Letzte Woche habe ich in einem Blog-Artikel darüber nachgedacht, wie man im Rahmen einer vernünftigen Wissenschaftskommunikation mit Leuten sprechen kann, die einem nicht zuhören wollen. Man kann das Problem natürlich auch ignorieren – sehr viel Wissenschaftskommunikation richtet sich ja im Vorhinein an eine wissenschaftsinteressierte Zielgruppe, die zuhören WILL. Aber in vielen Bereichen reicht das nicht. Es gibt eine große Lücke zwischen dem, was die Wissenschaft über die Welt herausgefunden hat und dem, was Teile der Bevölkerung über die Welt denken. Die Existenz dieser Lücke ist oft kein Problem. Sehr oft aber schon. Zum Beispiel wenn die Wissenschaft ohne jeden Zweifel feststellt, dass menschliche Aktivität das Klima verändert und dass daraus katastrophale Folge erwachsen. Und Teile der Bevölkerung das einfach nicht glauben/akzeptieren. Oder wenn die Wissenschaft feststellt, das pseudomedizinischen Aktivitäten wie Homöopathie keine echte medizinische Wirkung haben; Teile der Bevölkerung das aber ignorieren (was potentiell fatale gesundheitliche Folgen hat). Gleiches gilt für medizinische Erkenntnisse zu Impfungen, zum Bildungssystem, zum Einfluss der Sterne auf den Menschen, und so weiter.
In meinem Artikel von letzter Woche habe ich geschrieben, das es mir schwer fällt, angesichts dieser Lücke einen vernünftigen Weg der Wissenschaftskommunikation zu finden. Denn wer bei einem Thema völlig anders denkt als “die Wissenschaft” wird “der Wissenschaft” auch nicht zuhören. Zumindest dann nicht, wenn man es auf die falsche Weise tut. Auf jeden Fall dann nicht, wenn man die Andersdenkenden auslacht, als “dumm” bezeichnet, ihnen erklärt das alles Blödsinn ist, was sie sagen, und so weiter. Diese Art der “Kritik” an Esoterik und Pseudowissenschaft ist nicht so selten wie man denkt. Man braucht sich nur in den sozialen Medien ein wenig umschauen und wird jede Menge “Skeptiker/Humanisten/Rationalisten/etc” finden, die genau das tun. Aber auch wenn prinzipiell vernünftige und echter Kommunikation interessierte Menschen sich mit solchen Themen beschäftigen, ist es schwer, ein vernünftiges Gespräch zu führen.
Denn mit “Das was du sagst ist falsch. Die wissenschaftlichen Argumente dafür lauten: …” erreicht man gar nichts. Und ja, ich weiß, das es generell schwer ist, wenn man Leute von etwas überzeugen will, das komplett ihrer aktuellen Weltsicht widerspricht. Aber ich bin nicht davon überzeugt, das es völlig aussichtslos ist! Wenn man es schafft, ein echtes Gespräch zu führen. Und nicht einfach nur Recht haben will. Was oft gar nicht so einfach ist, denn die Sache mit dem “Recht haben” erkennt man oft erst, wenn es schon zu spät ist. Weil man nicht immer erkennt, worum es dem Gegenüber bei der ganzen Sache eigentlich geht.
Viel besser als ich das gerade erklären kann, macht das Emily Calandrelli. Die amerikanische Ingenieurin hat nicht nur Ahnung von Wissenschaft, sondern auch einen Schwung (wissenschaftsthematische) Kinderbücher geschrieben und im Fernsehen Wissenschaft präsentiert (zB in der Netflix-Show mit Bill Nye). In einem sehenswerten Vortrag spricht sie über genau das Thema, das ich gerade angesprochen habe (Oder besser gesagt: Ich habe das Thema deswegen angesprochen, weil ich zuvor den Vortrag gesehen habe und darüber schreiben wollte. Sie erklärt das Problem angesichts des Klimawandels und ihrem Heimatstaat West Virgina, wo man so viele Klimawandelleugner findet wie nirgendwo sonst in den USA. Wie kommuniziert man mit diesen Menschen?
Die Beispiele die sie am Anfang aus den sozialen Netzen bringt sind, wie gesagt, nicht schwer zu finden. Und ich kann Calandrelli nur zustimmen, wenn sie angesichts der Lücke zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit sagt:
“Der erste Schritt, diese Lücke zu schließen besteht darin, damit aufzuhören, diejenigen die der Wissenschaft nicht glauben, für dumm zu halten. Es ist viel nuancierter und man wird diese Nuancen nie verstehen, bevor man sich nicht dazu entschließt, nett zu sein. Bevor wir nicht mit Empathie und Respekt vorangehen und verstehen, was diese Menschen (be)kümmert. “
Und das, was sie am Ende des Vortrags sagt, halte ich für wichtig genug, um es noch einmal explizit zu wiederholen:
“Wenn ihr daran arbeiten wollt, diese Lücke im Wissenschaftsverständnis zu schließen, müsst ihr euch fragen: Ist es euer Ziel, Recht zu haben? Oder wollt ihr einen Sinneswandel erreichen? Denn wenn ihr nur Recht haben wollt: Tut das. Seid abfällig, macht euch über die Leute lustig. Nennt sie “dumm”. Ihr mögt Recht haben, was die Wissenschaft angeht. Aber ihr werdet in Isolation Recht haben. Denn das ist eine einseitige Kommunikation. Aber wenn ihr überzeugen wollt, wenn ihr etwas erreichen wollt, dann müsst ihr nett sein. Ihr müsst realisieren, dass Wissenschaftskommunikation nicht für alle mit der gleichen Methode funktioniert. Denn jedem Menschen sind andere Dinge wichtig. Wenn ihr zu einer Veränderung beitragen wollt: Seid nicht dumm. Macht die Wissenschaft netter. “
Recht haben ist einfach. Recht haben ist das, was die Wissenschaft dauernd tut; deswegen haben wir sie ja. Aber mit Recht haben allein kommt man nicht weiter. Denn, wie Emily Calandrelli so richtig festgestellt hat: Am Ende hat man dann alleine und in Isolation Recht. Und damit ist niemandem geholfen.
P.S. Und diejenigen, die über das Video und Calandrellis Aussagen diskutieren wollen, würde ich bitten sich vorher auf jeden Fall das Video komplett anzusehen. Denn sie sagt noch viel mehr interessante und wichtige Sachen als die paar Sätze, die ich hier zitiert und übersetzt habe.
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