Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 252: Überlichtgeschwindigkeit
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich von der Lichtgeschwindigkeit erzählt. Ich habe vor allem erklärt, dass das Licht sich nicht immer gleich schnell bewegt. Je nach dem Medium durch das es sich bewegt kann es schneller oder langsamer sein und diese Tatsache hat jede Menge interessante Anwendungen und Auswirkungen in Technik und Naturwissenschaften. DIE Lichtgeschwindigkeit die normalerweise gemeint ist wenn man von Lichtgeschwindigkeit redet, ist die Geschwindigkeit die das Licht hat, wenn sich durch ein Vakuum bewegt. Das sind per Definition exakt 299.792, 458 Kilometer pro Sekunde.
Und das ist auch die höchste mögliche Geschwindigkeit die es gibt. Die absolute Obergrenze. Nichts kann schneller sein. Oder vielleicht doch? In Science-Fiction-Filmen gibt es jede Menge kreative Maschinen mit denen sich Raumschiffe überlichtschnell durch das Universum bewegen und in kürzester Zeit von einem Stern zum anderen sausen. Kein Wunder – es wäre ja auch höchst langweilig sich die Abenteuer einer Raumschiffbesatzung ansehen zu müssen die von einem Planetensystem zum nächsten Jahrtausende braucht. Es ist nicht überraschend, dass sich die Drehbuchautoren hier etwas ausdenken das ein wenig Dynamik in die Geschichte bringt. Aber warum funktioniert das mit der Überlichtgeschwindigkeit nicht in der Realität?
Dass sich etwas durchaus schneller als das Licht bewegen kann habe ich ja schon in der letzten Folge erklärt. Da ging es aber um den Tscherenkow-Effekt und Objekte die schneller als Licht sind, das sich NICHT durch ein Vakuum bewegt sondern zum Beispiel durch Wasser oder Luft. Und dort ist das Licht eben langsamer als die Obergrenze von 299.792,458 Kilometer pro Sekunde. Echte Überlichtgeschwindigkeit, also sich schneller durch den Raum zu bewegen als diese 299.792,458 Kilometer pro Sekunde ist nicht möglich. Das hat Albert Einstein in seiner speziellen Relativitätstheorie aus dem Jahr 1905 gezeigt.
Es ist in diesem Zusammenhang auch einmal wichtig zu erwähnen, dass der Name “Lichtgeschwindigkeit” eigentlich nicht ganz korrekt ist. Beziehungsweise ein klein wenig irreführend. Das Licht spielt hier keine außergewöhnliche Rolle. Die Geschwindigkeit um die es geht ist die Geschwindigkeit mit der sich masselose Teilchen bewegen. Das trifft auf die Lichtteilchen zu, aber eben auch auf alle anderen Teilchen die keine Masse besitzen. Zum Beispiel die Gluonen, also die Teilchen die für die Vermittlung der starken Kernkraft zuständig sind die die Quarks in den Atomkernen zusammenhält. Lange Zeit dachte man auch, dass die Neutrinos keine Masse haben und sich daher ebenfalls mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Mittlerweile weiß man aber, dass sie eine sehr geringe Masse haben und deswegen auch ein klein wenig langsamer als das Licht unterwegs sind.
Sie müssen es sein – denn anders geht es nicht. Eine der wichtigen Folgerungen aus Albert Einsteins Theorie ist die sogenannte “Energie-Impuls-Beziehung”. Daraus kann man einerseits die berühmte Formel E=mc² ableiten. Andererseits sagt sie uns aber auch, wie viel Energie in einem Teilchen mit bestimmter Masse stecken muss das sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt. Je schneller sich ein Teilchen bewegt, desto mehr Energie hat es. Diese Energie muss man aufbringen und deswegen braucht es eben auch Energie, wenn man irgendwas beschleunigen will. So weit, so klar – die Formel zeigt aber auch was passiert, wenn sich die Geschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit annähert. Die für die entsprechende Beschleunigung benötigte Energie steigt immer schneller und nähert sich immer weiter einem unendlichen großen Wert an. Oder anders gesagt: Würde man etwas bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen wollen, dann wäre dafür unendlich viel Energie notwendig. Was natürlich unmöglich zu bewerkstelligen ist. Man kann ein Objekt beliebig nahe an die Lichtgeschwindigkeit heranbringen; rein prinzipiell natürlich weil die dafür nötige Energie irgendwann WIRKLICH groß wird. Aber erreichen oder gar überschreiten kann man sie nicht.
