Am 19. Oktober 2016, kurz vor 17 Uhr MESZ sollte die Landeeinheit Schiaparelli im Rahmen der europäischen ExoMars-Mission auf unserem Nachbarplaneten landen. Zwei Tage später ist ziemlich klar: Diese Landung hat nicht so funktioniert wie man es sich gewünscht hat. Es besteht kein Kontakt mit Schiaparelli. Die letzten Signale empfing man kurz bevor die Sonde auf dem Mars aufsetzen sollte und seitdem herrscht Funkstille. Ist die Mission also ein großer Misserfolg? Nein, definitiv nicht!
Was Ziel und Aufgabe von ExoMars ist habe ich im März schon einmal ausführlich beschrieben. Im ersten Schritt wurde die Sonde ExoMars TGO zu unserem Nachbarplaneten geschicht. TGO steht für “Trace Gas Orbiter” und wie der Name schon sagt handelt es sich um eine Sonde, die den Mars umkreisen und die Gase in seiner Atmosphäre analysieren soll. Das hat wunderbar geklappt: TGO hat den Mars erreicht und ist am 19.10.2016 erfolgreich in eine Umlaufbahn eingeschwenkt. Jetzt kann TGO seine Mission beginnen und diese Mission ist faszinierend und wichtig. Ich zitiere nochmal, was ich damals geschrieben habe:
“Die Instrumente auf TGO werden die dünne Atmosphäre des Mars analysieren und vor allem nach Spuren von Methan suchen. Dass dieses Gas dort vorhanden ist, wissen wir schon aus früheren Missionen. Wir wissen allerdings nicht noch, woher es stammt. Methan, ein Molekül das aus Kohlenstoff und Wasserstoff besteht, wird durch den Einfluss der UV-Strahlung der Sonne in seine Bestandteile aufgespalten. Ein typisches Methan-Molekül auf dem Mars überlebt 300 bis 600 Jahre. Der Mars selbst existiert schon seit 4,5 Milliarden Jahren. Das Methan das es dort gibt, kann also nicht von Anfang an da gewesen sein, sondern muss regelmäßig neu produziert werden.
Eine genau Untersuchung des Methans auf dem Mars kann uns also entweder zeigen, ob dort Leben existiert oder uns mehr über die unterirdische hydrothermale Aktivität verraten. Beides ist interessant; obwohl vermutlich die meisten die Entdeckung von Leben interessanter finden werden. Und tatsächlich gibt es sogar Möglichkeiten, zwischen einem biologischen und einem geologischen Ursprung zu unterscheiden. Dazu muss man sich die Isotope ansehen, aus denen das Methan besteht.”
Genau das wird TGO machen und ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse die wir in der Zukunft zu sehen bekommen.
Aber was ist nun mit Schiaparelli? Der volle und offizielle Name dieses Dings lautet “Entry, Descent & Landing Demonstrator Module (EDM)” und auch hier sagt der Name, was seine Aufgabe ist: Die Technik zu demonstrieren und zu erforschen die nötig ist, um in die Atmosphäre des Mars einzutreten, sich in ihr zum Marsboden zu bewegen und dort zu landen. Eine konkrete wissenschaftliche Aufgabe hat das EDM nicht; es waren zwar ein paar Instrumente an Bord, aber die hätten keine wesentlich neuen Erkenntnisse liefern können. Es ging darum herauszufinden, welche Technik nötig ist, um auf dem Mars zu landen.
Und das will man deswegen herausfinden, weil im Jahr 2018 der nächste Teil des ExoMars-Projekts folgen soll: Der ExoMars Rover, der dann wirklich wichtige, neue und wissenschaftliche Daten auf der Marsoberfläche sammeln soll. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA hat allerdings noch nie etwas auf die Oberfläche des Mars geschickt und es ist nur verständlich, dass man so etwas zuerst einmal probiert und nicht gleich einen teuren und fertigen Mars-Rover auf gut Glück zu unserem Nachbarplaneten schickt!
Die ESA weiß sehr gut, dass es verdammt schwer ist auf dem Mars zu landen. Das hat bis jetzt nur die NASA geschafft und von allen solchen Missionen zum Mars sind circa die Hälfte gescheitert. Das liegt unter anderem daran, dass der Mars zwar eine Atmosphäre hat, auf die man bei der Landung Rücksicht nehmen muss und die zum Bremsen der Landeeinheiten benutzt werden kann; diese Atmosphäre aber auch enorm dünn ist und solche Vorhaben daher schwierig macht. Aber es liegt natürlich auch daran, dass es generell keine leichte Aufgabe ist, etwas auf die Oberfläche eines anderen Planeten zu befördern!
Gute Gründe also, sich die Sache mit der Landung bei einer Probe erstmal in Ruhe anzusehen. Genau das hat man mit Schiaparelli getan und genau das hat eigentlich auch funktioniert. Die ESA hat alle Daten gesammelt die während des Abstiegs aufgezeichnet worden sind. ESA Direktor David Parker sagt dazu:
“In terms of the Schiaparelli test module, we have data coming back that allow us to fully understand the steps that did occur, and why the soft landing did not occur.”
