Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter][Sternengeschichten-App]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 249: Die Expansion des Universum
In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um die Expansion des Universums. Und dazu fangen wir am besten am Anfang an. Und zwar tatsächlich am Anfang. Am ultimativen Anfang: Dem Urknall. Vor 13,8 Milliarden Jahren entstand das Universum das wir heute beobachten. Was in diesem ganz konkreten Moment passiert ist, wissen wir noch nicht. Aber wir haben dafür eine ziemlich gute und durch Beobachtungsdaten bestätigte Vorstellung von dem was unmittelbar danach stattgefunden hat.
Unter anderem und vor allem die Expansion unseres Kosmos. Das Universum dehnt sich aus. Mit dieser Erkenntnis haben wir uns heute angefreundet; aber noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein war das etwas mit dem die meisten Wissenschaftlern nicht gerechnet hatten. Damals ging man davon aus, dass das Universum keinen Anfang und kein Ende hat; das es immer schon existiert hat, unendlich groß ist und sich, als ganzes gesehen, nicht verändert.
Als Albert Einstein im Jahr 1915 seine berühmte allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, waren die sogenannten “Einsteinschen Feldgleichungen” das Herzstück dieser Arbeit. Mit diesen mathematischen Gleichungen kann man unter anderem auch das Verhalten des gesamten Kosmos beschreiben. Einsteins große Erkenntnis war ja die Idee, dass Raum und Zeit keine abstrakten und unveränderlichen Begriffe sind sondern konkrete physikalische Phänomene die sich verändern können. Massereiche Objekte können Raum und Zeit krümmen und die Art der Krümmung legt fest wie sich diese Objekte durch den Raum und die Zeit bewegen. Die Gleichungen konnten aber auch dazu benutzt werden zu beschreiben wie sich der gesamte Raum des Universums im Laufe der Zeit verhält; je nachdem wie viel Masse in ihm enthalten ist.
Als Einstein seine Gleichungen aufstellte, zeigte sich das damit ein Universum beschrieben werden kann das sich entweder ausdehnt oder in sich zusammenfällt. Ein dynamisches Universum also und kein ewiges, statisches Universum von dem damals alle, inklusive Einstein, ausgingen. Deshalb modifizierte er die Gleichungen. Aus mathematischen Gründen auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, macht es keinen Unterschied ob man die Gleichungen so formuliert wie Einstein das ursprünglich getan hat oder ob man ihnen noch einen speziellen Ausdruck hinzufügt. Viele physikalische Formeln enthalten solche beziehungsweise ähnliche Parameter deren Wert man frei wählen kann oder anhand von Beobachtungen passend wählen muss damit die Gleichungen richtig funktionieren. Löst man zum Beispiel die Gleichungen mit der sich Bewegung eines fallenden Objekts beschreiben lässt, dann kann bzw. muss man dort eine solche Konstante einfügen die von den Anfangsbedingungen abhängt. Also etwa von der gemessenen Geschwindigkeit die das zu untersuchende Objekt zu Beginn der Untersuchung hat. Je nach Anfangswert bekommt man dann eine unterschiedliche Lösung; der Anfangswert selbst ist aber durch die Gleichung nicht eindeutig festgelegt sondern kann eben irgendeinen Wert haben der sich nur aus Messungen oder Beobachtungen ergibt.
Bei dem Parameter den Einstein in seiner Formel einsetzte war es ein wenig komplizierter aber ähnlich. Man kann ihr einen beliebigen Wert geben; er kann größer als Null sein, kleiner als Null oder gleich Null und je nachdem wie dieser Wert aussieht beschreiben die Gleichungen ein unterschiedliches Universum. Einstein war der Meinung, dieser Parameter, der heute “Kosmologische Konstante” genannt wird, müsse positiv sein. Denn dann würden seine Gleichungen kein sich veränderndes Universum mehr beschreiben sondern ein statisches. Also genau das, von dem damals alle ausgingen.
Aber dann kam Edwin Hubble. Der berühmte amerikanische Astronom beobachtete in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit seinen Kollegen Milton Humason und Vesto Slipher die Sterne ferner Galaxien. Beziehungsweise wusste man damals ja noch gar nicht, das es ferne Galaxien gibt. Das war die erste große Entdeckung von Hubble: Es gelang ihm, die Entfernung eines Sterns im Andromedanebel zu messen und zu beweisen das es sich dabei eben nicht um eine kleine neblige Wolke innerhalb der Milchstraße handelt sondern um eine weit außerhalb unserer Galaxis gelegenen riesige Ansammlung von Sternen handelt. Also eine eigenständige Galaxie; genau so wie die meisten anderen Nebel sich als eigene und entfernte Galaxien heraus stellten. Hubble maß aber nicht nur die Entfernung vieler Galaxien, er maß auch die Geschwindigkeit mit der sie sich bewegten. Und stellte dabei fest: All diese fernen Galaxien entfernen sich von uns und zwar um so schneller je weiter sie entfernt sind.
