In meiner Serie über die Klimwandel-Mythen habe ich letzte Woche über die unsinnige Behauptung gesprochen dass es in Grönland früher ja auch warm und grün war weswegen der Klimawandel nicht so schlimm ist. Das ist, wie gesagt, Unsinn. Und wir sollten uns lieber nicht wünschen dass die größte Insel der Erde eisfrei und mit wogenden grünen Wiesen bewachsen ist.
Denn das Eis ist wichtig! Aber warum? Wer braucht schon Gletscher und das ganze andere Eis auf der Erde, mag man sich fragen? Das ist doch nur so wenig Wasser im Vergleich zu dem was in den Ozeanen zu finden ist. Wenn das bisschen Eis schmilzt dann passiert nicht viel und wir haben außerdem noch ein paar neue eisfreie Gegenden zum Bootfahren und spazieren gehen! Das Schmelzen der Gletscher ist allerdings ganz und gar nicht egal. Es hat schwerwiegende Folgen und es ist genau das was passieren wird wenn die Erde sich weiterhin so stark erwärmt wie sie es derzeit tut.
Es ist eigentlich ganz simpel: Festes Eis bleibt (mehr oder weniger) wo es ist, flüssiges Eis (auch bekannt als “Wasser”) fließt ins Meer. Und je mehr Wasser im Meer, desto höher der Meeresspiegel. Und ein steigender Meeresspiegel schafft massive Probleme! Aber ist das Eis in den Gletscher und den Polkappen wirklich ein so großes Problem? Ja – und es ist nicht das einzige. Der Meeresspiegel würde auch steigen wenn es kein schmelzendes Eis geben würde, denn je wärmer das Wasser desto mehr dehnt es sich aus und desto mehr Platz braucht es. Aber das Eis darf man auf keinen Fall vernachlässigen.
Wie viel Eis es auf der Erde gibt und wie dick es ist kann man gut vom Weltall aus messen und genau das tun wir auch. Mit diesen Daten lässt sich berechnen wie viel Einfluss die schmelzenden Gletscher und der Rest des Eises hat.
Man kann das alles im Detail im aktuellen Report des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) nachlesen. Im Wesentlichen gibt es vier große Anteile beim Meeresspiegelanstieg: Die Gletscher, die Gletscher und das restliche Eis in Grönland, die Gletscher und das restliche Eis in der Antarktis und die thermische Expansion der Ozeane. In den 17 Jahren zwischen 1993 und 2010 haben wir einen globalen Anstieg des Meeresspiegels von 3 Millimeter gemessen. Da trägt noch die thermische Expansion mit 1,1 Millimeter den größten Teil bei; die Gletscher folgen auf Platz zwei mit 0,76 Millimeter, dann kommen die Polarregionen mit 0,61 Millimeter (Grönland: 0,34mm – Antarktis: 0,27mm). Es mag überraschend sein, dass die Gletscher die ja im Vergleich zu den Polarregionen wenig Eis haben den größten Beitrag liefern – aber die liegen eben auch in Gegenden wo es schneller warm wird als in der Arktis/Antarktis. (Und übrigens: Das was bei den Zahlen noch auf 3 Millimeter fehlt ist Wasser, das nicht ins Meer geflossen ist aber fließen hätte sollen; zum Beispiel Schmelzwasser das wir für Landwirtschaft oder für Wasserspeicher verwendet haben). Die Verhältnisse drehen sich aber um wenn es so weitergeht. Wenn sich die Erde mit dem gleichen Tempo erwärmt wie jetzt, dann werden wir bis zur Mitte des Jahrhunderts schon 32 Zentimeter Anstieg in den Ozeanen haben. Da tragen die Polarregionen schon 15 Zentimeter bei und die thermische Expansion nur noch 9 Zentimeter und auf Platz 3 folgen die Gletscher mit 8 Zentimetern.
Insgesamt steckt in den Gletschern Wasser das für 24 Zentimeter Meeresspiegelanstieg reicht; Grönland hält 7 Meter bereit und die Antarktis gewaltige 60 Meter. Bei diesen Mengen spielt die thermische Expansion dann fast keine Rolle mehr.
Wir müssen aber gar nicht darauf warten bis diese apokalyptischen Zustände eintreten. Die schmelzenden Gletscher machen schon jetzt Ärger. Verschwinden die Gletscher dann ist das nämlich nicht nur ein Problem für diejenigen die unbedingt auch im Sommer Skifahren wollen (was außer uns Österreichern und den Schweizern sowieso niemand tun möchte). Das Gletscherwasser stellt nämlich in vielen Regionen der Erde auch eine wichtige Ressource von Trinkwasser dar. Die Landwirtschaft ist darauf angewiesen. Kommt kein Schmelzwasser mehr aus den Bergen, dann kriegen die Wasserkraftwerke an vielen Flüssen ein Problem. Und da hilft es uns auch nicht weiter das bei steigenden Temperaturen vorerst sehr viel Schmelzwasser kommen wird. Denn das wird erstens irgendwann gar nicht mehr fließen. Und zweitens kann es durch ein Ansteigen der Schmelzwassermengen auch dazu kommen das viele Gletscherseen ausbrechen und große Flutkatastrophen anrichten; etwas das vor allem in der Himalayaregion ein Problem werden kann.
