Tag wurde also optimal genutzt. Stellen wir uns aber vor, wir würden die Zeitumstellung abschaffen und bei der Winterzeit bleiben. Am 10. März 2016 ändert das nichts, da gilt ja noch die Winterzeit. Aber schauen wir uns mal den 10. Juni 2016 an. Da würde die Sonne dann um 3:42 MEZ (nicht MESZ, die gibts ja nicht mehr) aufgehen. Bis wir uns dann um halb 7 aus dem Bett gequält haben, war es schon fast drei Stunden hell. Und wenn wir dann um 18 Uhr Feierabend machen, haben wir nur noch zweieinhalb Stunden Helligkeit bis zum Sonnenuntergang um 20:28 MEZ. Die drei hellen Stunden am Morgen verschlafen wir – und mit uns die meisten anderen Menschen sowieso (und diejenigen, die nicht schon um 6:30 aufstehen verschlafen noch viel mehr); am Abend könnten wir die Helligkeit dagegen viel besser brauchen. Nicht aus Energiespargründen; sondern einfach um ein bisschen mehr Zeit für Aktivitäten im Hellen zu haben. Was man eben so macht an lauen Sommerabenden 😉
Also: Lieber Sommerzeit das ganze Jahr über? Kann man auch machen, aber auch das führt zu Problemen. Diesmal wird der Winter ungemütlich. Am 21. Dezember 2016 würde die Sonne in Berlin dann zum Beispiel erst aufgehen, wenn die Uhr schon 9:15 zeigt. Untergehen würde sie trotzdem schon kurz vor fünf Uhr Nachmittags. Die dunklen Winterabende bleiben uns also nicht erspart; dafür handeln wir uns jetzt viel längere dunkle Wintermorgen ein.
Noch klarer wird es mit dieser schönen Grafik:
Dieses Bild zeigt, wann die Sonne auf und untergeht und zwar in Greenwich und für das Jahr 2007 (die verwendete Software sollte so ein Bild eigentlich auch für Mitteleuropa produzieren können, aber mein PC weigert sich, sie zu installieren). Violett zeigt Dunkelheit an; gelb den hellen Tag. Am ordentlichsten wäre es, wenn da einfach ein gelbes Rechteck zu sehen wäre. Dann würde die Sonne jeden Tag zur gleichen Zeit und zur gleichen Zeit untergehen und wir könnten unsere Uhrzeit entsprechend anpassen. Aber auf so einem ordentlichen Planeten leben wir eben nicht. Wir sehen einen schmalen gelben Bereich im Winter und einen dicken gelben Klumpen in der Mitte, wenn Sommer ist. Die weiße Linie oben zeigt an, wie die Zeit des Sonnenaufgangs sich im Lauf des Jahres verändert. Diese Linie ist geschwungen: Die Sonne geht im Sommer früher auf als im Winter.
Die Zeitumstellung ist der Versuch, die Uhrzeit des Sonnenaufgangs im Verlauf des Jahres so konstant zu halten, wie es praktischerweise möglich ist und gleichzeitig im Sommer mehr Tageslicht am Abend zur Verfügung zu haben. Deswegen hat man den dicken “Sommerklumpen” einfach um eine Stunde nach unten (bzw. zeitlich nach vorne) geschoben. Ideal ist das natürlich nicht; die Sonne geht auch mit der Zeitumstellung im Laufe eines Jahres zu unterschiedlichen Zeiten auf. Aber die Unterschiede sind nicht mehr so dramatisch, wie sie ansonsten wären.
Ich weiß, dass es genügend Gründe gibt, die Zeitumstellung zu kritisieren (und ich bin mir sicher, ich werde in den Kommentare alle zu hören bekommen 😉 ). Aber ohne Zeitumstellung ist es eben auch nicht optimal.
Meine Frage an diejenigen, die die Zeitumstellung abschaffen wollen lautet daher: Was soll stattdessen passieren? Und: Seid ihr euch sicher, dass das dann besser ist als der Status Quo? Wenn ja, warum?
Ansonsten bleibt mir nur noch zu sagen: Am 27. März 2016 ist nicht nur Ostersonntag. Um 2 Uhr werden die Uhren auf 3 Uhr vorgestellt. Vergesst das nicht, sonst kommt ihr nicht pünktlich zum Osterfrühstück 😉
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