Man hat also alle Daten um zu verstehen, was während der Landung passiert ist und warum die sanfte Landung nicht stattgefunden hat. Und genau das war es, was man verstehen wollte. Klar, es wäre super gewesen, wenn die sanfte Landung gleich beim ersten Mal geklappt hätte. Aber Proben sind eben zum proben da und beim erproben klappt eben nicht immer alles. Sonst müsste man ja auch nicht proben sonder wüsste schon wie es geht!
Die Ziele des ersten Schritts von ExoMars wurden also erfüllt; man hat TGO erfolgreich in eine Umlaufbahn gebracht und herausgefunden, wie sich die ESA-Technik während einer Landung verhält. Ich würde den bisherigen Verlauf der Mission also definitiv als “erfolgreich” bezeichnen. Andere tun das allerdings nicht. Patrick Illinger schreibt beispielsweise in der Süddeutschen Zeitung einen ziemlich unfreundlichen Artikel über die Mission; spricht von “Verarsche” der ESA und einem “Fehlschlag”. Und das hier:
“Die mit viel Bohei angekündigte Landung von “Schiaparelli” ist fehlgeschlagen. Warum kann die Esa das nicht zugeben? Sie täte gut daran, aufregendere Ziele ins Visier zu nehmen.”
Wichtig ist hier vor allem das Wort “aufregend”. Es zeigt ein Dilemma, das bei der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit immer wieder auftaucht. Wissenschaft muss (zumindest für manche und für viele Medien) immer “aufregend” sein, damit es sich lohnt darüber zu berichten oder sich damit zu beschäftigen. Nur herrscht Unklarheit darüber, was “aufregend” ist. Ich zum Beispiel finde TGOs Mission enorm aufregend! Wir können endlich einen weiteren Schritt hin zur Antwort auf eine sehr alte, sehr faszinierende und ja, auch sehr aufregende Frage gehen: Gibt oder gab es Leben auf dem Mars! Das IST aufregend; aber es ist eben auf Forschung bei der es “nur” darum geht, das irgendein Satellit um den Mars kreist und Spektren seiner Atmosphäre aufnimmt. Um den Zusammenhang zwischen dem Satelliten, den Messmethoden, der Atmosphäre, dem Methan, dem Leben und die dem ganzen innewohnende Faszination und beeindruckende technische Leistung zu verstehen, muss man ein wenig erklären und ein wenig nachdenken.
Ein Ding das auf einem anderen Planeten landet hat dagegen sofort mediales (und öffentliches) Faszinationspotential. Ich will gar nicht erst darüber spekulieren, welche psychologische/soziologischen Gründe dafür verantwortlich sind. Vielleicht hat es etwas mit der Tatsache zu tun, dass wir Menschen einen Ort erst so dann wirklich anerkennen, wenn wir dort waren; auch wenn das “wir” in diesem Fall nur ein Roboter ist. Selbst wenn Schiaparelli nichts anderes getan hätte als auf dem Mars zu landen wäre ihm vermutlich viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden als der ganz konkreten wissenschaftlichen Arbeit von TGO. Das zeigt sich auch in einem weiteren Zitat aus dem Artikel:
“Die kürzlich zu Ende gegangene Mission Rosetta zu einem Kometen war nur ein Teilerfolg, weil auch dort die Landung nicht planmäßig klappte. “
Hier wird wieder der eigentliche Zweck der Mission ignoriert: Der Flug und die jahrelange Begleitung eines Kometen und seine Untersuchung aus nächster Nähe. Die Landung der Einheit Philae war nur ein Bonus von dem niemand wusste, ob sie klappen wird oder nicht (weil man so etwas eben das erste Mal tat und vorher nicht proben konnte). Sie hat allerdings geklappt; Philae IST gelandet und Philae HAT fast alle vorgesehenen wissenschaftlichen Daten gesammelt. Das Philae bei einem absolut optimalen Verlauf der Landung noch mehr und noch länger Daten sammeln hätte können: Ja klar, das wäre super gewesen. Aber das was man sich von der Rosetta-Mission erhofft hatte, hat die Rosetta-Mission geliefert! Aber das sind eben vor allem wissenschaftliche Daten die nicht so leicht zugänglich und kommunizierbar sind wie die simple und eindeutige Tatsache der Landung von einem Dingens auf einem anderen Himmelskörper.
Raumfahrt ist mehr als nur der Versuch der Menschen, Dinge von der Erde auf andere Himmelskörper zu transportieren! Astronomie ist mehr als das Fotografieren eines Bodens der nicht auf unserer Erde liegt! Und wenn es auch selbstverständlich sehr spektakulär ist, wenn wir Sonden auf anderen Planeten, Kometen, Asteroiden oder Monden landen können – es ist bei weitem nicht die einzige spektakuläre Leistung die die moderne Wissenschaft zu erbringen imstande ist!
Ich weiß nicht, ob man in diesem Fall die Schuld bei einer mangelnden oder nicht ausreichenden Öffentlichkeitsarbeit der ESA suchen muss oder in der Ignoranz mancher Wissenschaftsjournalisten. So oder so: ExoMars und die ESA haben für die Ereignisse der letzten Tage die Bezeichnung “Misserfolg” definitiv nicht verdient. Es war der erste Schritt eines großen wissenschaftlichen Abenteuers von dem wir in den nächsten Jahren noch viele faszinierende Geschichten hören werden!
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