Und das ist nicht einfach nur irgendeine Formel aus irgendeiner Theorie. Das ist ein Verhalten das man auch genau so und in absoluter Übereinstimmung mit der Theorie beobachten kann. In Teilchenbeschleunigern geht es ja zum Beispiel gerade darum, kleinste Teilchen möglichst schnell zu machen und dann zur Kollision zu bringen. Die Protonen die man zum Beispiel am Large Hadron Collider des Europäischen Kernforschungszentrums CERN zusammenstoßen lässt, erreichen 99.9999991 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Um das zu erreichen müssen die Wissenschaftler dort die entsprechende Energie in die Apparatur stecken und diese Energie lässt sich messen. Und sieht dort – spätestens an der Stromrechnung 😉 – ganz genau, dass immer größere und größere Energiemengen nötig sind, wenn man die Teilchen noch ein kleines Stück näher an die Lichtgeschwindigkeit bringen will.
Überlichtgeschwindigkeit lässt sich nicht erreichen, auch wenn man noch so viel Gas gibt. Wenn überhaupt, dann müsste man irgendwelche Tricks anwenden. Die Lichtgeschwindigkeit ist die Obergrenze bei der Bewegung durch den Raum. Man könnte also probieren dafür zu sorgen, dass man sich gar nicht erst durch den Raum bewegt. Das klingt ein wenig verwirrend und ist es auch. Aber der Raum ist ja – und das ist wieder eine der großen Erkenntnisse von Albert Einstein – nichts absolutes und unveränderliches. Jede Masse im Universum krümmt den Raum; auch das ist durch Beobachtungen immer wieder nachgewiesen worden. Eine populäre Möglichkeit des überlichtschnellen Reisens basiert nun genau auf dieser Raumkrümmung. In Science-Fiction-Filmen nennt sich das Prinzip meistens “Warp-Antrieb”; der Begriff taucht aber auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur auf.
1994 hat der mexikanische Physiker Miguel Alcubierre eine Arbeit veröffentlicht und beschrieben wie man den Raum krümmen müsste um damit schneller als das Licht von A nach B zu kommen. Vereinfacht gesagt: Man sorgt einfach dafür, dass nicht das Raumschiff durch den Raum fliegt sondern verändert den Raum selbst, so dass die Entfernung zwischen A und B kleiner wird. Physikalisch gesehen würde das bedeuten das man den Raum vor dem Raumschiff zusammendrückt und hinter dem Raumschiff ausdehnt. Das was dann entsteht ist eine “Warp-Blase” die sich schneller als das Licht ausbreiten kann. Das ist kein Widerspruch zu Einsteins Theorie denn die macht ja nur Aussagen über Dinge die sich durch den Raum bewegen. Der Raum selbst kann problemlos schneller als das Licht expandieren und wenn sich in so einer Raumzeitblase ein Raumschiff befindet, würde es einfach mit ihr mitreisen, ohne sich selbst durch den Raum bewegen zu müssen.