Diese fundamentale Entdeckung veröffentlichte er im Jahr 1929; aber bleiben wir zuerst aber nochmal bei Einstein. Der musste feststellen, dass er – und die meisten anderen Wissenschaftler – sich geirrt hatten. Denn das was Hubble beobachtet hatte ist nichts anderes als die Widerlegung eines statischen Universums. Wenn sich heute alles von uns fort bewegt und zwar um so schneller je weiter es weg ist, dann müssen die Galaxien früher näher beieinander gewesen sein. Und noch früher noch näher. Und so weiter: Irgendwann in der Vergangenheit muss quasi alles an einem Punkt vereint gewesen sein und das muss der Anfang des Universums gewesen sein. Einsteins kosmologische Konstante wäre gar nicht nötig gewesen. Die Feldgleichungen funktionierten natürlich weiterhin aber nun ging man dazu über, den Wert der kosmologischen Konstante einfach gleich Null zu setzen.
Und bevor es weiter geht, muss man vielleicht noch ein paar Missverständnisse ausräumen. Zuerst einmal handelt es sich bei der “Bewegung” der Galaxien nicht wirklich um eine Bewegung im eigentlichen Sinne. Die Galaxien bewegen sich nicht durch den Raum. Sondern der Raum selbst ist es der expandiert. Die Einsteinschen Feldgleichungen machen in diesem Fall Aussagen über den Raum selbst. Geht man von einem Raum und einer Menge an Massen in diesem Raum aus, sagen einem die Gleichungen wie sich der Raum selbst verändert. Mit der Bewegung DURCH den Raum hat das nichts zu tun. Vereinfacht gesagt: Zwischen den Galaxien entsteht immer mehr Raum und deswegen vergrößert sich auch die Distanz zwischen ihnen. Das erklärt auch das zweite Missverständniss. Den man könnte ja nun glauben das wir selbst im Zentrum des Universums sein müssten. Immerhin bewegt sich ja alles von uns fort. Das was wir beobachten ist aber eben gerade keine Bewegung durch den Raum sondern die Expansion des Raums selbst. Und wir würden genau das gleiche beobachten wenn wir uns irgendwo anders im Universum befinden würde. Von jeder Galaxie im Kosmos aus kann man beobachten wie sich alle anderen Galaxien entfernen.
Man kann das anhand eines Beispiels verstehen. Stellt euch eine lange Reihe aus Stühlen vor, wie in einem Kino. Auf jedem Platz sitzt jemand. Stellen wir uns jetzt vor, wir sitzen auf Platz 5. Der Abstand zur Person auf Platz 6 beträgt genauen einen Sitz. Zu Platz 7 sind es zwei Sitze. Zu Platz 8 sind es drei und in die andere Richtung geht es genau so. Ein Platz Abstand zu Platz 4, zwei zu Platz 3, drei zu Platz 2, und so weiter. Der Abstand ist umso größer, je weiter entfernt die anderen Sitze sind. Das ist ziemlich simpel und logischerweise auch genau so wenn wir das von einem anderen Platz aus betrachten. Bleiben wir aber erst mal auf Platz 5. Und jetzt lassen wir die Stuhlreihe expandieren. Zwischen allen Sitzen erscheinen weitere Sitze. Zwischen Platz 1 und 2 taucht einer neuer Sitz auf; zwischen Platz 2 und 3, und so weiter. Wir auf unserem Platz 5 sehen nun also zu unserer linken und rechten jeweils einen freien Sitz. Zu der Person die vorher auf Platz 6 direkt neben uns gesessen ist beträgt der Abstand nun zwei Plätze. Zu der Person die auf Platz 7 gesessen ist, sind es nun schon vier Plätze, denn bis dort sind zwei dazugekommen. Die Person die vorhin auf Platz 8 saß und vorhin drei Plätze entfernt war ist nun sechs Plätze weit weg, weil drei neue dazugekommen sind. Auch das ist alles nicht schwer zu verstehen. Machen wir weiter: Wieder tauchen zwischen allen Sitzen weitere Sitze auf. Zwischen der Person die ganz zu Beginn direkt neben uns gesessen ist und uns ist nun ein Abstand von 4 Plätzen entstanden, denn es sind jetzt zwei neue dazugekommen. Die nächste Person ist jetzt acht Plätze entfernt; die übernächste 12 Plätze. Wenn wir immer so weiter machen und immer mehr Sitze zwischen allen Sitzen auftauchen lassen, werden die Abstände immer größer. Wir beobachten, dass sich alle anderen Personen von uns entfernen. Das ist logisch. Wir beobachten aber auch, dass sich die Personen umso schneller entfernen je weiter sie von uns entfernt sind. Denn je weiter sie entfernt sind, desto mehr Sitze sind zwischen ihnen und uns und je mehr Sitze dort sind desto mehr Sitze tauchen zwischen ihnen auf wenn die Expansion der Stuhlreihe weitergeht.
