Der Juli war der Monat in dem ich (endlich!!!) Urlaub gemacht habe. Ich habe mir daher auch meine Lektüre ganz genau und gezielt ausgesucht. Und nur Bücher gelesen, von denen ich mir sicher sein konnte, dass sie mir gefallen werden. Weswegen ich euch bei der monatlichen Buchempfehlung diesmal auch tatsächlich ausschließlich Bücher empfehlen kann. Hurra!
Wissenschaftsfeindliche Politiker
Quasi als Nachtrag zu meiner Serie über die Klimawandel-Mythen kann euch das Buch “Not a Scientist: How Politicians Mistake, Misrepresent, and Utterly Mangle Science” von Dave Levitan sehr zur Lektüre antragen. Es geht um Politiker, die keine Ahnung von Wissenschaft haben bzw. absichtlich die Wissenschaft auf die verschiedenste Art und Weise geringschätzen. Der Titel entstammt einer Bemerkung von Ronald Reagan. Der sprach 1980 über Umweltschutz und Luftverschmutzung meinte dabei:
“I’m not a scientist. But I just have a suspicion that that one little mountain out there [Mt. Saint Helens] has probably released more sulfur dioxide into the atmosphere of the world than has been released in the last ten years of automobile driving or things of that kind.”
Da lag Reagan nicht nur massiv falsch – es ist auch sehr erstaunlich das ein Politiker einerseits die Tatsache betont das er kein Wissenschaftler ist und andererseits trotzdem wissenschaftliche Aussagen macht. Aber wenn es um Wissenschaft geht passiert das ständig – wohingegen kaum ein Politiker rumläuft und sagt: “Von dem Steuerkram hab ich keinen Schimmer. Aber hört euch bitte trotzdem meinen tollen Plan zur Steuerreform an!”.
Das Buch von Levitan ist zwar ein wenig stark an der US-Politik ausgerichtet; das was er erzählt ist aber generell interessant. Die Beispiele aus der amerikanischen Politik dienen ihm als Vorlage um verschiedenste Taktiken zu identifizieren und zu demonstrieren. Jeder dieser Taktik ist ein Kapitel gewidmet. Zum Beispiel die, bei der wissenschaftliche Forschung so dargestellt wird, dass man sie lächerlich machen kann. Das macht hier in Deutschland der Bund der Steuerzahler beispielsweise recht gern (siehe hier und hier). Oder die Taktik bei der man Forschung einerseits lobt, andererseits aber hinterrücks kaputt spart. Die Taktik, bei der man sich ein Detail raussucht das man legitimerweise kritisieren kann; dieses Detail aber fälschlicherweise als den Allgemeinfall verkauft. Die Taktik, bei der man sich auf Forschungsergebnisse aus der Vergangenheit bezieht und neuere Ergebnisse ignoriert. Und so weiter – es ist ein sehr instruktives Buch. Man lernt nicht nur viel über das grauenhafte Wissenschaftsverständnis (amerikanischer) Politiker sondern auch über die ebenso grauenhaften Folgen die das hatte. Und vor allem lernt man, wie man alle diese Taktiken erkennen und entlarven kann. Lest das Buch!
Wissenschaftsfreundliches Biertrinken
Ein Buch das “Methodisch korrektes Biertrinken: … und weitere Erkenntnisse aus einer Nacht mit Physik” heißt, kann ich ja fast nicht nicht lesen. Geschrieben hat es Reinhard Remfort (u.a. vermutlich vielen bekannt vom Methodisch Inkorrekt-Podcast). Und da ich mich ja selbst schon seit langem sehr sehr sehr ausführlich mit den Verbindungen zwischen Wissenschaft und Bier beschäftige und selbst auch ein Buch über die Verbindung zwischen Astronomie, Alkohol und Alltag geschrieben habe, war ich sehr gespannt.
