In meiner über die Mythen zum Klimawandel habe ich jede Menge wissenschaftliche Belege präsentiert die eindeutig zeigen dass derzeit tatsächlich eine globale Erwärmung der Erde stattfindet; dass wir Menschen dafür verantwortlich sind und das es ganz und gar nicht gut ist was da gerade passiert. Aber so eindeutig die Wissenschaft in ihren Aussagen auch ist, so wenig sind überraschend viele Menschen bereit das ernst zu nehmen was die Wissenschaft sagt. “Wissenschaftler streiten sich doch dauern. Immer wieder sagen sie was neues; immer sagen sie etwas anderes. Wieso sollen wir denen zuhören wenn sie sich selbst nicht einig sind?” – so lautet eines der Standardargumente der Klimawandelleugner. Ein sehr praktisches Argument, denn solange man behauptet dass die Wissenschaft gespalten ist und kein eindeutigen Aussagen treffen kann muss man auch nichts tun und sich um nichts kümmern. Nur ist eben das “Die Wissenschaftler streiten sich”-Argument kein Argument.
Denn Wissenschaftler streiten immer. Das gehört quasi zum Konzept der Wissenschaft. Ohne ständige Kritik funktioniert die wissenschaftliche Methode nicht. Wissenschaft ist ja gerade keine Religion und keine Diktatur wo es einen gibt der sagt was zu sein hat und alle anderen das dann glauben und akzeptieren müssen. Wissenschaft macht deswegen beständig Fortschritt und neue Entdeckungen weil die Forscherinnen und Forscher nie zufrieden sind mit dem was sie wissen. Und sich nicht nur ständig neue Fragen stellen sondern auch das bestehende Wissen immer wieder auf den Prüfstand stellen. Wer als Forscher eine neue Entdeckung gemacht hat kann sich nicht einfach hinstellen und behaupten: Das ist jetzt so, akzeptiert es! Sondern muss seine Entdeckung zuerst einmal vernünftig aufschreiben. Mit allen Daten. Mit einer genauen Beschreibung aller verwendeten Methoden und Geräten. Mit einer Zusammenfassung der Grundlagen und einer Interpretation der Befunde. Und wenn das alles aufgeschrieben ist kommen andere Wissenschaftler und prüfen das. Und nur wenn die Prüfung zufriedenstellen verläuft fängt man an die Entdeckung ernst zu nehmen. Das nennt sich „peer review“ und ist das Fundament der modernen Wissenschaft.
Und selbst dann wird aus dem Wissen kein Dogma. Wissenschaft wird von Menschen gemacht und Menschen machen Fehler. Und ab und zu kommt jemand auf etwas völlig neues drauf dass alles bisherige unter einem ganz neuen Licht erscheinen lässt. So wie Anfang des 20. Jahrhunderts zum Beispiel als man die Quantenmechanik entwickelte und die ganze Sache mit den Atomen und Elementarteilchen auf einmal ganz anders sah als zuvor. Oder Albert Einstein, der mit seiner Relativitätstheorie die Jahrhunderte alte Newtonsche Mechanik über den Haufen warf. Und heute gibt es genug junge Wissenschaftler die sich nichts besseres vorstellen könnten als eine Theorie zu finden die besser ist als die von Einstein (denn entgegen aller Vorurteile geht es der Wissenschaft nicht um die Verteidigung des Status Quo). Wissenschaft ist ständiger Wandel, aber mit gewissen Regeln. Sorgen sollte man sich dann machen, wenn Wissenschaftler plötzlich aufhören sich zu streiten.
