Astronomen aus den USA und Korea haben einen extrasolaren Planeten entdeckt. Das ist mittlerweile eigentlich längst keine Neuigkeit mehr (und das allein ist eigentlich schon höchst bemerkenswert!). Planeten bei anderen Sternen werden heute fast täglich gefunden und nur die ganz besonderen Exemplare schaffen es in die Nachrichten. Meistens sind es die “zweiten Erden” die aber keine zweiten Erden sind. Nun, bei dem Planeten um den es hier geht hat von Anfang an niemand behauptet, es könnte eine “zweite Erde” sein. Interessant ist die Entdeckung aber trotzdem.
Der Himmelskörper trägt den Namen OGLE-2016-BLG-1195Lb und wer sich ein wenig mit extrasolaren Planeten auskennt, dem wird die Bezeichnung “OGLE” auffallen. Das steht für “Optical Gravitational Lensing Experiment” und ist eine Beobachtungskampagne die sich auf den “Mikrogravitationslinseneffekt” konzentriert. Was das ist habe ich hier ausführlich erklärt. Kurz gesagt: Massive Objekte wie Sterne krümmen den Raum und Licht folgt der Krümmung. Licht das sich an einem Stern vorbei bewegt kann abgelenkt werden und der Stern kann wie eine optische Linse wirken. Nur ist es hier eben eine “Gravitationslinse” und die kann Sternenlicht kurzfristig verstärken. Handelt es sich um das Licht eines Sterns, der von einem Planeten umkreist wird, dann gibt das einen ganz charakteristischen Helligkeitszuwachs der Rückschlüsse auf die Existenz und die Eigenschaften zulässt.
56 Planeten wurden bisher mit dieser Methode entdeckt; bei weitem nicht so viele wie mit den anderen Detektionsmethoden. Aber mit “microlensing” kann man auch Planeten entdecken, die sehr weit entfernt sind. Mit den klassischen Methoden kann man Planeten detektieren, die sich ein paar hundert Lichtjahre weit von der entfernt befinden. OGLE-2016-BLG-1195Lb dagegen ist ganze 13.000 Lichtjahre weit weg! Das ist beeindruckend; vor allem auch weil der Planet selbst nur ungefähr so schwer ist wie unsere Erde. Damit ist er der kleinste Planet der bis heute mit der Gravitationslinsenmethode entdeckt worden ist.
Der Abstand des Planeten von seinem Stern beträgt ungefähr 150 Millionen Kilometer was dem Abstand zwischen Erde und Sonne entspricht. Wir haben also einen Planeten von der Masse der Erde der seinen Stern im gleichen Abstand wie unsere Erde umkreist. Dass es sich dabei aber trotzdem und ganz definitiv nicht um eine “zweite Erde” handeln kann zeigt ein Blick auf die Daten des Sterns. Dessen Masse beträgt nur das 0,08fache der Sonnenmasse bzw. das 81fache der Jupitermasse. Innerhalb der Fehlergrenzen der Messung lässt sich bei dieser geringen Masse nicht einmal sicher sagen, ob es sich tatsächlich um einen Stern handelt oder eher um einen braunen Zwerg. Der Himmelskörper liegt genau an der Grenze dessen was nötig ist, um in seinem Inneren Wasserstoff zu Helium zu fusionieren. Schafft er das, nennen wir ihn “Stern” und in diesem Fall einen “roten Zwerg”. Schafft er es nicht, dann ist er “brauner Zwerg”, der zwar genug Masse hat um das Wasserstoffisotop Deuterium zu fusionieren aber auch das nur für astronomisch kurze Zeiträume.
So oder so: Der Himmelskörper den der Planet umkreist ist sehr kühl. Es ist ein “ultrakühler Zwerg” und in 150 Millionen Kilometer Entfernung kriegt der Planet kaum was von seiner Energie ab. Der neu entdeckte Planet ist kälter als der ferne Pluto in unserem Sonnensystem. OGLE-2016-BLG-1195Lb ist ein gefrorener Ball aus Eis der ein dürftig leuchtenden Zwergstern/braunen Zwerg umkreist. Das ist interessant, denn es zeigt uns ein weiteres Mal wie vielfältig die Welt der Exoplaneten sein kann. Es ist jetzt aber auch nicht wieder sooo interessant das man unbedingt einen langen Blogartikel darüber schreiben muss.
