Schwarze Löcher! Gibt es noch ein anderes Himmelsobjekt das so vorhersagbar und so massiv die Faszination der Menschen weckt? Diese Dinger beschäftigen Wissenschaftler und Öffentlichkeit gleichermaßen intensiv und wenn erstere etwas neues entdecken können sie sich der Aufmerksamkeit zweiterer sicher sein. Aktuell macht das “am schnellsten wachsende schwarze Loch” Schlagzeilen; ein “hungriges Monster”, das australische Astronomen entdeckt haben. Darüber, wie viel Masse es in sich hinein stopft (alle 2 Tage das Äquivalent unserer Sonne), wie gefährlich es ist (wäre es in unserer Milchstraße wäre die beim Fressen abgegebene hochenergetische Strahlung selbst für die weit entfernte Erde massiv schädlich) und wie hell es ist (zehnmal heller als der Vollmond, befände es sich im Zentrum unserer Milchstraße) kann man in all diesen Artikel alles wissenswerte lesen. Ich hab mir daher gedacht, ich schreibe etwas anderes darüber. Ich will über das schreiben, was die Wissenschaftler in ihrem Fachartikel veröffentlicht haben (dort steht nichts von all dem, was ich gerade erzählt habe) und nicht von dem, was sie in Pressemitteilungen verkündet haben (alles, was man in den normalen Medienartikeln lesen kann).
Die Arbeit von Christian Wolf von der Australian National University in Canberra und seinen Kollegen heißt “Discovery of the most ultra-luminous QSO using Gaia, SkyMapper and WISE” und beschäftigt sich mit einer auf den ersten Blick eher unaufregenden Frage. Wie kann man extrem helle Quasare beobachten? Die Frage klingt nicht nur potentiell langweilig, sondern auch seltsam. Wenn diese Dinger sowieso schon extrem hell sind, wie kann es dann schwer sein, sie zu beobachten?
Aber lassen wir diese Frage fürs erste mal offen und schauen uns an, was ein Quasar eigentlich ist. Das hab ich schon oft erklärt (unter anderem hier), aber ich tue es gern noch einmal: Im Zentrum jeder großen Galaxie befindet sich ein supermassereiches schwarzes Loch. Wie der Name schon sagt, haben diese schwarzen Löcher super viel Masse. Einige Millionen mal mehr als unsere Sonne; teilweise bis zu einigen Milliarden Sonnenmassen. Das ist deutlich mehr als die “normalen” stellaren schwarzen Löcher, die entstehen wenn ein großer Stern am Ende seines Lebens unter seinem eigenen Gewicht kollabiert.
Normalerweise sind schwarze Löcher schwarz, d.h. sie geben keine Strahlung ab und man kann sie nicht sehen. Aber die Umgebung schwarzer Löcher kann enorm hell leuchten. Nämlich dann, wenn sich dort Material befindet, das gerade dabei ist, in das schwarze Loch zu fallen. Während es das tut, wird es enorm stark beschleunigt, enorm stark aufgeheizt und dabei gibt es Strahlung ab. Unter anderem sehr viel Radiostrahlung, weswegen man sie mit Radioteleskopen beobachten kann. Diese extrem starken Radioquellen (d.h. die supermassereichen schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien) nennt man “Quasare”.
Eine Frage, die sich hier sofort stellt ist die nach ihrer Entstehung. Wie kriegt man ein schwarzes Loch mit so enormer Masse? Die Antwort darauf ist simpel: Wir wissen es nicht. Es gibt ein paar Hypothesen, aber wir haben bis jetzt noch keine davon definitiv bestätigt. Sie könnten zum Beispiel als normales Loch begonnen und dann aus irgendwelchen Gründen sehr lange, sehr stark und sehr schnell gewachsen sein. Oder aber vielleicht sind sie aus mehreren schwarzen Löchern entstanden, die größer waren als normal. Wie gesagt: Wir wissen es nicht. Aber wir würden es gerne herausfinden. Und genau deswegen muss man die extrem hellen Quasare beobachten. Denn das ist die einzige Möglichkeit, Informationen über die supermassereichen schwarzen Löcher zu erhalten. Es gibt auch schwarze Löcher, aus deren Umgebung keine Strahlung kommt. Aber die können wir halt nicht sehen. Deswegen brauchen wir die, in deren Umgebung noch Material vorhanden ist, das leuchten kann. Diese Löcher finden wir in der Vergangenheit. Denn als die Löcher und die Galaxien noch jung waren, gab es da jede Menge Material, das hineinfallen konnte. In den älteren Galaxien (so wie unserer Milchstraße) ist kaum noch Material weswegen unser zentrales schwarzes Loch auch kein heller Quasar mehr ist. Der Blick in die Vergangenheit ist auch deswegen praktisch, weil wir ja wissen wollen, wie die Dinger entstanden sind, und das ist einfacher, je weiter wir zurück blicken.