Das Buch ist ein wenig anders, als ich es mir erwartet habe. Die Rahmenhandlung – eine Silvesterparty in einer WG – macht einen ziemlich großen Teil des Buches aus; eigentlich mehr als man in populärwissenschaftlichen Büchern gewohnt ist. Die Rahmengeschichte ist durchaus interessant (und ich bin der erste, der mit dabei ist wenn es darum geht Schnösel-WGs in der Nachbarschaft eins auszuwischen!), aber da passiert auch sehr viel, dass mit der Wissenschaft im Buch nicht viel zu tun hat. Je nach persönlichen Geschmack kann einem das gefallen oder nicht. Mich hat es jedenfalls nicht gestört.
Zwischen der Rahmenhandlung findet man dann jede Menge Alltagsphysik. Vieles davon kennt man schon, wenn man ähnliche Bücher gelesen hat (Wieso schäumt Bier über? Wie funktioniert eine Feuerwerksrakete?, Wie funktioniert Farbmischung? etc); vieles ist aber vermutlich auch neu. Zum Beispiel die Erklärung der bogenartigen Strukturen die Wein am Rand von Weingläsern zurück lässt und wie sie vom Alkoholgehalt des Weins abhängen oder der Cappuccino-Effekt. Vieles hat man irgendwann mal gelernt, bekommt es aber im Buch nochmal sehr ausführlich und aus einem ganz anderen Blickwinkel erklärt. Das Kapitel über die Batterien fand ich zum Beispiel sehr gut, auch wenn ich schon wusste wie ne Batterie funktioniert. Ebenso das Kapitel über die Kühlwirkung von Salzwasser und Phasenübergange.
Die Rahmenhandlung des Buchs spielt zwar im Winter; es ist aber trotzdem ein sehr schönes Sommerurlaubsbuch! Es liest sich leicht, locker und es wird nicht langweilig. Wenn ich etwas kritisieren wollen würde, dann vielleicht ein wenig die mangelnde Einordnung. Es wird zwar sehr viel Physik erklärt die im Alltag auftaucht, aber wenn das alles noch ein wenig eingeordnet geworden wäre, wäre es noch besser geworden. Wenn wissenschaftlich versteht wieso Bier überschäumt wenn man eine Flasche auf die andere knallt, dann ist das so wie im Buch beschrieben durchaus faszinierend. Aber kann man mit dem Wissen auch was anderes anfangen? Beziehungsweise ist Wissen an sich ja sich selbst genug; ich bin ein Gegner der Meinung jede Erkenntnis müsse sofort eine praktische Anwendung haben. Aber auch dann könnte man vielleicht genau das ein wenig mehr hervorstellen. Oder aber es liegt einfach nur daran, dass ich selbst auch Bücher schreibe und ich bei der Lektüre von Büchern die sich mit ähnlichen Themen wie die meinen beschäftigen zwangsläufig immer darüber nachdenke, wie ich denn dieses Buch geschrieben hätte. Aber ich habe es ja nun nicht geschrieben sondern Reinhard Remfort und er hat ein sehr gutes Buch geschrieben. Lest es!
Lange lebe die Mathematik!
Dass ich Mathematik cool finde sollte bekannt sein. Das ich die mathematische Astronomie ganz besonders cool finde, ebenfalls. Immerhin ist das ja auch mein Spezialgebiet als Astronom; also die Disziplin die sich “Himmelsmechanik” nennt und sich mit der mathematischen Analyse der Bewegung von Himmelskörpern beschäftigt. Genau die ist auch – zu einem großen Teil – Thema des Buchs “Calculating the Cosmos: How Mathematics Unveils the Universe” (auf deutsch ab März 2018 unter “Die Berechnung des Kosmos: Wie die Mathematik das Universum entschlüsselt” erhältlich) von Ian Stewart (Und vielen Dank an Walter, der mir dieses Buch geschenkt hat!).