Klingt vielversprechend – ist es aber bei näherer Betrachtung nicht. Den Raum zu kontrahieren ist dabei noch das geringste Problem. Das macht – wie schon gesagt – jede Masse. Man müsste einfach “nur” genug Materie ansammeln und vor das Raumschiff packen um das zu erreichen. Aber man muss den Raum hinter dem Raumschiff eben auch wieder expandieren. Und das geht nur wenn man Materie benutzt die eine negative Masse hat. In den mathematischen Gleichungen ist so was kein Problem. Da ändert man einfach das Vorzeichen der Zahlen von Plus auf Minus. Aber in der Realität hat niemand eine Idee, was das für eine Art von Materie sein soll. Wie soll man sich ein Objekt vorstellen, das zum Beispiel -10 Kilogramm hat? Keine ernsthafte physikalische Theorie sagt die Existenz so einer Art von Materie voraus, keine Beobachtung hat je auch nur Hinweise auf ihre Existenz gezeigt. Es ist halt das, was Alcubierre aus rein mathematischen Gründen erfunden hat damit seine Gleichungen funktionieren. Aber nur weil etwas eine mathematische Gleichung erfüllen kann muss es deswegen noch lange nicht real sein.
Und selbst wenn, dann würde uns das auch nicht weiter helfen. Damit alles so funktioniert wie Alcubierre sich das vorgestellt hat, braucht man nicht nur einfach ein bisschen dieser exotischen Materie sondern viel, viel mehr als im gesamten beobachtbaren Universum an normaler Materie vorhanden ist. Man kann an Alcubierres Gleichungen ein wenig herum basteln und sie so verändern, dass es vielleicht auch mit weniger Materie klappt. Aber selbst das hilft nicht weiter. Angenommen, man könnte so einen Warpantrieb tatsächlich konstruieren. Dann wäre das Raumschiff in der Warp-Blase komplett vom Rest des Universums abgeschnitten. Es könnte keine Kommunikation mit irgendwem von außerhalb stattfinden; man könnte auch nicht beobachten was außerhalb passiert oder wohin man fliegt. Und sollte man irgendwann erraten haben, wann man anhalten muss, dann würde bei diesem Abbremsvorgang vermutlich so viel energiereiche Strahlung entstehen, dass alles was sich in der Umgebung des Raumschiffes befindet zerstört würde. Und vermutlich ist die ganze Geschichte mit der Warp-Blase sowieso nicht einmal theoretisch möglich, weil man dabei ja nicht nur die Effekte der Raumkrümmung berücksichtigen muss sondern auch die Quantenmechanik und die scheinen nach derzeitigem Wissensstand so eine Warp-Blase instabil zu machen.
All diese Überlegungen gelten auch für andere beliebte Abkürzungen durch den Raum, wie zum Beispiel Wurmlöcher. Darüber kann ich vielleicht in einer anderen Folge der Sternengeschichten mal mehr erzählen, aber damit man die tatsächlich als eine Art Tunnel durchs Universum benutzen kann, bräuchte es ebenfalls enorme Mengen dieser exotischen Materie. Und auch die Wurmlöcher tauchen nur in mathematischen Gleichungen auf; und es gibt nirgendwo einen konkreten Hinweis darauf das sie wirklich existieren.
Das beste was man über den überlichtschnellen Warp-Antrieb sagen kann ist also: Die Wissenschaft hat noch nicht absolut zweifelsfrei nachgewiesen, dass er unmöglich ist. Aber nach allem was wir wissen ist seine Existenz beziehungsweise Anwendbarkeit so sehr unwahrscheinlich das wir derzeit getrost davon ausgehen können, dass er unmöglich IST. Natürlich wissen wir heute noch nicht, was in Zukunft möglich sein wird. Vielleicht findet irgendwer ja irgendwann doch noch mal einen Trick um überlichtschnell durchs Universum zu reisen. Aber auch das muss dann mit Methoden passieren die irgendwie dafür sorgen, dass das Reisen kein Reisen durch den Raum ist. Denn die Obergrenze von 299.792,458 Kilometer pro Sekunde wird auch weiterhin die Obergrenze bleiben. Und Überlichtgeschwindigkeit vorerst weiterhin nur in Science-Fiction-Filmen stattfinden…
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