Zumindest theoretisch einfach. In der Praxis ist es schwierig und damit wären wir wieder bei der Frage vom Anfang. Wieso sind extrem helle Quasare schwer zu beobachten? Weil auch jede Menge andere Zeug im Universum extrem hell leuchtet! Christian Wolf und seine Kollegen beschreiben in ihrer Arbeit genau dieses Problem. Man kann nicht einfach irgendwie zum Himmel schauen. Beziehungsweise kann man das natürlich schon. Aber dann sieht man halt nur jede Menge Lichtpunkte und hat keine Ahnung, was davon ein naher Stern und was ein ferner Quasar ist. Das geht nur durch eine detaillierte Beobachtung und die kosten Zeit und Geld. Das für jeden der unzähligen Lichtpunkte am Himmel zu machen, ist nicht praktikabel. Deswegen erstellt man Kataloge mit Objekten von denen man denkt, das es sich um Quasare handeln könnte. Bis jetzt hatte man allerdings hier immer das Problem, das nur sehr wenige dieser Kandidaten tatsächlich Quasare waren und sehr viele der Objekte tatsächlich nahe Sterne, die nur auf den ersten Blick so aussehen wie Quasare.
Dieses Problem ist jetzt gelöst. Denn es gibt GAIA! Dieses vor fünf Jahren gestartete Weltraumteleskop hat nun einen großen Teil seiner Mission erfüllt und genau Daten von mehr als einer Milliarde Sterne geliefert. Damit ist GAIA nicht nur dabei, eine waschechte Revolution in allen Gebieten der Astronomie auszulösen, sondern macht auch die Suche nach Quasaren leichter. Denn GAIA misst auch die Bewegung von Sternen und damit kann man leicht zwischen Stern und Quasar unterscheiden. Ein naher Stern in unserer Milchstraße bewegt sich vergleichsweise schnell. Eine unvorstellbar weit entfernte Galaxie aus unserer Sicht dagegen so gut wie gar nicht. Mit den Daten von GAIA konnten Wolf und seine Kollegen nun die zugemüllten Quasar-Kataloge säubern und auf die Suche nach supermassereichen schwarzen Löcher gehen.
Das, auf das sie sich konzentriert haben, trägt den Namen QSO SMSS~J215728.21-360215.1. Es wurde mit diversen Teleskopen genau unter die Lupe genommen (Hmm – irgendwie ein sehr schiefes Sprachbild…) und nun weiß man, dass das Licht mehr als 12 Milliarden Jahre von dort bis zu uns braucht. Und man weiß, dass es dort jede Menge Licht gibt! J2157-3602 (wie man das Ding nennt, wenn man es ein wenig besser kennt) ist heller als alle bisher bekannten Quasare. Die enorme Helligkeit lässt darauf schließen, dass es auch das schwarze Loch mit der größten bekannten Masse ist. Sollte es sich so verhalten wie die bisherigen Rekordhalter unter der supermassereichen schwarzen Löcher, dann müsste es eine Masse von ungefähr 20 Milliarden Sonnenmassen haben.
Im Gegensatz zu den Pressemitteilungen wollen sich Christian Wolf und seine Kollegen in ihrem Fachartikel darauf aber nicht definitiv festlegen. Sie beschränken sich darauf festzustellen, dass es wichtig ist, auch weiterhin auf die Suche nach solchen extrem hellen Quasaren zu gehen, wenn man herausfinden will, wie supermassereiche schwarze Löcher so supermassereich werden. Und das es weitere Beobachtungen braucht und auch geben wird. Die kürzlich gestartete Taipan-Durchmusterung wird über eine Million Galaxien beobachten und so den bisher komplettesten Katalog supermassereicher schwarzer Löcher liefern. Und dann sehen wir ja, ob das aktuelle “hungrige Monster” auch weiterhin seinen Platz als Rekordhalter behalten kann.
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