Podcasts sind erfolgreich. Behaupte ich jetzt einfach mal so. Und Podcasts die von Wissenschaft handeln, sind es auch. Auch das behaupte ich jetzt einfach mal so. Aber wenn ich meinen Sternengeschichten-Podcast anschaue, dann wurde jede der momentan 282 Folge circa 50.000 Mal runtergeladen. Das finde ich schon nicht schlecht für wöchentliche Audiobeiträge die von Astronomie handeln. Und was ich so von anderen Wissenschaftspodcasterinnen und -podcastern höre, lässt ähnliche Schlüsse zu. Aber was macht gerade die Podcasts zu einem so guten Format, um Wissenschaft zu vermitteln?
Gedanken darüber habe ich mir schon oft gemacht und möchte sie jetzt auch einmal aufschreiben. Vor allem deswegen, weil ich mir Input aus der Leserschaft erhoffe. Ich vermute, dass auch hier viele Podcast-Freunde zu finden sind und würde mich freuen, wenn ihr mir sagt, ob ich mit meinen Vermutungen richtig liege oder nicht. Noch mehr freuen würde ich mich, wenn ihr konkrete wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema “Wissenschaftskommunikation mit Podcasts” kennt. Diese Frage taucht immer wieder auf, wenn ich in entsprechenden Lehrveranstaltungen über Podcasts rede und ich bin gerade dabei, eine passende Literatursammlung dazu anzulegen (Das, was ich im folgenden schreibe, basiert aber nur auf meinen persönlichen Eindrücken und ist kein Resultat irgendwelcher Studien).
Technik
Das erste Mal Podcasts gehört habe ich im Jahr 2008. Damals war es noch ein wenig mühsam. Smartphones waren bei weitem noch nicht so verbreitet wie heute. Ich hab die Folgen der Podcast am PC runtergeladen und manuell auf einen mp3-Spieler kopiert. Heute ist die Technik aber ziemlich simpel. Man braucht nur eine entsprechende App und kann alle Podcasts einfach und direkt über das Handy hören. Die Verbreitung der Smartphones hat mit Sicherheit auch zur Verbreitung und zum Erfolg der Podcasts beigetragen.
Sich irgendwelche Sachen anhören konnte man ja früher auch. Radio ist nicht unbedingt eine neue Technologie; das gibt es schon einige Zeit. Und dort gab (und gibt) es auch jede Menge Sendungen über Wissenschaft. Aber im Radio muss man die Sendung dann hören, wenn sie läuft. Podcasts kann man hören, wann man möchte. Und auch das ist mit Sicherheit ein Grund für ihren Erfolg.
Aber diese technischen Gründe sind eigentlich nur Gründe, warum Audioinhalte einfach zu konsumieren sind. All das was ich gerade gesagt habe, gilt auch für klassisches Radio. Die meisten Radiosender stellen viele ihrer Sendungen auch zum Download bereit. Aber das würde ich jetzt nicht unbedingt als “Podcast” bezeichnen. Das ist eben Radio, der als Podcast vertrieben wird. Ein Podcast wird nicht nur durch die technischen Grundlagen bestimmt, sondern meiner Meinung nach vor allem durch den Inhalt. Und die Unterschiede zwischen Radio und Podcast soll man nicht ignorieren.
Es kommt auf die Länge an
Radiosendungen können nicht beliebig lang sein. Ein Tag hat nur 24 Stunden und ein typischer Radiosender produziert Tag für Tag jede Menge verschiedene Sendungen. Wer wissenschaftliche Audioinhalte im Radio bringen will, ist also schon mal durch diese äußeren Zwänge beschränkt. Eine Sendung kann nur eine gewisse Zeit dauern. Bei einem reinen Podcast fällt das weg. Hier kann man so lang (oder so kurz) sein, wie man möchte. Und sieht man sich die typischen Podcasts an, dann sind die tendenziell lang.
(Kurze Anmerkung: Wenn ich hier von “Podcasts” rede, dann meine ich damit immer Wissenschaftspodcasts – all die anderen Formate möchte ich vorerst aussparen. Und ich beziehe mich auch vorerst ausschließlich auf die deutschsprachigen Formate).
