Es war einmal vor langer Zeit, als auf der Erde… niemand lebte, weil es die Erde da noch gar nicht gab. Aber weit, weit entfernt, hinter den sieben (auf der nicht existierenden Erde nicht existierenden) Bergen, gab es ein großes, böses, schwarzes Loch. Dieses große, böse, schwarze Loch war gemein zu allen Planeten in seiner Umgebung und niemand tat etwas dagegen, weil wegen dem großen, bösen, schwarzen Loch auch anderswo niemand lebte! Höchstens ein paar Einzeller, und die haben keinen Sinn für Märchen. Und ich lasse das jetzt auch bleiben, denn ich will von Wissenschaft erzählen und keine Fantasiegeschichten. Außerdem sind schwarze Löcher gar nicht böse.
Schwarze Löcher sind nicht so gefährlich, wie allgemein immer angenommen wird. Vor allem sind sie keine Staubsauger, die alles ohne Rücksicht “ansaugen”. So funktioniert Gravitation nicht; das, was schwarze Löcher gefährlich macht, ist der Ereignishorizont: Der Abstand, den man nicht unterschreiten darf, wenn man sich wieder vom schwarzen Loch entfernen will. Solange man weit genug entfernt bleibt, tut einem das schwarze Loch nichts.
Zumindest nicht mit seiner Gravitationskraft. Indirekt kann ein schwarzes Loch aber schon gefährlich werden. Nämlich dann, wenn sich in der Nähe eines schwarzen Lochs Zeug befindet. Gas, Staub, irgendwelche Materie – wenn etwas in den gravitativen Einflussbereich eines schwarzen Lochs kommt, dann stürzt es nicht einfach direkt in das Loch. Es kommt ihm auf spiralförmigen Bahnen immer schneller immer näher. Durch die schnelle Bewegung und der Wechselwirkung mit dem Magnetfeld des schwarzen Lochs entsteht Strahlung. Und ein Teil des Materials kann durch die enorme Beschleunigung auch wieder vom schwarzen Loch weggeschleudert werden (das nennt sich Swing-By-Effekt – “geschluckt” wird das Zeug ja erst wenn es den Ereignishorizont überquert hat; davor kann es noch problemlos entkommen).
Ein schwarzes Loch mit Zeug in der Nähe, das deswegen Strahlung und Teilchen ins Weltall schleudert, nennt man ein “aktives” schwarzes Loch. Und wenn es sich bei dem schwarzen Loch um ein supermassereiches schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie handelt, dann kann es wirklich viel Strahlung und Teilchen durch die Gegend schleudern. So viel, dass man das auch aus großer Entfernung bemerkt. Solche Objekte nennt man Quasar oder “AGN” (Aktiver Galaktischer Nukleus).
Quasare findet man allerdings nur in jungen Galaxien. Nur dort ist zwischen den Sternen noch genug Staub und anderes Zeug vorhanden um dem schwarzen Loch ausreichend Futter zu bieten. Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße ist nicht mehr aktiv (oder nur sehr, sehr selten). Früher, vor ungefähr 8 Milliarden Jahren, war das anders.
Das schreiben Amedeo Balbi und Francesco Tombesi von der Universität Rom in einem kürzlich veröffentlichten Forschungsartikel (“The habitability of the Milky Way during the active phase of its central supermassive black hole”). Sie haben untersucht, wie stark die vom zentralen schwarzen Loch erzeugte Strahlung in der Vergangenheit war und wie sie Planeten in der zentralen Region der Milchstraße beeinflusst.
Natürlich kann man nicht direkt beobachten, was das zentrale schwarze Loch vor 8 Milliarden Jahren getrieben hat. Aber wir können jede Menge andere aktive schwarze Löcher in anderen Galaxien beobachten und daraus Rückschlüsse auf das ziehen, was auch bei uns passiert ist. Und wenn man abschätzen kann, wie viel (Teilchen)Strahlung das Ding produziert hat, kann man auch abschätzen, wie das die Bedingungen auf etwaigen Planeten beeinflusst.
Es geht dabei vor allem um extreme Ultraviolettstrahlung. Wenn die auf eine planetare Atmosphäre trifft, kann sie deren Moleküle anregen, beschleunigen und dafür sorgen, dass die Lufthülle quasi evaporiert. Oder anders gesagt: Die Strahlung aktiver schwarzer Löcher kann einem Planeten seine Atmosphäre wegnehmen oder sie zumindest massiv reduzieren. Eine dünnere Atmosphäre führt dazu, dass mehr Strahlung aus dem All auf die Oberfläche des Planeten trifft, wo sie eventuell vorhandenes Leben schädigt. Diese kosmische Strahlung kann zu Zellschäden führen und das ist langfristig gar nicht gut. So ein aktives schwarzes Loch ist aber typischerweise recht lange aktiv; einige hundert Millionen bis zu einer Milliarde Jahre lang.
Balbi & Tombesi haben nun berechnet, wie viel Atmosphäre Planeten damals verloren haben könnten. Die Ergebnisse sind überraschend: Nimmt man die gesamte Masse der Erdatmosphäre als Maßstab, dann reicht es, sich dem zentralen schwarzen Loch auf knapp 3200 Lichtjahre zu nähern, damit diese gesamte Atmosphärenmasse verschwindet. Planeten die noch näher dran sind, verlieren noch mehr Atmosphäre; weiter weg ist es weniger.
Die beiden Astronomen haben außerdem berechnet, wie stark dann der Einfluss auf eventuell vorhandene Lebewesen wäre und “kritische” Distanzen für Ein- und Mehrzeller gefunden. Komplexes, mehrzelliges Leben müsste sich 2600 bis 42.000 Lichtjahre vom schwarzen Loch entfernen, um sicher zu sein (die Variation entsteht durch verschiedene Modelle, und hängt zum Beispiel davon ab, ob der Planet sich in der Ebene der Milchstraße befindet oder darüber). Einzeller haben es ein wenig besser; sie können sich dem schwarzen Loch bis zu 260 bzw. 4200 Lichtjahre nähern.
Ob es damals tatsächlich irgendwo Lebewesen gab, die unter dem aktiven schwarzen Loch gelitten haben, ist natürlich schwer zu beantworten. Aber wenn, dann war die Milchstraße wesentlich weniger lebensfreundlich als sie es heute ist. Leben hätte sich damals ungestört nur in den äußeren Regionen unserer Galaxis entwickeln können. Dass sich komplexes Leben auch in den inneren Bereichen der Milchstraße (dort wo es auch die meisten Sterne gibt) entwickelt, ist fraglich. Zumindest dann, wenn man davon ausgeht, dass dieses Leben ähnlich anfällig für radioaktive Strahlung ist, wie wir es sind. Da wir aber genaugenommen keine Ahnung haben, wie und auf welche Arten sich Leben entwickeln kann, können wir in der Hinsicht eigentlich keine Aussagen machen.
Aber es ist trotzdem interessant zu sehen, wie sehr sich die Bedingungen in einer Galaxie während so langer Zeiträume verändern können. Sicher wäre es cool, in einer Galaxie zu leben die ein aktives schwarzes Loch im Zentrum hat – zumindest wenn es um den Anblick am Nachthimmel geht. Aber wir sollte trotzdem froh darüber sein, dass sich unser schwarzes Loch schon vor langer Zeit beruhigt hat…
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