Der Februar hat mit einem beeindruckenden Raketenstart (und viel Diskussion darüber) begonnen. Und endet (fast, ein Tag ist ja noch übrig) heute in meinem Blog mit der monatlichen Buchbesprechung, die ebenfalls ganz im Zeichen der Raumfahrt steht. Ich hab in meinem Bücherregal zwei nicht mehr ganz neue, aber trotzdem noch sehr lesenswerte und interessante Bücher zum Thema gefunden, die mir sehr gut gefallen haben und die ich euch gerne vorstellen möchte.
Der Wettlauf ins All
Hätte es den kalten Krieg zwischen der USA und der Sowjetunion nicht gegeben, dann wäre die Geschichte der Raumfahrt vermutlich ganz anders abgelaufen. Mir fällt auch spontan keine andere wissenschaftlich/technische Disziplin ein, die so sehr und so direkt vom Krieg beeinflusst worden ist, wie die Raumfahrt. Sieht man von den grundlegenden Ideen und Visionen von Leuten wie Konstantin Ziolkovsky oder Hermann Oberth ab, dann hat die konkrete Geschichte der Raumfahrt in Deutschland während des zweiten Weltkriegs begonnen. Die ersten Raketen im modernen Sinn waren Waffen, die das deutsche Reich gegen England einsetzte. Gebaut wurden sie von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Die Zustände im KZ Mittelbau-Dora waren genau so schrecklich wie man sich die Zustände in einem Konzentrationslager der Nazis vorstellt. Bis zu 20.000 Menschen starben in diesem Lager beim Bau der V2-Raketen; deutlich mehr, als durch den Einsatz der Raketen selbst gestorben sind.
Diese grauenhaften Ereignisse sind der Ausgangspunkt für das “goldene Zeitalter” der Raumfahrt. Und sie sind auch der Ausgangspunkt des Buches “Space Race” (leider nicht auf deutsch erhältlich) von Deborah Cadbury. Sie beschreibt die Laufbahn von Wernher von Braun, der im deutschen Reich für den Bau der ersten Raketen verantwortlich war. Sie beschreibt aber auch die Biografie von Sergei Korolev, seinem sowjetischen Gegenstück. Sowohl von Braun als auch Korolev waren von ihrer Jugend an fasziniert vom Weltraum und der Möglichkeit, Menschen dorthin zu bringen. Und beide fanden sich in Diktaturen wieder, für die sie Waffen konstruieren mussten, anstatt ihre Visionen umzusetzen. Von Braun lief ständig Gefahr von den Nazis eingesperrt oder hingerichtet zu werden, wenn er ihre Wünsche nicht erfüllt und Korolev wurde im Rahmen der stalinistischen Säuberungen verhaftet und in Sibirien eingesperrt. Erst nach seiner Haft und als seine Fähigkeiten als Raketendesigner benötigt wurden, erinnerte man sich wieder an ihn.
In Deutschland hatten die Nazis in der Zwischenzeit den Krieg verloren und Amerikaner, Briten und Sowjets waren alle auf der Suche nach der Raketentechnik. Am Ende schafften es die Amerikaner, Geräte, Pläne und die meisten Wissenschaftler rechtzeitig aus Deutschland zu schaffen, bevor sie in der sowjetischen Besatzungszone landeten. Trotzdem waren die Sowjets die ersten, die Erfolge beim Wettlauf ins All feierten.
Aber ich will jetzt eigentlich gar nicht die ganze Geschichte nacherzählen. Das macht Cadbury in ihrem Buch sehr hervorragend. Mit vielen Details, die zumindest ich noch nicht kannte. Zum Beispiel das regelrechte Wettrennen zwischen Amerikanern und Sowjets, an die Pläne für den Bau der V2-Raketen zu kommen. Das ganze Zeug lagerte ja im heutigen Thüringen, in Mittelbau-Dora. Dort waren die Amerikaner, als der Krieg endete; dort sollte aber kurz danach die sowjetische Besatzungszone eingerichtet werden. Und natürlich wollten die Amerikaner dieses strategische Wissen nicht den Russen überlassen.