Bei “Methodisch inkorrekt”, einem der erfolgreichsten Wissenschaftspodcast deutscher Sprache, dauert eine typische Folge drei Stunden. Forschergeist von Tim Pritlove ist selten kürzer als 90 Minuten; ebenso wie der Raumzeit Podcast. Beim Omega Tau Podcast kann eine Folge auch mal deutlich länger als 4 Stunden dauern; beim SozioPod mehr als 2 Stunden. Es gibt natürlich auch viele sehr gute und kürzere Podcasts – aber die langen Folgen fallen einem schon auf (Die häufigste Kritik an meinem “Sternengeschichten”-Podcast bezieht sich übrigens auch auf dessen Länge von nur circa 10 Minuten pro Folge).
Würde man einem Radio- oder Fernsehsender vorschlagen, eine mehrstündige Sendung über Wissenschaft zu machen, dann würde man dort wohl sehr seltsam angesehen (und danach ziemlich schnell rausgeworfen) werden. So etwas ist dort nicht möglich. Aber als Podcast ist es möglich und es funktioniert sehr gut.
Lernen durch Labern
Das ist eigentlich überraschend. Ein paar Leute reden mehrere Stunden am Stück über Wissenschaft. Das klingt nicht nach einem Erfolgsrezept für die Wissenschaftskommunikation. Und das sollte es normalerweise auch nicht sein. Aber warum funktioniert das hier trotzdem? Warum hören sich Leute stundenlange Sendungen an, in denen in aller Ausführlichkeit über Wissenschaft geredet wird? Das gibt es in anderen Medien nicht. Warum also gerade bei den Podcasts? Meiner Meinung nach ist der Grund dafür die Art und Weise, WIE in diesen überlangen Sendungen über Wissenschaft geredet wird.
Radiosendungen sind im Allgemeinen stark strukturiert. Es gibt einen ganz klaren Ablaufplan; es gibt fixe und teilweise vorab geschriebene Moderationstexte; es wird sehr viel mit Effekten rumgebastelt, und so weiter. Das ganze gibt es natürlich auch bei Podcasts, aber von denen möchte ich jetzt nicht reden, sondern nur von denen, die eben kein Radio sind. Bei Podcasts läuft das normalerweise anders ab. Da wird nicht wochenlang an einer Folge rumgeschnitten und gebastelt. Sondern da sitzen ein paar Leute, quatschen miteinander, nehmen das auf und stellen es online. Das ist das, was gerne mal ein wenig despektierlich “Laberpodcast” genannt wird. Und es ist überraschend erfolgreich.
Obwohl es eigentlich gar nicht so überraschend ist. Als ich vor einiger Zeit ein paar Gedanken zur Wissenschaftsvermittlung veröffentlicht habe, habe ich vor allem darauf hingewiesen, dass man sich als Person einbringen muss, wenn man die Öffentlichkeit wirklich erreichen will. Und genau das passiert bei vielen der “Laberpodcasts”.
Wenn etwa Holger Klein und ich unsere WRINT Wissenschaft-Sendungen aufnehmen, dann reden wir dort über Wissenschaft. Wir reden aber auch über jede Menge anderen Kram. Wir erzählen uns gegenseitig was aus unserem Alltag; darüber, was wir in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen gesehen haben, und so weiter. Und wenn all das meistens am Rande schon ein wenig mit Wissenschaft zu tun hat, so hat es mit den üblichen Methoden der Wissenschaftsvermittlungen im engeren Sinn eigentlich wenig zu tun. Bei “Methodisch Inkorrekt” läuft es genau so: Bevor Nicolas und Reinhard anfangen, die wissenschaftlichen Fachartikel zu besprechen, erzählen sie sich gegenseitig ein paar Geschichten über ihren Arbeitsalltag, über den Wohnungsumzug oder was Kinder/Haustiere angestellt haben – und das dauert oft ne halbe Stunde oder länger.
Würde man so etwas im Radio veranstalten, wäre man seinen Job wahrscheinlich schnell los. “Belangloses” Gequatsche übers Privatleben hat mit objektiven Wissenschaftsjournalismus nicht viel zu tun. Man hört so etwas auch nicht auf wissenschaftlichen Konferenzen; “private” Geschichten kommen dort nicht gut an – da geht es nur um die nackte und reine Wissenschaft; alles andere wird als unpassend betrachtet. Teilweise zu Recht. Aber meiner Meinung nach sind die langen Laberpodcasts eben genau deswegen so erfolgreich, weil sie kein objektiver Wissenschaftsjournalismus sind und auch keine wissenschaftliche Präsentation reiner Fakten! Sie sind erfolgreich weil die Leute dort so viel “belangloses” Zeug aus ihrem Privatleben erzählen.
