Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 242: Der Kohlenstoffzyklus
Kohlenstoffzyklus. Das klingt tendenziell schon ein wenig langweilig. Und irgendwie nicht nach Astronomie. Der Kohlenstoffzyklus ist aber ganz und gar nicht langweilig. Im Gegenteil, er ist von fundamentaler Bedeutung für uns Menschen. Und auch für die Astronomie. Denn der Kohlenstoffzyklus ist eines der vielen Phänomene die unseren Planeten zu dem machen was er ist. Ohne ihn wäre die Erde nicht der lebensfreundliche Ort den wir kennen. Ohne Kohlenstoff gäbe es auch kein Leben: Der menschliche Körper besteht immerhin zu mehr als 10 Prozent aus diesem Element während die Häufigkeit von Kohlenstoff im gesamten Universum nur bei 0,008 Prozent liegt. Wir sind deswegen lebendig weil wir uns den Kohlenstoffkreislauf zu Nutze gemacht haben. Und durch unsere Aktivitäten sind wir gerade dabei, den natürlichen Kohlenstoffzyklus gewaltig durcheinander zu bringen.
Der Kohlenstoffzyklus beschreibt, kurz gesagt, was mit dem Kohlenstoff auf der Erde passiert. Und das ist jede Menge! Dieses Element taucht in der Atmosphäre der Erde auf, man findet es im Wasser, im Boden, im Gestein des Planeten und überall in allen Lebewesen. Und überall wo es auftaucht erledigt es jede Menge Rollen. Es wird in chemische Verbindungen eingebaut oder herausgelöst. Es wird ein- oder ausgeatmet und für verschiedenste biologische Vorgänge gebraucht. Es wird für Millionen Jahre gespeichert; es ist aber genau so an viel kürzeren Zyklen beteiligt.
Kurz gesagt: Der Kohlenstoffzyklus ist ein enorm komplexes Ding und es braucht ein wenig Zeit, die ganze Sache aufzudröseln. Fangen wir mal damit an nachzusehen wie viel Kohlenstoff in den verschiedenen Regionen der Erde zu finden ist.
Zum Beispiel in der Atmosphäre der Erde. Dort finden wir dezeit ungefähr 830 Gigatonnen Kohlenstoff. Das klingt viel, dass ist auch viel – aber es ist wenig wenn man es mit der gesamten Menge an Kohlenstoff vergleicht die wir auf der Erde haben. Denn das sind ungefähr 75 Millionen Gigatonnen und in der Atmosphäre sind nur 0,001 Prozent davon. In der sogenannten “Hydrosphäre” der Erde, also der Gesamtheit aller Seen, Flüsse, Ozeane, Polkappen, Gletscher und überall sonst wo Wasser vorhanden ist, finden wir 38.000 Gigatonnen Kohlenstoff, also ein wenig mehr als in der Atmosphäre aber immer noch nicht viel verglichen mit der insgesamt vorhandenen Menge. Wenn wir wirklich große Mengen an Kohlenstoff sehen wollen, müssen wir zur Lithosphäre schauen, also die Gesteinsschichten der Erdkruste. Dort finden wir 99,95 Prozent des gesamten Kohlenstoffs der dort in verschiedenen Gesteinen gebunden ist, als Kohle, Erdgas, Erdöl oder anderen fossilen organischen Stoffen gespeichert wird oder als sogenanntes Gashydrat vorliegt. So bezeichnet man Gas, das in einer Art Käfig aus Molekülen eingeschlossen ist und den Kohlenstoff findet man dort hauptsächlich als Methan gebunden. Dann gibt es noch die “Pedosphäre” was eigentlich nichts anderes ist als das wissenschaftliche Wort für “Boden”. Der Kohlenstoff steckt dort im Permafrostboden und davon immerhin mehr als 3000 Gigatonnen. Und schließlich ist da noch die “Biosphäre”, also die Gesamtheit der Lebwesen. Der Kohlenstoff steckt überall in ihnen: In den Skeletten und den Chitinhüllen der Insekten, in den Blättern und dem Holz der Pflanzen und dem Fleisch der Lebwesen; inklusive uns Menschen. Insgesamt gibt es in der Biosphäre ungefähr so viel Kohlenstoff wie in der Atmosphäre, also etwa 830 Gigatonnen.
Jede Menge Kohlenstoff also – der aber natürlich nicht dort bleibt wo er ist. Immerhin ist es ja ein Zyklus und wenn man wissen will wie der aussieht muss man wissen, was für Vorgänge in den verschiedenen Bereichen ablaufen.
