In der Serie “Fragen zur Astronomie” geht es heute wieder mal um Teilchenphysik. An hypothetischen Partikeln herrscht in der Wissenschaft ja kein Mangel; in den Fachartikeln der Theoretikerinnen und Theoretiker existieren mehr Teilchen deren Existenz man vermutet als tatsächlich nachgewiesene Objekte. Zu den prominentesten Hypothesen gehört etwas, das man schon seit fast 100 Jahren sucht… Die heutige Frage beschäftigt sich damit und lautet: Was ist ein magnetischer Monopol?
Magnete kennen wir aus dem Alltag. Sie haben einen Nordpol und einen Südpol und jeder weiß, dass sich zwei unterschiedliche Pole eines Magneten anziehen; zwei gleich Pole dagegen abstoßen. Ein Magnet hat aber immer zwei unterschiedliche Pole. Es hilft auch nichts, wenn man ihn in der Mitte auseinander schneidet: Man bekommt so nur zwei kleinere Magnete mit wieder jeweils zwei unterschiedlichen Polen. Ein magnetischer Monopol wäre ein hypothetisches Objekt oder Teilchen, dass tatsächlich nur einen einzigen Pol hat; ein isolierter Nord- oder Südpol.
Das ist nicht so seltsam, wie es klingt. Bei der elektrischen Kraft ist das völlig normal. Hier gibt es elektrisch positive Ladungen und elektrisch negative Ladungen und beide können komplett getrennt voneinander existieren. Und Magnetismus ist ja auch nur eine andere Erscheinungsform der Elektrizität – nicht umsonst werden beide Kräfte schon seit dem 19. Jahrhundert zusammen als Elektromagnetismus beschrieben. Ein “elektrischer Monopol” wäre zum Beispiel das Elektron, ein Elementarteilchen das negativ geladen ist. Ein bewegtes Elektron erzeugt ein Magnetfeld. Und genau so würde ein bewegter magnetischer Monopol ein elektrisches Feld erzeugen. Ein magnetischer Monopol wäre für den Magnetismus das, was das Elektron für die Elektrizität ist. Wenn es ihn denn gäbe…
Dieses Symmetrie-Argument bildet auch den Ausgangspunkt der modernen Beschäftigung mit magnetischen Monopolen. Der bedeutende Physiker Paul Dirac hat sich in den 1930er Jahren Gedanken über die berühmten Maxwellschen Gleichungen gemacht. Sie beschreiben wie Elektrizität und Magnetismus sich zusammen verhalten und sie gehören zwar zu den ästhetisch schönsten mathematischen Gleichungen; sind aber trotzdem seltsam asymmetrisch. Man muss sie gar nicht im Detail verstehen können, um das zu erkennen. So sehen sie aus:
“E” gibt dabei die Stärke des elektrischen Feldes an, “B” die des magnetischen. Das Symbol ρe beschreibt die elektrischen Ladungen; je ist die elektrische Stromdichte. Betrachtet man die beiden Gleichungen in der erste Zeile, sieht man sofort den Unterschied. Aus der Mathematik übersetzt bedeuten sie: “Die elektrische Ladung ist eine Quelle des elektrischen Feldes” und “Es gibt keine Quellen des magnetischen Feldes”. Anders gesagt: Wäre eine elektrisch positive Ladung eine Quelle und eine elektrisch negative Ladung eine Senke im elektrischen Feld darstellt, gibt es das beim Magnetfeld nicht. Hier gibt es keine Quellen und Senken sondern nur geschlossene magnetischen Feldlinien und vor allem keine magnetischen Monopole. In den beiden Gleichungen der zweiten Zeile zeigt sich die gleiche Asymmetrie. Würde man nun die Existenz von magnetischen Monopolen zulassen, würden die Gleichungen so aussehen:
Sie sind jetzt völlig symmetrisch; neben elektrischen Ladungen und Stromdichten gibt es dank der Monopole auch magnetische Ladungen und Stromdichten. Dieses rein ästhetische Argument fand Dirac durchaus ansprechend; er hatte aber noch ein viel gewichtigeres physikalisches Argument um von der Existenz magnetischer Monopole auszugehen. Wir wissen, dass die elektrische Ladung nicht in beliebigen Größen vorkommen kann. Sondern nur als ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung. Das ist die kleinstmögliche frei existierende Ladungsmenge. Ein Elektron hat genau eine negative Elementarladung; ein Proton genau eine positive Elementarladung, und so weiter. Ein Teilchen kann zwei, drei oder 756 Elementarladungen haben. Aber nicht 13,76 oder 5,5. Warum das so ist, weiß man bis heute nicht. Dirac hatte allerdings eine Lösung.