Nachdem das jetzt alles gesagt ist muss man natürlich auch feststellen dass daraus nicht folgt dass es überhaupt kein verlässliches Wissen gibt. Man wird sich schon anstrengen müssen irgendwo einen Forscher zu finden der der Meinung ist dass zum Beispiel die Sonne in Wahrheit eine große Glühbirne am Himmel und die Sterne nur Löcher in der himmlischen Decke sind. Wir wissen noch nicht bis ins letzte Detail wie die Sonne funktioniert und bei der Ausarbeitung dieser Details streiten sich die Forscher genau so wie es von ihnen erwartet wird. Aber das die Sonne zum Beispiel eine 1,4 Millionen Kilometer durchmessende Kugel aus heißem Gas ist, dass sie 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist, dass in ihrem Inneren Wasserstoff zu Helium fusioniert wird und so die Energie erzeugt die uns auf der Erde Licht und Wärme bringt: Darüber herrscht absolute Einigkeit. Darüber hat man sich in der Vergangenheit lange genug gestritten und die Befunde mittlerweile zur Zufriedenheit aller Beteiligten so gut belegt dass ein Zweifel in dieser Sache in etwa so sinnvoll wie ein Zweifel an der Kugelform der Erde oder der Existenz von Pinguinen ist.
Und beim Klima ist es genau so. Da gibt es jede Menge Details über die sich die Klimawissenschaftler streiten. Es gibt jede Menge offene Fragen die sie zu beantworten suchen. Aber es gibt auch jede Menge vorhandenes Wissen dass so gut belegt ist dass niemand der seine Sinne halbwegs beieinander hat daran zweifeln kann. Und dazu gehört eben die Tatsache dass sich das Klima ändert. Dass sich das Klima auf eine Art und Weise ändert wie es das zuvor nicht getan hat. Dass diese Klimaänderung massive Probleme für uns bereit halten wird. Und dass es wir Menschen sind die für die Veränderung verantwortlich sind.
Es mag durchaus Wissenschaftler geben die anderer Meinung sind. Aber Wissenschaftler sind Spezialisten: Sie wissen viel aber nur in einem sehr kleinen Bereich. Ein Astronom weiß viel über Sterne aber über die Botanik im Allgemeinen nicht mehr als der typische Laie. Ein Botaniker dagegen kann alles über Pflanzen erzählen, aber an wenn er über die Entwicklung von Galaxien referieren soll wird er wenig brauchbares beitragen können. Und so weiter. Um bei der wissenschaftlichen Untersuchung des Klimawandels mitzureden sollte man schon auch wirklich ein Experte für Klimawissenschaft sein. Und kein Ingenieur, Neurophysiker, Urologe, Zeithistoriker, Ernährungswissenschaftler oder Romanist.
Unter den echten Klimaforschern herrscht Konsens. “Zweifeln” tun diejenigen, die keine oder die falsche Ausbildung in Sachen Klimawissenschaft haben. Und bevor jetzt jemand fragt: Nein, die Klimaforscher sind nicht alle von irgendwelchen Geheimorganisationen gekauft. Klimawissenschaft ist keine Sekte mit strengen Aufnahmeritualen und harter Hierarchie. Das sind Männer und Frauen die an verschiedensten Einrichtungen überall auf der Welt unabhängig voneinander und gemeinsam das Klima erforschen. Da gibt es keine übergeordnete Organisation die alle unter Kontrolle hat. Auch nicht das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Das ist keine Forschungsorganisation die Leute einstellt, kontrolliert oder sonst irgendwas. Das ist im wesentlichen nur das Label unter dem Klimaforscher aus aller Welt alle paar Jahre den Stand der Dinge zusammenfassen und veröffentlichen. Und zwar wirklich Klimaforscher – und keine Politiker. Sie werden dafür auch nicht bezahlt; die Arbeit daran ist ehrenamtlich.