In der Atmosphäre hat der Kohlenstoff noch keinen großen Stress. Er taucht dort hauptsächlich als Kohlenstoffdioxid auf und dieses Treibhausgas ist schwerer als Luft. Sich selbst überlassen würde es also einfach zu Boden sinken und dort rumliegen. Das passiert aber nicht weil es in der Atmosphäre jede Menge Bewegung gibt; Wind zum Beispiel der das CO2 überall in der Atmosphäre hintransportiert. Das ist wichtig, denn dadurch können in den restlichen Bereichen jede Menge spannende Sachen mit dem Kohlenstoff passieren.
Zum Beispiel den Gewässern: Dort kann sich Kohlendioxid lösen und eingelagert werden, was auch passiert. Aber es bleibt dort natürlich nicht ewig. Wer schon mal ein Glas Sprudelwasser lange genug stehen gelassen hat wird festgestellt haben das es nach einiger Zeit gar nicht mehr sprudelt: Das ganze dort gelöste CO2 hat sich wieder in die Atmosphäre verflüchtigt. Im Wesentlichen herrscht also ein Gleichgewicht: Kohlendioxid geht rein ins Wasser; Kohlendioxid geht wieder raus. Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht, denn Meeresströmungen können Kohlenstoff auch tief hinab ins Meer transportieren wo er länger braucht bis er wieder nach oben kommt. Kohlenstoff ist aber ja auch in allen Lebewesen vorhanden, auch denen die im Meer leben. Wenn die sterben, sinken sie ebenfalls hinab auf den Meeresboden und mit ihnen der ganze Kohlenstoff in ihren Körpern. Dort können sich diese im Laufe der Zeit gebildeten Sedimente im Laufe einer noch längeren Zeit verfestigen und zu Kalkstein werden. Oder die organischen Stoffe werden zu Erdöl und Erdgas. Das kohlenstoffhaltige Gestein wird durch die Plattentektonik ins Innere der Erde transportiert, löst sich im Magma auf und das so wieder freiwerdende Kohlendioxid kann irgendwann später über Vulkane wieder an die Oberfläche gelangen.
Den gesamten Kohlenstoffzyklus kann man in langfristige und kurzfristige Zyklen aufteilen. Ein langfristiger Zyklus sieht zum Beispiel so aus. Wir fangen an mit Gestein das Kohlenstoff enthält. Kalkstein zum Beispiel oder Silikatgestein. Steine sind zwar tendenziell recht hart, aber mit genügend Ausdauer kriegt man auch den härtesten Stein klein. Man muss nur ein paar hunderttausend Jahre einen Gletscher drüber laufen lassen, oder lässt Wasser fließen. Auch Wind der lange genug weht kann zu Erosion führen; ebenso wie Wasser das in irgendwelche Ritzen eindringt, gefriert, sich ausdehnt und dabei das Gestein sprengt. Am Ende hat man jede Menge Gesteinskrümel die von Flüssen irgendwo hin transportiert werden, sich dort ablagern und Sedimentgestein bilden. Das kann durch Plattentektonik ins Innere der Erde transportiert werden, wird dort aufgeschmolzen und der Kohlenstoff kommt als Kohlendioxid über die Vulkane wieder in die Atmosphäre. Jetzt kann Gestein aber auch auf chemische Weise verwittern. Dazu braucht es Wasser und Kohlendioxid, das aus der Atmosphäre entzogen wird. Dabei entstehen sogenannte Hydrogencarbonate, die wasserlöslich sind und jetzt ist der Kohlenstoff wieder in der Hydrosphäre gelandet. Wenn da genug drin ist, fällt aus dem Wasser Calcit aus und Kohlendioxid wird wieder frei. Das kann jetzt wieder über Sedimentation Teil des Gesteins werden oder von Lebewesen für deren Skelette, Schalen und Gehäuse verwendet werden. Die sterben irgendwann, bilden ebenfalls Sedimente, daraus entsteht Kalkstein, der durch die Plattentektonik ins Innere der Erde gelangt oder aber durch Erdbeben und ähnliches direkt an die Oberfläche wo er wieder anfangen kann zu verwittern.