Wenn es einen magnetischen Monopol gibt, dann muss sich ein Elektron auf einer spiralförmigen Bahn um ihn herum bewegen wenn es ihm begegnet. Dabei ändert sich der Drehimpuls des Elektrons. Wie stark die Änderung ist, hängt von der Stärke der magnetischen Elementarladung des Monopols ab. Aus der Quantenmechanik weiß man aber auch, dass sich der Drehimpuls nicht beliebig ändern kann, sondern nur in bestimmten – eben quantisierten – Schritten. Daraus folgt, dass auch die magnetische Ladung nur ganz bestimmte Werte annehmen darf, ansonsten wäre die quantisierte Änderung des Drehimpuls verletzt. Aber wenn magnetische Monopole nur bestimmte Werte für die magnetische Ladung haben können, dann muss das gleiche (wieder die Symmetrie der Maxwell-Gleichungen) auch für die elektrischen Ladungen gelten.
Es gibt also gute Gründe für die Existenz magnetischer Monopole. Mit der modernen Kosmologie sind noch ein paar weitere dazu gekommen. Die Theorien, die beschreiben wie sich die verschiedenen Grundkräfte des Universums in der Frühzeit des Kosmos verhalten haben, sagen die Existenz von Monopolen ebenfalls voraus. Bis jetzt allerdings hat noch niemand so einen Monopol auch nachgewiesen (Kurze Anmerkung: In der Festkörperphysik kann man Zustände erzeugen, bei denen sich Objekte so verhalten, als wären sie magnetische Monopole – das hat aber nichts mit den Monopolen zu tun, um die es hier geht).
Das kann viele Gründe haben. Die vorhergesagte Masse eines Monopols ist enorm groß; zumindest für ein Elementarteilchen. So enorm groß, dass es völlig illusorisch wäre darauf zu hoffen, ihn jemals in einem Teilchenbeschleuniger erzeugen und nachweisen zu können. Denn dort können ja nur Teilchen auftauchen, deren Masse geringer ist als die entsprechende Energie, die bei den Kollisionen im Beschleuniger frei wird. Aber selbst die Energien die momentan im größten Beschleuniger den wir haben – der LHC am CERN – möglich sind, sind knapp eine Billion mal zu gering dafür. Theoretisch können Monopole auch durch natürliche Prozesse im Kosmos erzeugt werden. Beim Urknall sollten jede Menge davon produziert werden. Die haben sich aber während der Expansionsphase überall verteilt und sind heute extrem dünn gesät. Schätzungen gehen davon aus, dass im ganzen Bereich des Sonnensystems vielleicht gerade mal um die 100 davon herumschwirren. Das macht ihren Nachweis mehr oder weniger unmöglich. Was die Wissenschaftler aber nicht davon abhält, es weiter zu probieren. In verschiedenen Experimenten wird nach den Monopolen gesucht; zum Beispiel bei MoEDAL (Monopole & Exotics Detector at the LHC) am Teilchenbeschleuniger LHC.
Es ist natürlich auch absolut möglich, dass es keine magnetischen Monopole gibt. Die besten theoretischen Vorhersagen und die schönsten Symmetrie-Argumente nutzen nichts, wenn die Realität nicht mitspielen möchte. Es spricht (noch) nichts dagegen, dass Monopole existieren. Es spricht (noch) einiges dafür, dass das so ist. Aber solange sich daran nichts ändert, kann man die Frage vom Anfang eigentlich nur so beantworten: Ein magnetischer Monopol ist ein hypothetisches Elementarteilchen, das vielleicht existiert, vielleicht aber auch nicht.
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