Ich fand es auch sehr interessant – und deprimierend! – wie sehr der Wettlauf ins All tatsächlich nur ein Wettlauf und eine Propagandaschlacht gewesen war. Wernher von Braun war zwar ebenso ein Visionär (und Kriegsverbrecher – auch dieses Thema spart Cadbury nicht aus) wie Sergei Korolev. Aber beide konnten ihre Visionen nicht so umsetzen wie sie wollten. Anfangs war jedes Gerede von bemannter Raumfahrt unmöglich oder regelrecht gefährlich (Korolev bekam mehrmals gesagt, dass er sehr schnell wieder im Gulag landen könnte, wenn er sich nicht voll und ganz auf den Bau von Waffen konzentrierte). Und später ging es immer nur darum, Erster zu sein. Die Kommunistische Führung forderte spektakuläre Leistungen ein, um den Erzfeind USA zu beeindrucken, und Korolev lieferte die Ergebnisse, auch wenn dadurch die Arbeit an den wichtigeren und langfristigeren Projekten behindert wurde. Und die USA schmiss Unsummen in die Raumfahrt, nur um die Sowjets endlich überholen zu können.
Das ganze gipfelt in der bemannten Mondlandung und dem Sieg der USA beim Wettlauf. Wäre Korolev nicht im Jahr 1966 gestorben, hätten vielleicht auch die Sowjets eine Chance gehabt. Korolev hat sich für seine Vision buchstäblich zu Tode gearbeitet. Seine Nachfolger konnten nie so viel Hingabe für das Projekt aufbringen wie er. Und nachdem die USA auf dem Mond gelandet waren, war die Motivation sowieso dahin. Der Wettlauf hatte einen Sieger und er war vorbei.
Wer wissen möchte, wieso wir seit 1972 nicht mehr zum Mond zurück gekehrt sind (eine Frage, die mir oft gestellt wird), der soll dringend dieses Buch lesen. Neben all den interessanten Details und einer sehr packenden Darstellung der historischen Ereignisse beschreibt Cadbury auch sehr eindrucksvoll, worum es bei der ganzen Sache wirklich ging. Nicht um die Visionen, die von Braun und Korolev hatten. Sondern um Politik, Propaganda und (kalten) Krieg. Es ging nicht um Utopien, sondern darum zu gewinnen. Nach dem Sieg der USA gab es keinen Anlass mehr, die Propaganda aufrecht zu erhalten – und damit auch keinen Grund mehr, weiterhin so viel Geld in die bemannte Raumfahrt zu stecken. Und das müsste man tun, wenn man wirklich zurück in den Weltraum will.
Der Flug zum Mars
WIE aufwendig es ist, zum Beispiel zum Mars zu fliegen, kann man im zweiten Buch erfahren, das ich heute vorstellen will: “Packing for Mars: The Curious Science of Life in the Void” (auf deutsch unter dem etwas lächerlichen Titel “Was macht der Astronaut, wenn er mal muss?” erschienen) von Mary Roach.
Wer die Bücher von Mary Roach kennt, dem muss ich sie nicht mehr empfehlen. Sie schafft es immer wieder, einerseits die Wissenschaft sehr verständlich zu erklären, und andererseits dabei auch die obskuren, absurden und vor allem lustigen Aspekte aus der Geschichte der Wissenschaft hervor zu kramen. Genau das macht sie auch in “Packing for Mars”. Der Titel ist ein wenig irreführend – es geht nicht primär darum zu erklären, wie man den Mars erreichen kann. Roach beschäftigt sich mit der allgemeineren Frage, wie Menschen im Weltall überleben können. Und was man im Laufe der Geschichte alles angestellt hat und heute immer noch anstellt, um genau das heraus zu finden. In der Anfangszeit der Raumfahrt waren ja sehr viele Forscher sehr besorgt, was den ersten bemannten Raumflug angeht. Man hatte keine Ahnung, wie der menschliche Körper auf die Schwerelosigkeit reagiert. Und noch viel mehr machte man sich Sorgen um die Psychologie. Es war eine weit verbreitete Angst, dass die ersten Astro- und Kosmonauten einfach durchdrehen würden, sobald sie sich im Weltraum befänden. Man dachte, unser Hirn würde nicht damit klar kommen, auf einmal komplett isoliert vom Rest der Menschheit zu sein.