Wirklich interessant ist an der ganzen Sache ein Detail das die Astronomen ganz am Ende ihres Fachartikels (“An Earth-mass Planet in a 1-AU Orbit around an Ultracool Dwarf”) erwähnen. Sie stellen fest, dass alle bisher per microlensing entdeckten Planeten in der galaktischen Scheibe gefunden worden sind. Unsere Milchstraßengalaxie ähnelt ja in erster Näherung einer ungefähr 100.000 Lichtjahre durchmessenden und 3000 Lichtjahre dicken Scheiben in deren Zentrum eine etwa 16.000 Lichtjahre durchmessende “Kugel” sitzt, der sogenannte Bulge. In der Scheibe, in der sich auch die Sonne befindet, sind die Abstände zwischen den Sternen groß, im zentralen Bulge sind die Sterne dichter gepackt.
Warum ist das interessant: Mit den anderen Detektionsmethoden kann man sowieso keine Planeten im Bulge entdecken; mit ihnen kann man nur unsere galaktische Nachbarschaft in der Scheibe untersuchen. Die Gravitationslinsenmethode sollte aber auch für den Bulge funktionieren und wenn dort besonders viele Sterne sind: Umso besser. Dann steigt auch die Chance, dass das Licht eines Sterns durch die Gravitation eines anderen Sterns an dem es vorbei läuft abgelenkt wird. Man kann nun anhand der Sensitivität der Instrumente, der beobachteten Himmelsregionen, der Beobachtungszeit, der eingesetzten (Weltraum)Teleskope, und so weiter abschätzen, wie viele Planeten man in Scheibe und Bulge bisher entdeckt haben sollte. Wenn Planeten in Bulge und Scheibe gleich häufig sind, dann sollten ein Drittel der Entdeckungen im Bulge stattfinden. Dort hat man bisher aber gar nix gefunden was darauf hindeutet, dass Planeten dort deutlich seltener sind als in der Scheibe.
Das käme nicht unerwartet denn wenn Sterne dichter beieinander stehen, dann können sie sich gegenseitig auch stärker durch ihre Gravitationskraft beeinflussen. Das könnte dazu führen das nicht genau Staub und Gas in den Scheiben um die jungen Sterne bleibt (weil ein Teil davon durch die Störungen ins All geschleudert wird) um daraus Planeten entstehen zu lassen. Oder das Planeten, wenn sie entstehen, durch die Störungen aus ihren Systemen und aus dem Bulge geworfen werden. Noch haben wir nicht genug Planeten mit der Gravitationslinsenmethode entdeckt um eine wirklich gute Statistik zu haben. Aber das könnte sich mit den Weltraumteleskopen der Zukunft (zum Beispiel WFIRST) ändern. Und dann wäre es äußerst interessant diese Hypothese durch konkrete Beobachtungen zu bestätigen.
Die zentrale Region unserer Milchstraße ist eine sehr schwer zugängliche Gegend; eine Gegend in der ganz andere Bedingungen herrschen als in den beschaulich ruhigen Außenbezirken in denen sich unsere Sonne bewegt. Wenn man mich bei Interviews fragt, was im Universum ich gerne mal mit eigenen Augen aus der Nähe sehen möchte, dann lautet meine Antwort meistens: Das galaktische Zentrum! Ich möchte auf einem Planeten im Bulge stehen und dort zu einem Nachthimmel hinaufsehen, an dem die Sterne dicht an dicht stehen. Wo die Nacht durch das Sternenlicht fast ebenso hell ist wie der Tag, wo die Sterne keine flackernden Punkte sind sondern bunte, große Sphären. Das würde ich gerne mit eigenen Augen sehen. Aber wer weiß, ob es überhaupt Planeten gibt auf denen man so einen Anblick genießen könnte…
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