Ein ziemlich komplexer Kreislauf also – aber nicht der einzige. Ich habe vorhin kurz das Erdöl, das Erdgas und andere fossile Stoffe erwähnt. Die sind ja auch nur deswegen entstanden, weil organisches Material – das natürlich Kohlenstoff enthält – unter bestimmten Bedingungen nicht vollständig abgebaut wird. Es bleibt dann irgendwo unterirdisch liegen und wird zu Erdöl oder Kohle. Erdöl und Kohle können dann durch Bakterien abgebaut werden wobei Kohlendioxid frei wird. Auch das ist ein sehr langfristiger Kreislauf; der Großteil des Erdöls ist mehr als eine halbe Milliarde Jahre alt und die Kohle entstand vor mehr als 300 Millionen Jahren.
Es gibt aber natürlich auch viel kurzfristigere Kreisläufe; die Photosynthese der Pflanzen zum Beispiel. Sie atmen quasi Kohlendioxid ein, nutzen das gemeinsam mit der Energie der Sonne um organisches Material aufzubauen bis sie irgendwann sterben, verrotten und das CO2 wieder frei wird. Dieser Vorgäng erzeugt einen Zyklus der sich an den Jahreszeiten der Erde orientiert: Die Nordhalbkugel unseres Planeten weist deutlich mehr Land auf als die südliche Hälfte; es gibt dort also auch mehr Pflanzen und die können im Nordhalbkugelfrühling mehr CO2 einatmen als die Pflanzen im Süden ein halbes Jahr später. Im Nordhalbkugelherbst wird das CO2 dann wieder freigesetzt – und das erzeugt die jährliche Variation.
Das war jetzt nur ein sehr kurzer Überblick über einen enorm komplexen Zyklus. Ich habe bei weitem nicht alle Prozesse vorgestellt und nicht alle möglichen Unterzyklen erläutert. Aber es sollte auf jeden Fall klar sein, dass der Kohlenstoffzyklus wichtig für unseren Planeten ist. Solange wir Menschen nicht in diesen Zyklus eingegriffen haben war alles mehr oder weniger in Ordnung. Es hatte sich ein Gleichgewicht eingestellt, es verschwand genau so viel Kohlenstoff in den Senken des Zyklus wie in den Quellen freigesetzt wurde. Ganz langfristig betrachtet gab es natürlich schon Schwankungen; wenn zum Beispiel extreme Vulkanausbrüche auf einen Schlag mehr Kohlendioxid frei setzen oder der langsame Zyklus der Plattentektonik das Gleichgewicht im Laufe der Jahrmillionen verschiebt (ein Phänomen über das ich in Folge 81 der Sternengeschichten ausführlich gesprochen habe). Wir Menschen haben aber in den letzten paar hundert Jahren massiv in diesen Zyklus eingegriffen. Wir haben Unmengen an in der Lithosphäre gespeicherten Kohlenstoff in Form von Kohle, Erdöl oder Erdgas an die Oberfläche geholt und als Kohlendioxid in die Atmosphäre gepustet. Wir haben Wälder niedergeholzt und so Kohlenstoffsenken entfernt. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen: Das Treibhausgas Kohlendioxid erhöht die Temperatur unseres Planeten, wie ich ja gerade erst in der letzten Folge der Sternengeschichten erzählt habe. Das CO2 wird vermehrt in den Ozeanen gelöst. Es bildet sich Kohlensäure und macht das Wasser sauer. Das macht es aber schwieriger für Lebewesen den Kohlenstoff für ihre Skelette und Schalen zu verwenden.
Vor der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts betrug die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre 280 ppm, also 280 Teilchen pro Millionen Luftmoleküle. Heute liegt der Wert bei über 400 ppm. So hoch war die Konzentration seit ein paar Millionen Jahren nicht mehr! In noch nicht einmal 200 Jahren haben wir die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre massiv erhöht. Wir haben das delikate Gleichgewicht des Kohlenstoffzyklus gestört und müssen uns jetzt als Resulat mit einem immer dramatischer werdenen Klimawandel auseinandersetzen…
Die Astronomen sind seit Jahrzehnten auf der Suche nach einer zweiten Erde; einem Planeten auf dem die gleichen lebensfreundlichen Bedingungen herrschen wie bei uns. Der Kohlenstoffzyklus zeigt, wie viel passieren muss, damit es diese Bedingungen geben kann. Es braucht nicht einfach nur einen Planeten mit der richtigen Größe und der richtigen Masse im richtigen Abstand zu seinem Stern. Er muss auch die richtige Atmosphäre haben, die richtigen Ozeane, die richtige Art von Plattentektonik und Vulkanismus, und so weiter. Wir haben derzeit keine Ahnung, wie schwer so etwas anderswo im Universum zu finden sein wird. Aber wir sehen mittlerweile leider sehr gut wie schnell man all diese richtigen Bedingungen kaputt machen kann…
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