Das hat sich als fehlerhafte Annahmen heraus gestellt. Aber wie Menschen sich verhalten, wenn sie zum Beispiel mehrere Jahre komplett isoliert verbringen müssen (was bei einer Mission zum Mars zwangsläufig passiert), ist heute immer noch unklar. Roach beschreibt die Forschung, die zu diesem Thema stattgefunden hat. Sie beschreibt auch die vielen Missionen, die Tiere im Weltraum absolviert haben (Man hat bei der NASA sogar einmal kurz – sehr kurz! – darüber nachgedacht, einen Schimpansen zum Mond zu schicken, bevor man den ersten Menschen auf den Weg dorthin bringt. Oder hat man? Das ist eine der vielen Episoden aus der Geschichte, die bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden können – obwohl sich Roach große Mühe gibt, es zu tun und dabei nicht nur sehr informativ sondern auch sehr amüsant scheitert). Sie beschreibt die Versuche, die bei Parabelflügen angestellt werden (und hat selbst an einem teilgenommen). Sie beschreibt die Problematik der Nahrungsversorgung. Es geht um Sex, Hygenie und all die vielen, vielen anderen Details um die man sich kümmern muss, wenn Menschen im Weltraum leben sollen.
Das ist ein Punkt, der bei der populären Betrachtung der bemannten Raumfahrt immer gerne ignoriert wird. Da geht es meistens um Raketen, Raumschiffe, Habitate, etc. Was ja alles auch unzweifelhaft wichtig ist – aber mit einer großen Rakete die ein Raumschiff ist es eben nicht getan. Da fangen die ganzen Probleme eigentlich erst an. Es ist erschreckend (und auch ein wenig ernüchternd), wie viele Sachen man bedenken muss, wenn man Menschen zum Mars schicken will. Ich kann allen nur die Lektüre von “Packing for Mars” empfehlen – man wird die Raumfahrt dann mit ganz anderen Augen betrachten. Und vielleicht auch ein wenig zurückhaltender mit der Kritik sein, wenn man wieder mal über NASA, ESA & Co meckern möchte, weil die es immer noch nicht auf die Reihe kriegen, Menschen zum Mond oder zum Mars zu schicken…
Was ich bisher schon empfohlen habe
Das Buch “Inferior: How Science Got Women Wrong – and the New Research That’s Rewriting the Story” von Angela Saini habe ich ja schon vor einiger Zeit ausführlich besprochen und allen dringend zur Lektüre empfohlen.
Was ich sonst noch so gelesen habe
- Dreamblood Duology von N. K. Jemisin: Ich habe ja vor einiger Zeit schon die absolut großartige Broken-Earth-Trilogie von N. K. Jemisin empfohlen und tue das gerne noch einmal (der erste Band erscheint demnächst endlich auch auf deutsch!). Weil mir diese Serie wirklich so gut gefallen hat, habe ich nun auch noch die beiden Bücher der “Dreamblood-Duologie (nicht auf deutsch erhältlich) gelesen. Sie besteht aus den Bücher “The Killing Moon” und “The Shadowed Sun” und hat mich leider nicht so ganz begeistert wie “Broken Earth”. Jemisin hat zwar wieder eine sehr originelle Fantasy-Welt geschaffen. Es geht darin um eine Mischung aus Magie und der Vier-Säfte-Lehre der Antike – aber irgendwie hat mich das ganze nicht so gepackt. Wer gerne Fantasy-Bücher liest, der sollte die Bücher auf jeden Fall lesen, denn es ist – wie gesagt – eine sehr originelle Welt, die deutlich von dem üblichen Ritter/Zauberer/Drachen-Schema abweicht. Aber wer kein großer Fantasy-Fan ist, kann diese Serie auch gut auslassen.
Das wars für den Februar. Für den März hab ich schon ein paar vielversprechende Bücher auf meiner Liste. Aber vermutlich werden auch wieder ein paar Bücher auftauchen, mit denen ich nicht gerechnet habe. Was ich tatsächlich gelesen habe werde, erfahrt ihr in einem Monat. Bis dann!
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