Dieser Artikel ist Teil der blogübergreifenden Serie “Running Research – Denken beim Laufen”, bei der es um die Verbindung von Laufen und Wissenschaft geht. Alle Artikel der Serie findet ihr auf dieser Übersichtseite
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Meine Artikel-Serie über Wissenschaft und Laufen habe ich im letzten Jahr ein wenig vernachlässigt. Das letzte Mal habe ich vor einem Jahr über die Frage der Vorhersagbarkeit von Zielzeiten geschrieben. Anlass war mein Start beim Linz-Marathon 2017. Den habe ich dieses Jahr ausgelassen; dafür werde ich am 29. April beim Hamburg-Marathon an den Start gehen. Und möchte die Gelegenheit nutzen, um mir ein paar Gedanken über Musik zu machen. Läuft man schneller, wenn man währenddessen Musik hört?
Wenn ich einfach nur so durch die Gegend laufe, dann höre ich keine Musik. Dann höre ich Podcasts oder Hörbücher. Nicht nur, weil die sehr interessant sind, sondern weil sich so oft auch gleich ein wenig Recherchearbeit für meinen Job erledigen lässt. Wenn ich bei einem Laufwettbewerb mitmache, höre ich aber durchaus sehr gerne Musik. Vor allem, weil ich das Gefühl habe, dann schneller laufen zu können.
Rein physiologisch ist das aber vermutlich Unsinn. Die Musik kann noch so schön sein; ich werde deswegen nicht mehr Muskeln in den Beinen oder einen besseren Sauerstoffumsatz kriegen. Wenn man schnell laufen will, dann muss man dafür trainieren. Aber beim Laufen und vor allem bei langen Läufen wie einem Marathon spielt ja auch der Kopf eine wichtige Rolle. Es geht eben auch um die Psyche und da kann Musik durchaus einen Einfluss haben. Mir hilft die Musik zum Beispiel dabei, mein Tempo zu halten. Gerade in der zweiten Hälfte eines Marathons wird es ja oft mal ein wenig zäh. Wenn ich dann Musik höre, die entsprechend mitreißend ist und auch einen dem Lauftempo entsprechenden Rhythmus hat, lenkt mich das einerseits von der Anstrengung ab und hilft mir andererseits dabei, nicht unbemerkt langsamer zu werden.
Ich habe mal einen kurzen Blick in die Fachliteratur geworfen um zu schauen, was die Wissenschaft zu dem Thema zu sagen hat. Eine Studie aus dem Jahr 2004 kommt etwa zu diesem Ergebnis: “People engaged in high intensity running may benefit from listening to music, but may not increase their ability to sustain that effort longer than they could without music.” Das entspricht in etwa dem, was ich gerade anhand meiner eigenen Erfahrung beschrieben habe. Musik macht nicht schneller, aber sie hilft dabei, sich besser zu fühlen und die vorhandenen Kräfte auch effektiv einzusetzen. Eine Studie aus dem Jahr 2016 zeigt aber auch die Gefahren auf, die in der motivierenden Wirkung der Musik liegen: “Listening to [music] during exercise can increase self-paced intensity without altering perceived exertion levels”. Die Musik führt dazu, dass man eine schnellere Geschwindigkeit wählt. Das ist gut, wenn man dank passendem Training auch in der Lage ist, diese Geschwindigkeit über die Dauer des Rennens zu halten. Ansonsten kriegt man ein Problem: Dann fühlt man sich vielleicht ein paar Kilometer lang super, weil man dank Musik schnell und motiviert unterwegs ist – hat aber alle Kraft aufgebraucht lange bevor das Rennen vorbei ist. Eine weitere Studie zeigt, dass es auch darauf ankommt, welche Musik man anhört.
Ich selbst wähle meine Musik allerdings nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben aus (und hab von dem “Brunel Music Rating Inventory-2” das dort empfohlen wird noch nie was gehört). Was Musik an sich angeht, ist mein Geschmack sehr weit gestreut. Ich höre Klassik genau so gerne wie Metal; ich höre Tocotronic und Johnny Cash; ich höre serbische Volksmusik und Pop aus Südamerika. Aber beim Laufen hab ich mich auf diverse Abarten der Metalmusik festgelegt. Schön fetzig, rhythmisch und pathetisch mitreißend muss es sein – das hat sich am effektivsten herausgestellt. Peinlicher Powermetal zum Beispiel oder Viking-Metal. Symphonic Metal ist auch sehr schön, genau so wie andere Abarten melodischen Metals. Aber wenn ich schon auf eine wissenschaftliche Auswahl der Songs verzichte, dann möchte ich wenigstens wissenschaftliche Lieder auswählen 😉 Gut – die wenigstens Metalbands singen von Wissenschaft. Aber mit ein wenig Fantasie kann man durchaus schöne Lieder finden, bei denen es sich nicht nur gut laufen lässt sondern die auch ein wenig astronomischen Inhalt haben.
