Man könnte oft das Gefühl kriegen dass wir schon alles gesehen haben was es im Sonnensystem zu sehen gibt. Immerhin waren wir vor zwei Jahren ja endlich beim Pluto und haben diesen letzten weißen Fleck auf der Karte des Sonnensystems gefüllt. Was soll da noch groß kommen?. Nun – nur weil wir manches schon gesehen haben heißt das nicht, dass man nicht noch genauer hinschauen kann. Auf Uranus und Neptun zum Beispiel!
Diese beiden Planeten sind irgendwie die Stiefkinder unter den Planeten. Sie sind da, sie sind beide irgendwie bläulich und das war es dann auch schon wieder was man im Allgemeinen über sie weiß (wenn man aus dem englischsprachigen Raum kommt, dann kennt man vielleicht noch ein paar kindische Witze über Uranus). Und weil man so wenig weiß findet man sie auch nicht so interessant. Aber man weiß nicht deswegen so wenig über sie weil es so wenig zu wissen gibt sondern weil wir noch so gut wie gar nicht nachgesehen haben was es da zu entdecken gibt!
Ich habe früher schon ein wenig ausführlicher erzählt warum Uranus und Neptun äußerst interessant sind. Und es längst an der Zeit wäre, uns ein wenig näher mit den beiden Himmelskörpern zu beschäftigen. 1986 und 1989 ist die Raumsonde Voyager 2 kurz an ihnen vorbei geflogen und das war der erste und einzige Besuch den die Planeten von der Erde bekommen haben.
Das ist unbefriedigend! Denn diese beiden Himmelskörper sind nicht nur langweilige blau/grüne Kugeln! Es gibt da noch so viel zu wissen: Zum Beispiel wie die Dinger überhaupt aufgebaut sind! Uranus und Neptun gehören zu einer ganz anderen Klasse von Himmelskörpern die sich von den Gasriesen Jupiter und Saturn ebenso unterscheidet wie von den erdähnlichen Planeten des inneren Sonnensystems. Uranus und Neptun sind “Eisriesen”, entstanden in den kalten äußeren Regionen des Sonnensystems wo neben Staub auch jede Menge Eisteilchen als Planetenbaumaterial zur Verfügung stand. So weit entfernt gab es weniger Kollisionen zwischen diesen Teilchen und die Planeten wuchsen nicht so schnell und wurden nicht so groß wie Jupiter und Saturn. Die wurden Gasriesen; mit gewaltigen Schichten aus Wasserstoff und anderen Gasen und darunter ist vermutlich nirgendwo mehr ein fester Kern sondern nur Wasserstoff in komischen Zuständen. Aber wie Uranus und Neptun aufgebaut sind, wissen wir nicht.
Auch dort ist (vielleicht) irgendwo drin ein Gesteinskern. Auch dort ist außenrum eine Atmosphärenschicht aus Wasserstoff. Aber dazwischen könnte Wassereis, Ammoniakeis, oder Methaneis sein. Dort könnte es sogar flüssiges Wasser geben, einen unterirdischen Ozean. Und erst die Monde! 27 Monde kennen wir bei Uranus, 14 bei Neptun. Und abgesehen davon dass sie da sind haben wir kaum detaillierte Informationen. Wir wissen das der Neptunmond Triton Eisvulkanismus zeigt. Der Uranusmond Miranda hat 20km hohe Steilwände und wir wissen nicht warum. Beide Planeten haben Ringsysteme.
Dann sind da noch die Exoplaneten: Bei uns sind die Eisriesen ganz am Rand des Sonnensystems. Anderswo haben wir “Hot Neptunes” entdeckt; also Himmelskörper so wie Neptun nur ganz nah an ihrem Stern. Was passiert mit einem Eisriesen wenn er “auftaut”? Wie ändern sich die Bedingungen dort? Was passiert wenn die dicke Atmosphäre evaporiert und was bleibt übrig? Ein riesiger Wasserplanet? Wie ist der Zusammenhang zwischen Eisriesen und Supererden? Solange wir nicht beiden Eisriesen verstehen die direkt vor unserer Haustür liegen haben wir wenig Chancen die Exoplaneten zu verstehen. Und so weiter – dort gäbe es so viel zu entdecken, wenn wir denn dorthin fliegen würden.
Und vielleicht passiert das jetzt endlich. Bzw “jetzt”, denn das was die NASA kürzlich bekannt gegeben hat ist vorerst nur recht vage. Im nächsten Jahrzehnt möchte man sich eventuell der Erforschung der Eisriesen zuwenden. Dazu hat man jetzt vorläufige Studien gemacht und mal ein wenig nachgeschaut, welche Missionen man machen könnte. Entweder Neptun oder Uranus soll besucht werden. Und dann muss man sich entscheiden ob man der Raumsonde eine kleine Einheit mitgibt die direkt in die Atmosphäre fliegen kann oder nur in einer Umlaufbahn bleibt, dafür aber mehr andere wissenschaftliche Instrumente einpackt. Uranus ist wegen seiner geringeren Distanz leichter zu erreichen; aber einen relevanten Unterschied in der Flugdauer kriegt man auch nur wenn man auf eine Umrundung verzichtet und nur eine Fly-By-Mission daraus macht. Dann würde man 10 Jahre bis dorthin brauchen; ansonsten sind es 12 bis 13 Jahre (für Uranus oder Neptun).
Aber wie gesagt: Das alles ist noch enorm vage. Es gibt nur vorläufige Überlegungen und keine konkrete Verpflichtung. Und solange eine Raumsonde nicht tatsächlich im All schwebt kann so viel passieren das man sich nicht zu viele Hoffnungen machen sollte.
Ein wenig freuen kann man sich aber. Früher oder später werden wir den beiden Eisriesen sicherlich ein Besuch abstatten. Aber früher wäre besser: Wenn man keine großen Umwege fliegen will muss man eine günstige Planetenstellung ausnutzen. Neptun ließe sich 2029 und 2030 am besten erreichen; bei Uranus liegt das Startfenster zwischen 2030 und 2034. Wenn wir diesen Termin verpassen, dann müssen wir bis 2041 warten bevor man wieder günstig zu den Eisriesen fliegen kann. Es bleibt also zu hoffen, dass die NASA (oder ja vielleicht auch eine andere Raumfahrtagentur) sich für die nächstmögliche Gelegenheit entscheidet. Uranus und Neptun haben es verdient von uns erforscht zu werden!
P.S. Wer Lust auf ALLE Details hat, kann sich hier die pdf-Datei des Reports runterladen mit fast 600 Seiten Missionsplanung (die kurze Zusammenfassung gibts hier).
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