Wissenschaftler haben zehntausende schwarze Löcher im Zentrum unserer Milchstraße entdeckt! Na ja – nicht ganz. Sie haben zwölf schwarze Löcher entdeckt. Und eigentlich war das auch keine Überraschung, sondern etwas was man schon seit langer Zeit ziemlich sicher vermutet hatte. Aber das macht die Geschichte nicht weniger interessant.
Wir wissen schon seit ein paar Jahrzehnten, dass sich direkt im Zentrum unserer Milchstraße ein supermassereiches schwarzes Loch befindet (so wie auch in den Zentren aller anderen großen Galaxien). So bezeichnet man schwarze Löcher, die mehrere Millionen bis Milliarden Mal mehr Masse haben als unsere Sonne und bei denen wir immer noch nicht genau wissen wie sie entstehen. Bei der aktuellen Entdeckung geht es aber nicht um solche schwarzen Löcher, sondern um die kleineren stellaren schwarzen Löcher, die beim Kollaps großer Sterne entstehen und die nur ein paar Dutzend mal mehr Masse als unsere Sonne haben. Und mit “Zentrum der Milchstraße” ist nicht direkt das Zentrum gemeint (denn da sitzt ja das große Ding), sondern eine 3,26 Lichtjahre durchmessende Region um das Zentrum herum.
In der Zentralregion unserer Galaxis stehen die Sterne sehr dicht beieinander. Viel dichter als hier bei uns in den Außenbezirken der Milchstraße. Dort gibt es auch jede Menge Staub und Gas zwischen den Sternen. Und weil dort so viel Material rumschwirrt und von den Gravitationskräften der vielen Sterne und des supermassereichen schwarzen Lochs durchgewirbelt wird, geht man davon aus, dass aus diesem Gas und Staub auch viel öfter Sterne entstehen als in den äußeren Regionen. Sterne, die tendenziell auch viel größer sind. Viele große Sterne werden irgendwann zu vielen stellaren Löchern – und genau das haben die Theorien zur galaktischen Dynamik auch vorhergesagt. Die Modelle sagen voraus, dass sich in einer 3,26 Lichtjahre durchmessenden Sphäre um das Zentrum der Galaxis bis zu 20.000 stellare schwarze Löcher befinden sollten.
Nur sind halt leider sowohl das Zentrum der Milchstraße als auch schwarze Löcher notorisch schwer zu beobachten. Das galaktische Zentrum versteckt sich hinter jeder Menge Staub und schwarze Löcher sind eben schwarz; d.h. sie senden keine Strahlung aus. Aber Astronomen sind hartnäckig und gut darin, Dinge zu sehen die man eigentlich nicht sehen können sollte. Schwarze Löcher machen sich nämlich durchaus bemerkbar. Zum Beispiel wenn sie Teil eines Doppelsternsystems sind: Dann kann Material von einem Stern zum schwarzen Loch fließen und darin verschwinden. Bevor es das tut wird es aber noch enorm stark beschleunigt, heizt sich dabei auf und gibt Strahlung ab. Bevorzugt hochenergetische Röntgenstrahlung und die lässt sich auch durch den Staub hindurch beobachten. Etwa mit dem Röntgenweltraumteleskop Chandra. Genau das haben Charles Hailey von der Columbia University und seine Kollegen für ihre Arbeit benutzt (“A density cusp of quiescent X-ray binaries in the
central parsec of the Galaxy”). Beziehungsweise: Nicht benutzt. Denn sie haben sich in den schon vorhandenen Katalogen mit Chandra-Daten auf die Suche nach den Röntgensignalen gemacht, die von stellaren schwarzen Löcher in der zentralen Region der Milchstraße stammen könnten.
Gefunden haben sie zwölf Stück. Das sind deutlich weniger als die 20.000 die ich vorhin erwähnt habe und auch deutlich weniger als die “zehntausend”, von denen die Überschrift erzählt. Aber mit dem Fund der zwölf schwarzen Löcher war die Arbeit von Hailey und seinen Kollegen ja noch lange nicht vorbei. Die zwölf waren diejenigen, die sich in Doppelsternsystemen befanden. Das tun aber nicht alle Löcher. In der hektischen Umgebung des galaktischen Zentrums entstehen jede Menge Sterne bzw. schwarze Löcher. Viele davon ohne Partnerstern, der auf ihre Existenz hinweisen könnte. Manche schwarzen Löcher können von Sternen eingefangen werden und so ein Doppelsystem bilden. Manche bleiben aber auch allein. Hinzu kommt: Ein schwarzes Loch schickt nicht ständig Röntgensignale ins All, sondern nur dann, wenn es gerade ein wenig Materie verschluckt. Was aber eben nicht dauernd passiert.
Netterweise kann man aber ziemlich gut abschätzen, wie oft so etwas passiert. Und wie oft schwarze Löcher entstehen; wie oft sie Doppelsysteme mit einem Stern bilden, und so weiter. Mit dieser Information kann man dann eine Hochrechnung anstellen und die ergibt, dass da insgesamt zwischen 300 und 500 Doppelsystems mit schwarzen Löchern sein sollten, wenn man in den vorhandenen Chandra-Daten zwölf Stück nachweisen kann. Und wenn es bis zu 500 Doppelsysteme gibt, dann muss um die 10.000 einzelne schwarze Löcher im Zentrum der Milchstraße geben. Also ziemlich genau das, was die Modelle vorhergesagt haben.
Bestätigte Vorhersagen sind prinzipiell immer eine gut Idee. Aber konkrete Daten ebenfalls, weil man aus ihnen neue Vorhersagen ableiten kann. Weiß man genauer über die Anzahl und Verteilung schwarzer Löcher im Zentrum der Milchstraße Bescheid, dann kann man auch viel genauer vorhersagen, wie oft dort zum Beispiel Kollisionen stattfinden bei denen Gravitationswellen erzeugt werden bzw. wie diese Gravitationswellen beschaffen sein sollten. Das macht die Suche nach Gravitationswellen einfacher und die Daten der Gravitationswellenastronomie werden wiederum das Verständnis von Anzahl und Verteilung der schwarzen Löcher im Zentrum der Milchstraße verbessern. Und das wird uns dabei helfen, die Galaxis und deren Entwicklung besser zu verstehen. Und irgendwann kriegen wir dann auch raus, die das große, fette supermassereiche schwarze Loch direkt im Zentrum entstanden ist!
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