Es mag sein dass Politiker gerne Einfluss auf die Klimaforschung nehmen wollen würden. Aber selbst wenn sie das tatsächlich tun, dann tun sie das nicht wirklich erfolgreich. Es wäre doch für den Wahlkampf wesentlich angenehmer wenn man einfach sagen könnte: „Hey, die Forschung hat jetzt festgestellt das alles nicht so schlimm ist wie mit dem Klimawandel. Wir können so weitermachen wie bisher und müssen uns um den teuren Umweltschutzquatsch nicht mehr kümmern. Freibier für alle!“. So eine Aussage stünde aber im krassen Gegensatz zu den tatsächlichen Erkenntnissen der Klimaforschung. Auch die umgekehrte These macht wenig Sinn: Klimaforscher warnen nicht deswegen vor dem Klimawandel weil sie hoffen dank alarmistischer Thesen mehr Forschungsgelder zu bekommen. Wenn, dann wäre eher das Gegenteil der Fall: Könnten sie den Politikern und der Industrie Ergebnisse liefern die zeigen dass man sich nicht so stressen muss wegen des Klimawandels würden sie vermutlich leichter an Geld kommen als jetzt.
Aber – und das mag für einige überraschend kommen – den Wissenschaftlern geht es im allgemeinen nichts um Geld! Man denkt sich als Jugendlicher eher selten „Ich will später wahnsinnig reich werden, fette Autos fahren und mir die Zigarren im Liegestuhl an meinem Privatpool mit hundert Euro-Scheinen anzünden. Ich werde Wissenschaftler!“. Wissenschaftler wird man, weil man einen starken Drang hat, die Welt zu verstehen. Reich wird man dabei definitiv nicht, eher im Gegenteil.
Da müsste man schon den Nobelpreis gewinnen um mit einem Schlag an (vergleichsweise) viel Geld und (vergleichsweise) viel Ruhm (Obwohl das mit dem Ruhm auch eher zweifelhaft ist: Wer kann zum Beispiel spontan drei lebende Nobelpreisträger nennen? Nein, Stephen Hawking zählt nicht – der hat keinen bekommen).
Aber der Nobelpreis wird für Klimawissenschaft leider nicht verliehen. Und selbst wenn, dann würde das auch nicht viel ändern. Die Klimaforscher würden weiterhin am Klima forschen. Und diejenigen die an eine große Verschwörung glauben wird man mit rationalen Argumenten sowieso nie erreichen können. Vielleicht sollten wir Wissenschaftler am besten tatsächlich eine Geheimorganisation gründen und behaupten dass der Klimawandel nur Unsinn ist. Aber natürlich nicht zu geheim; die Verschwörungstheoretiker sollen uns ja auf die Schliche kommen. Dann müssen sie sich für den Klimaschutz einsetzen um unsere bösen Pläne zu durchkreuzen…
Alle Artikel der Serie:
Klimawandel-Mythen 01: Der Mensch kann das Klima doch gar nicht beeinflussen! (erscheint am 06.07.2017)
Sternengeschichten 241: Der Treibhauseffekt (Sternengeschichten Folge 241) (erscheint am 07.07.2017)
Klimawandel-Mythen 02: Der Mensch ist doch gar nicht verantwortlich für den Klimawandel! (erscheint am 10.07.2017)
Klimawandel-Mythen 03: Das Klima hat sich früher auch geändert – Klimawandel ist nicht schlimm! (erscheint am 11.07.2017)
Klimawandel-Mythen 04: Schuld am Klimawandel ist die Sonnenaktivität! (erscheint am 12.07.2017)
Klimawandel-Mythen 05: In Grönland war es früher warum und man hat dort Wein angebaut (erscheint am 13.07.2017)
Sternengeschichten 242: Der Kohlenstoffzyklus (Sternengeschichten Folge 242) (erscheint am 14.07.2017)
Klimawandel-Mythen 06: Die Gletscherschmelze ist völlig egal (erscheint am 17.07.2017)
Klimawandel-Mythen 07: Die Winter ist doch kalt – wo bleibt der Klimawandel? (erscheint am 18.07.2017)
Klimawandel-Mythen 08: Der Klimawandel macht doch gerade Pause! (erscheint am 19.07.2017)
Klimawandel-Mythen 09: Beim Klimawandel sind sich doch nicht mal die Wissenschaftler einig (erscheint am 20.07.2017)
Klimawandel-Mythen 10: Es ist schon viel zu spät was gegen den Klimawandel zu tun (erscheint am 21.07.2017)
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