Denn dadurch werden die “Leute” zu konkreten Personen. Sie werden zu Menschen, die man – zumindest ein klein wenig – persönlich kennt. Das sind dann keine unbekannten, neutralen, gesichts- und eigenschaftslosen Stimmen mehr, sondern fast schon so etwas wie “Freunde”. Und meinen Freunden höre ich eben gerne zu, wenn sie mir was erzählen. Selbst wenn es Themen sind, die ich mir normalerweise nicht anhören würde.
Ein Beispiel: Der Podcast von “Welt der Physik” ist durchaus sehr empfehlenswert. Es ist ein klassischer “Radiopodast”; also ein Podcast, der zwar kein Radio ist aber exakt so wie er ist auch im Radio laufen könnte. Mit Kurzmeldungen, einem längeren Thema das als Feature mit Interviews und Audiospielereien aufbereitet ist, Veranstaltungstipps, und so weiter. Ein normales Wissenschaftsmagazin eben und ich höre den Podcast schon lange – aber ich höre bei weitem nicht jede Folge. Ich höre den Podcast dann, wenn das Thema der Folge eines ist, das mich interessiert. Wenn das Thema für mich langweilig oder uninteressant klingt, lasse ich die Folge aus. Höre ich dagegen “Forschergeist” oder “Methodisch Inkorrekt”, dann höre ich jede Folge, auch die, in denen Themen vorkommen die mich eigentlich nicht so interessieren. Aber in diesen Podcasts geht es auch nicht vorrangig um das Thema. Vereinfacht gesagt: Ich höre den Podcast nicht, weil ich unbedingt mehr über “Ladungszustände an der Oberfläche von Diamantkristallen” erfahren will (Brr… wer will das schon?!). Sondern weil ich hören will, was Nicolas und Reinhard darüber erzählen und wie sie es erzählen. Ich höre “Forschergeist” nicht, weil ich unbedingt über die “Wandlungsfähigkeit, Evolution und Widerstandsfähigkeit des städtischen Raums” informiert werden möchte, sondern weil ich wissen will, was Tim von der Sache hält. Und weil ich aus Erfahrung weiß, dass Nicolas, Reinhard und Tim sympathische Typen sind, die mir schon früher jede Menge vermittelt haben, mit denen ich nicht gerechnet haben. Weil ich weiß, dass sie zwischendurch immer wieder persönliche Einsichten und Ansichten zum besten geben, die auch die für mich unzugänglichen Themen zugänglich machen.
Es ist ja eigentlich logisch: Wir Menschen mögen Geschichten. Und wir mögen Geschichten, die wir mit unserem eigenen Leben verbinden können. Aber im Leben der wenigstens Menschen geht es um Ladungszustände von Diamantkristallen oder die Wandlungsfähigkeit des städtischen Raums. Darunter können wir uns nichts vorstellen, wir sehen nicht, was das mit uns zu tun haben soll oder warum uns das interessieren sollte. Aber wenn mir jemand von nervigen Erlebnissen mit der deutschen Bahn erzählt; von Stress mit Vorgesetzten oder den Hausaufgaben der Kinder, dann ist das etwas, was ich so oder so ähnlich auch erlebt habe. Ich kann mich in die andere Person hinein versetzen, kann eine Verbindung aufbauen und wenn die Verbindung einmal da ist, bin ich auch viel eher bereit, mir etwas anzuhören, was ich mir vielleicht ohne diese Verbindung nicht angehört habe.
Hört man diese Art Podcasts, dann hat man das Gefühl, man würde mit ein paar guten Bekannten in der Kneipe sitzen und über Wissenschaft plaudern. Da redet man eben nicht streng nach Plan, da schweift man ab und zu mal ab, weil einem zu einer Geschichte eine Anekdote einfällt, die zwar nix mit dem Thema zu tun hat, aber halt einfach zu lustig ist, um nicht erzählt zu werden. Da redet man viel länger über ein Thema als man vorhatte, weil es dann doch viel interessanter war, als man dachte. Und ich höre zu – weil es eben Spaß macht, mit guten Bekannten in der Kneipe zu sitzen. Bei klassischen Sendungen wie “Welt der Physik” fehlt diese intensive Verbindung zwischen Hörerschaft und Moderatoren. Da ist, abgesehen vom Thema selbst, nichts was mich motivieren würde, mir das anzuhören.