Stewart hat in gewissen Sinn das getan, was ich immer schon gerne machen wollte: Ein Buch über die Himmelsmechanik geschrieben. Aber natürlich hat er sich sehr zurück gehalten; es kommen so gut wie keine Formeln vor und man erfährt viel über die Rolle der Mathematik in der Astronomie aber nicht so enorm viel über diese Mathematik selbst. Das macht das Buch aber natürlich auch sehr gut lesbar. Stewart erzählt die Geschichten die man vielleicht schon kennt – über die Entdeckung von Uranus und Neptun, über die chaotische Bewegung der Asteroiden, über die Entstehung des Mondes. Aber er erklärt sie sehr viel ausführlicher als man sie normalerweise irgendwo erklärt bekommt. Über die Entstehung des Mondes habe ich zum Beispiel auch schon viel geschrieben und weiß viel darüber – aber Stewarts Erklärung mitsamt historischer Entwicklung der Theorie war nicht nur gut verständlich sondern auch überraschend tief und gleichzeitig überraschen kurz für die Tiefe. Gleiches gilt für seine Erklärung zur Entstehung des Sonnensystems und der involvierten physikalischen Phänomene wie dem Drehimpuls. Anderes, wie zum Beispiel die Resonanzen in der planetaren Bewegung hätte man vielleicht genauer bzw. anschaulicher erklären können. Aber insgesamt ist es ein äußerst hervorragendes Buch für alle die einen grundlegenden Überblick über den Kosmos kriegen wollen (es geht in dem Buch nicht nur um Planeten und Asteroiden sondern auch um Galaxien, Sterne und die Kosmologie) und gleichzeitig ohne große Schmerzen die dem ganzen zugrunde liegende Mathematik verstehen möchten!
Was ich sonst noch gelesen habe
- “Parallax: The Race to Measure the Cosmos” von Alan Hirshfeld. Ein weiteres Lieblingsbuch das ich schon lange in meinem Bücherregal stehen hatte, aber ebenso lange nicht die Zeit fand es zu lesen. Dabei ist es großartig. Es geht um die lange Geschichte der Distanzmessung im Universum. Wie weit sind die Planeten und vor allem die Sterne entfernt? Das war eine Frage die die Wissenschaftler über Jahrtausende hinweg beschäftigt hat und Hirshfeld erzählt packend von der Suche nach der Antwort. Ich hab das Buch u.a. deswegen so lange nicht gelesen weil ich dachte, dass ich diese Geschichte schon kenne – immerhin geht es da um ganz grundlegende Astronomie. Aber daran erkennt man eben die wirklich hervorragenden Bücher: Sie erzählen einem selbst dann etwas neues wenn man denkt schon alles zu kennen. Ich hab in diesem Buch so viele interessante Details aus der Astronomiegeschichte erfahren das ich mich ärgere, es nicht viel früher gelesen zu haben.
- “The Word” (auf deutsch: “Die Jakobus-Papiere”) von Irving Wallace. Ich habe im Mai schon von meiner Lektüre des Nobelpreis-Thrillers von Irving Wallace berichtet. Das Buch ist zwar alt und irritiert ein wenig durch seine sexistische Darstellung der weiblichen Protagonisten; war aber ansonsten recht gut lesbar und spannend. In “The Word” sind die Frauen ebenfalls hauptsächlich dazu da um mit den männlichen Darstellern Sex zu haben. Und leider wird das diesmal nicht mehr durch eine gute Geschichte aufgefangen. Es geht um den Chef einer Werbefirma der die Veröffentlichung einer neuen Bibel betreuen soll. Einer Bibel mit einem neuen Evangelium, geschrieben von Jesus’ Bruder und jeder Menge neuer spektakulärer Erkenntnisse über das Leben von Jesus Christus. Natürlich dreht sich alles um die Frage: Ist das Evangelium echt? Und theoretisch kann man daraus durchaus einen spannenden Thriller machen. Hat Wallace in dem Fall aber nicht getan. “The Word” ist leichte Lektüre die man durchaus nebenbei weglesen kann. Aber so richtig vom Hocker reißt es einen nicht. Die “Rätsel” denen sich die Hauptfigur stellen muss sind so offensichtlich und vorhersehbar das kaum Spannung aufkommt. Wer etwas zu diesem Thema lesen will, der sollte lieber zu “Gospel” von Wilton Barnhardt greifen. Das ist viel spannender und interessanter; auf deutsch heißt es “Der dreizehnte Apostel” und ist noch antiquarisch erhältlich.
Das wars für den Juli! Ich hoffe, auch im August noch viel Zeit zum Lesen zu haben und werde darüber wie immer berichten!
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