Viele Pflanzen und Tiere sind auf die kalten Wassermassen angewiesen die aus den Bergen in die Flüsse strömen und wenn MEHR kaltes und vor allem Süßwasser als sonst in die Meere fließt können sich dadurch die Ozeanströmungen verändern was ebenfalls fiese folgen für die Fischerei – und das Klima! – haben kann.
Und dass steigende Meere ganz prinzipiell keine gute Idee sind liegt auf der Hand. Wir Menschen haben es uns in der Vergangenheit gerne an den Küsten bequem macht (wieder ausgenommen: Die Österreicher und die Schweizer!). Aber anderswo siedelt man gerne am Strand. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen leben an der Küste und nur 9 Meter oberhalb des Meeresspiegels. Wenn der Meeresspiegel nur um 40 Zentimeter ansteigt ist zum Beispiel Bangladesch gleich mal ein Zehntel seiner Landfläche los und um die 10 Millionen Menschen müssen sich ein neues Zuhause suchen. Sollte das mit dem Meeresspiegelanstieg so weiter gehen wie jetzt dann braucht man sich ab 2100 auch gar keine Gedanken mehr über einen Urlaub auf den Malediven machen. Die gibt es dann nämlich nicht mehr, beziehungsweise nur noch für diejenigen die mit dem U-boot auf Urlaub fahren.
Es ist also ganz und gar nicht egal wenn die Gletscher schmelzen. Und das sie das tun ist eine Tatsache. Da muss man gar nicht erst die Großeltern fragen wo denn der Alpengletscher in deren Jugend war – wie gesagt, dafür haben wir Satelliten. Und mit denen sehen wir eben auch, dass so gut wie alle Gletscher schmelzen. Ja, es gibt ein paar die größer werden. Aber das ist kein Widerspruch; ebenso wie es kein Widerspruch ist wenn das Eis kurzfristig in der Antarktis mehr wird. Denn wenn die Atmosphäre wärmer wird, kann sie mehr Feuchtigkeit speichern. Mehr Feuchtigkeit bedeutet mehr Niederschlag und mehr Niederschlag bedeutet mehr Eis. Und bei den Gletschern spielen regionale Phänomene eine Rolle. Von Österreichs (noch) größten Gletscher, der Pasterze weiß man zum Beispiel aus der Untersuchung und Datierung von Holzstücken die immer wieder aus dem Eisfluss auftauchen (“Untersuchungen zur Holozänen Gletscherentwicklung von Pasterze und Gepatschferner” (pdf)) dass deren Ausdehnung in der Vergangenheit immer wieder mal geringer war als in der Gegenwart; das letzte Mal vor ungefähr 3500 Jahren. Aber individuelle Veränderungen bei Gletscher gab es immer; das jetzt so gut wie alle Gletscher stetig kleiner werden sollte uns zu denken geben.
Das Eis in den Gletschern und Polkappen ist wichtig und wir sollten alles daran setzen das es dort bleibt wo es ist!
Alle Artikel der Serie:
Klimawandel-Mythen 01: Der Mensch kann das Klima doch gar nicht beeinflussen! (erscheint am 06.07.2017)
Sternengeschichten 241: Der Treibhauseffekt (Sternengeschichten Folge 241) (erscheint am 07.07.2017)
Klimawandel-Mythen 02: Der Mensch ist doch gar nicht verantwortlich für den Klimawandel! (erscheint am 10.07.2017)
Klimawandel-Mythen 03: Das Klima hat sich früher auch geändert – Klimawandel ist nicht schlimm! (erscheint am 11.07.2017)
Klimawandel-Mythen 04: Schuld am Klimawandel ist die Sonnenaktivität! (erscheint am 12.07.2017)
Klimawandel-Mythen 05: In Grönland war es früher warum und man hat dort Wein angebaut (erscheint am 13.07.2017)
Sternengeschichten 242: Der Kohlenstoffzyklus (Sternengeschichten Folge 242) (erscheint am 14.07.2017)
Klimawandel-Mythen 06: Die Gletscherschmelze ist völlig egal (erscheint am 17.07.2017)
Klimawandel-Mythen 07: Die Winter ist doch kalt – wo bleibt der Klimawandel? (erscheint am 18.07.2017)
Klimawandel-Mythen 08: Der Klimawandel macht doch gerade Pause! (erscheint am 19.07.2017)
Klimawandel-Mythen 09: Beim Klimawandel sind sich doch nicht mal die Wissenschaftler einig (erscheint am 20.07.2017)
Klimawandel-Mythen 10: Es ist schon viel zu spät was gegen den Klimawandel zu tun (erscheint am 21.07.2017)
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