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen, das man entweder als Vor- oder Nachteil betrachten kann. Wenn ich mit Freunden in der Kneipe sitze und wir einfach nur plaudern, muss ich nicht unbedingt jedes Wort hören. Ich kann problemlos mal eben aus Klo gehen, ein paar Minuten Gespräch verpassen und dann wieder einsteigen. Genau so kann ich die Laberpodcasts “nebenbei” hören; bei der Hausarbeit, beim Sport, auf dem Weg zur Arbeit, und so weiter (mit Videos geht das übrigens nicht, da ich dort nicht nur hören, sondern auch schauen muss, was die möglichen “Nebentätigkeiten” stark einschränkt). Ich muss nicht in jeder einzelnen Sekunde stark konzentriert zuhören. Wenn ich mal ein paar Sätze verpasse, weil meine Gedanken abschweifen, ist das kein Problem. Das liegt an der ob des “Gelabers” geringeren Informationsdichte, führt aber dazu, dass die gesamte Sendung viel zugänglicher wird. Vier Stunden beim Geplauder von Freunden zuhören ist kein Problem. Vier Stunden hochkonzentriert einem dicht mit Fakten gefülltem Fachvortrag zu folgen dagegen sehr.
Es kommt auch auf die Technik an!
Das was ich gerade geschrieben habe, betrifft allerdings nur einen kleinen Teil dessen, was Podcasts sind und sein können. Es gibt jede Menge Podcasts über Wissenschaft, in denen nicht stundenlang “gelabert” wird. Eine persönliche Verbindung zur Hörerschaft kann man auch mit kurzen Sendungen aufbauen. Der Zeitsprung Podcast ist dafür ein gutes Beispiel – ich würde mir lang nicht so viele Geschichten über die Geschichte anhören, hätte ich nicht das Gefühl, die beiden Moderatoren wäre nette Typen mit denen man auch nett mal ein Bier trinken gehen könnte. Andererseits gibt es natürlich auch Menschen, die strukturierte Information haben wollen. Die werden durch die “Laberpodcasts” nicht persönlich an den Podcast gebunden, sondern komplett abgeschreckt. Und man kann selbstverständlich auch erfolgreiche Podcasts machen, ohne vom Thema abzuschweifen und seine Persönlichkeit einzubringen. In meinem Sternengeschichten-Podcast sage ich – im Gegensatz zu meinem Blog und den anderen Podcasts an denen ich beteiligt bin – rede ich zum Beispiel ausschließlich über das jeweilige astronomische Thema der Folge. Von meinem Privatleben oder generell mir als Person ist dort absolut nichts zu hören.
Ich will das “lange labern” also keinesfalls als alleiniges Allheilmittel der Wissenschaftskommunikation und den einzigen Grund für den Erfolg von Wissenschaftspodcasts darstellen. Es gibt genau so viele Wege zum Erfolg wie es unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Zielgruppen gibt. Aber ich hab bis jetzt kein anderes Medium entdeckt, in dem das Format des “Laberpodcasts” erfolgreich oder auch nur möglich wäre. Dass es bei Podcasts funktioniert, macht dieses Medium meiner Meinung nach so besonders. Denn man kann eben nicht nur all die Techniken und Taktiken nutzen, die man in anderen Medien war Radio, TV, Zeitungen, etc nutzen kann sondern auch Formate verwenden, die anderswo katastrophal scheitern würden. Man kann hier stundenlang über ein einziges Thema quatschen; es in allen Einzelheiten und Details ausdiskutieren. Und man findet Leute, die sich all das mit Begeisterung anhören!
Alles Blödsinn?
Das zumindest ist meine persönliche Meinung. Meine These lautet: “Das stundenlange Gerede über Wissenschaft ist deswegen so erfolgreich, weil es eben nicht nur Gerede über Wissenschaft ist, sondern auch Gerede über die Personen die da reden. Weil man so das Gefühl bekommt, die Leute die da reden zu kennen. Und weil man Leuten, die man kennt und mag, gerne bei allem zuhört, was sie erzählen, auch Themen, die man sich ansonsten nicht anhören würde. Und dieses anderswo nicht mögliche Format erweitert das Medium ‘Podcast’ auf eine Art und Weise, die es insgesamt so erfolgreich macht.”
Jetzt würde mich natürlich interessieren, ob ich mit meiner Ansicht alleine dastehe oder es anderen auch so geht. Wenn ihr Podcasts hört: Warum hört ihr sie? Was ist, eurer Meinung nach, der Grund, warum Podcast über Wissenschaft erfolgreich sind? Oder sind sie es vielleicht gar nicht und ihr könnt mit dem Format überhaupt nichts anfangen? Welche Formate findet ihr gut (und warum) und welche absolut schrecklich? Welches Podcastformat gibt es nicht, obwohl es eurer Meinung nach unbedingt existieren sollte?
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