Es folgt nun also ein kleiner Ausschnitt aus meiner musikalischen Playlist für den Marathon in Hamburg:
Die französische Band Wildpath hab ich eigentlich bei jedem Lauf in meiner Playlist. Die Musik ist nicht nur sehr gut – ab und zu taucht auch ein wenig Astronomie auf. Zum Beispiel im Lied “Buried Moon” – obwohl da der Rhythmus fast schon ein wenig zu schnell für (m)eine Marathon-Geschwindigkeit ist:
Vor kurzem habe ich die Schweizer Band Rage of Light entdeckt. Einen besseren Namen kann eine Band aus astronomischer Sicht eigentlich fast nicht haben. Der Name erinnert mich jedesmal an die grandiose Beschreibung des Inneren der Sonne die der Astronom Arthur Eddington 1926 aufgeschrieben hat. Und musikalisch ist die Band ebenso gut; zum Beispiel bei ihrem Amon-Amarth-Cover Twilight of the Thunder God:
Zum “Zorn des Lichts” im Inneren der Sonne passt thematisch auch das grandios-pathetische Lied “Eternal Fire” der finnischen Band Beast in Black. Das gibts leider nicht in einer offiziellen Version auf YouTube. Ich nehm daher jetzt das Lied “Beast in Black”, das anscheinend irgendwas mit einem Manga zu tun hat, von dem ich keine Ahnung habe. Fetzig ist der Song allerdings:
Und bei keinem Rennen fehlen darf die isländische Viking-Metal Band Skálmöld. Wer die noch nicht kennt muss sich unbedingt das phänomenale Konzert ansehen, dass die Band gemeinsam mit dem isländischen Symphonieorchester gegeben haben. Und mit ein wenig Fantasie findet man auch die Astronomie. Zum Beispiel im Lied “Múspell”. So heißt ja in der nordischen Mythologie der das Feuer personifizierende Riese. Uhd aus den Feuerfunken von Muspellheim schufen die ersten Götter die ersten Sterne:
Eine Band gibt es dann übrigens doch noch, die sich auch inhaltlich mit Astronomie auseinandersetzt: Die deutsche Klassik-Death-Metal-Band “Haggard” auf ihrem Album “Eppur Si Muove”, das komplett vom Leben und der Arbeit des Galileo Galilei handelt. Manchmal historisch ein wenig ungenau, aber musikalisch sehr schön:
Und wenn man sich dann auf den letzten Kilometer eines Marathons befindet, dann kann man sich in die aus diesem Lied stammende Zeile “God end this suffering” richtig gut reinversetzen 😉
Das war jetzt natürlich nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was ich während des Laufens gerne höre. Und vermutlich gibt es auch noch jede Menge Musik, die ich noch nicht entdeckt habe (für entsprechende Tipps bin ich immer dankbar). Meine Playlist für den Marathon in Hamburg habe ich noch nicht zusammengestellt. Daran muss ich noch ein wenig arbeiten. Aber ich bin zuversichtlich, dass es ein schönes Rennen wird, in einer schönen Stadt (und hoffentlich auch bei schönem Wetter!). Wer zufällig am 29.4. auch in der Hansestadt ist, kann gerne nach dem Rennen mal vorbei kommen und mit mir über Musik (oder Astronomie) diskutieren – am Abend nach dem Marathon gibt es dort ein kleines Treffen mit der Leserschaft.
P.S. Bevor sich jemand beschwert: Ich weiß, das viele Leute beim Laufen keine Musik hören wollen bzw. das sogar unangebracht finden. Weil sie lieber “auf ihren Körper hören” wollen oder die Natur genießen oder ihren Gedanken nachhängen. Ist auch völlig in Ordnung – aber es gibt eben auch Leute, die gerne Musik hören. Beides ist ok und darüber muss sich jetzt bitte keine der üblichen erbitterten Diskussionen zu diesem Thema entspannen 😉 Ich weiß übrigens auch, dass Musik gerade bei Wettbewerben problematisch sein kann. Einerseits, weil man dadurch die Umgebung nicht so gut wahrnehmen kann und zum Beispiel Gefahr läuft, im Gedränge mit anderen Läufern zu kollidieren. Deswegen höre ich bei solchen Veranstaltungen auch erst dann Musik, wenn sich das Feld nach einem Drittel oder der Hälfte des Rennens so weit auseinander gezogen hat, dass diese Gefahr nicht mehr besteht. Andererseits ist das Tragen von Kopfhörern bei vielen Wettbewerben sogar verboten. Vermutlich hauptsächlich für die Elite, damit die nicht irgendwelche Anweisungen und damit einen Vorteil kriegen können.
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