Jetzt halten wir einen Moment inne. Denken wir alles nochmal durch. Und dann sehen wir, dass es absolut nicht darauf ankommt, WO man in dieser Stuhlreihe sitzt. Von JEDEM Platz aus hat man genau den gleichen Eindruck: Alle anderen bewegen sich von uns fort und zwar um so schneller je weiter sie von uns entfernt sind. Es gibt kein Zentrum von dem alles ausgeht. Es gibt einfach nur immer mehr Stühle. Oder, um wieder auf das Universum zurück zu kommen: Der Raum expandiert. Und weil er das überall tut, sieht man auch von überall alles andere sich entfernen.
Der Kosmos ist nicht statisch. Der Raum ist nicht unveränderlich. Er expandiert; er wird immer mehr. Das ist eine ziemlich dramatische Erkenntnis zu der es noch einiges zu sagen gibt. Das hebe ich mir aber für die nächste Folge auf und kläre zuvor noch schnell ein paar andere Missverständnisse. Man könnte sich ja noch fragen, warum denn nicht auch alles irgendwie größer wird. Wieso wird die Erde nicht größer; wieso wachsen wir selbst nicht, wenn doch der Raum ständig überall expandiert? Das liegt daran, dass es eben auch noch andere Kräfte im Universum gibt. Die Bausteine der Atome werden durch die starke Kernkraft zusammengehalten. Die Atome der Materie durch elektromagnetische Kräfte; unsere Erde durch die Gravitationskraft die ihre Materie aufeinander ausübt. All diese Kräfte wirken anziehend und sie wirken der Expansion entgegen. Die Expansion des Universums ist etwas, das man auf sehr, sehr großen Maßstäben betrachten muss. Auf kleineren Maßstäben wirken die übrigen Kräfte viel stärker. Man kann sich das vielleicht mit einem Gummiband vorstellen. Wenn man da an beiden Enden zieht hat man ungefähr den gleichen Effekt wie bei der Stuhlreihe von vorhin. Jeder Punkt auf dem Band entfernt sich von jedem anderen Punkt und zwar um so schneller je größer der Abstand zwischen ihnen ist. Jetzt könnte man einen kleinen Abschnitt des Gummibands durch ein Stück festen Draht ersetzen der sich viel schwerer ausdehnen lässt. Dieser Draht könnte dann zum Beispiel die Erde repräsentieren und die Tatsache das er nicht so elastisch ist entspricht der Gravitationskraft die die Erde zusammenhält. Wenn man jetzt wieder am Gummiband zieht, dann ist alles so wie vorher – nur der Teil mit dem Draht wird sich nicht verändern und so bleiben wie er ist.
Aus dem gleichen Grund kann es zum Beispiel auch sein, dass sich zwei nahe Galaxien nicht voneinander entfernen sondern sich aufeinander zu bewegen. Das ist etwa bei der Milchstraße und der Andromedagalaxie der Fall. Sie sind einander so nahe, dass die Gravitationskraft zwischen ihnen so stark ist und den Effekt der Expansion deutlich übersteigt. Man kann es sich auch anders vorstellen: Der Raum zwischen der Milchstraße und der Andromedagalaxie dehnt sich zwar aus; die durch die Gravitationskraft verursachte reale Bewegung der beiden Objekte ist aber groß genug um diese Expansion auszugleichen so dass sie sich trotzdem aufeinander zu bewegen.
Das gilt genau genommen auch für das gesamte Universum. Die Expansion des Kosmos dehnt das Universum aus. Die Gravitationskraft all der Materie die sich in ihm befindet wirkt aber genau in die entgegengesetzte Richtung. Und es stellt sich sofort die Frage: Wer ist stärker? Wird sich das Universum immer weiter ausdehnen? Oder kommt die Expansion irgendwann zum Stillstand und die Gravitationskraft lässt alles wieder in sich zusammenfallen? Die Antwort auf diese Frage kennen wir noch nicht all zu lange. Sie hat mit der sogenannten “dunklen Energie” zu tun und ich habe schon ausführlich in Folge 26 darüber gesprochen. Wer möchte kann sich diese Folge gerne noch einmal anhören. Und ist dann ideal vorbereitet für die nächste Folge, in der ich noch einmal ausführlich von der Dynamik der kosmischen Expansion erzählen werde…
Kommentare (78)