Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 304: Die Drake-Gleichung
Die Drake-Gleichung gehört vermutlich zu den wenigen mathematischen Gleichungen, die in der Öffentlichkeit immer wieder prominent diskutiert werden. Mit ihr kann man berechnen, wie viele intelligente außerirdische Zivilisationen sich in unserer Umgebung befinden mit denen eine Kontaktaufnahme möglich ist. Nur dass das genaugenommen nicht stimmt…
Um zu sehen, was an der Drake-Gleichung problematisch ist, muss man sie erst einmal im Detail verstehen. Entstanden ist sie im Jahr 1961, als der amerikanische Astronom Frank Drake im Rahmen einer Konferenz über die Suche nach außerirdischem Leben darüber nachgedacht hat, wie gut die Chancen stehen, dabei erfolgreich zu sein. Er hat sich überlegt, unter welchen Vorraussetzungen es da draußen im Weltall überhaupt intelligentes Leben kann, das in der Lage ist mit uns Kontakt aufzunehmen bzw. auf unsere Versuche einer Kontaktaufnahme reagieren kann.
Damals machte man ja gerade die ersten Versuche von SETI, der “Search for Extraterrestrial Intelligence”. Man richtete große Radioteleskope zum Himmel und versuchte, mögliche Botschaften aufzufangen, die von Außerirdischen in Richtung Erde geschickt wurden. Aber das Universum ist groß. Wie wahrscheinlich ist es, das man mit diesem Vorhaben Erfolg hat?
Um eine Botschaft empfangen zu können, braucht es zuerst einmal einen passenden Stern. Er darf nicht zu groß sein, sonst ist seine Lebensdauer zu kurz damit sich dort ein vernünftiges Planetensystem bilden und entwicklen kann. Und nicht zu klein, damit ein Planet auch ausreichend Energie abbekommt. Und natürlich braucht der Stern auch erst mal einen passenden Planeten auf dem sich Leben entwickeln kann. Er muss die richtige Größe haben, die richtige Atmosphäre und darf weder zu nah noch zu fern von seinem Stern sein, damit die Temperatur die Existenz von Leben ermöglicht. Dann muss es auf diesem Planeten auch tatsächlich Leben geben und nicht nur einfach Leben sondern intelligentes Leben. Diese intelligenten Aliens müssen dann außerdem noch technisch in der Lage sein, eine Botschaft an uns zu schicken und sie müssen das jetzt tun und nicht erst in einer Milliarde Jahre – beziehungsweise die Botschaft schon vor einer Milliarde Jahre abgeschickt haben.
All das hat Frank Drake in einer Gleichung zusammengefasst. Mathematisch gesehen ist sie simpel. Man muss dafür nur sieben Zahlen miteinander multiplizieren. Die erste Zahl ist die mittlere Sternentstehungsrate pro Jahr in unserer Galaxie. Was in anderen Galaxien passiert hat Drake hier nicht interessiert; die sind sowieso viel zu weit weg als das man eine Chance hätte, irgendeine Botschaft zu empfangen. Je mehr Sterne entstehen, desto größer sind die Chancen, auch einen passenden Stern zu erwischen. Die zweite Zahl entspricht dem Anteil aller derzeit vorhandenen Sterne, die auch von Planeten umkreist werden. Die dritte Zahl ist der Anteil all dieser Planeten, die sich in der habitablen Zone ihres Sterns befinden, also dem Bereich, in dem die Temperatur zumindest theoretisch Leben ermöglichen könnte. Zahl Nummer vier ist der Anteil dieser potentiell lebensfreundlichen Planeten auf denen sich auch tatsächlich Leben entwickelt hat. Nummer fünf ist die Zahl dieser Planeten mit Leben, auf denen sich aus dem Leben auch intelligentes Leben entwickelt hat. Und davon nimmt man mit Zahl 6 noch den Anteil der Planeten, bei denen die Aliens auch Interesse und die Möglichkeit zur interstellaren Kommunikation haben. Das alles multipliziert man noch mit der Zeit, in der die Aliens dieses Interesse und die Möglichkeit haben, also der Lebensdauer ihrer Zivilisation.
Am Ende der Multiplikation erhält man eine Zahl als Ergebnis und die entspricht der Anzahl der Alien-Zivilisationen, die mit uns Kontakt aufnehmen könnten. Simpel, oder?
Nicht ganz. Eine mathematische Gleichung ist das eine. Das andere ist die konkrete Berechnung. Welche Zahlen soll man denn nun in die Gleichung einsetzen? Als Drake das ganze 1961 aufgestellt hat, kannte man nur eine der sieben Zahlen und auch die nicht exakt. Aber man wusste zumindest, dass pro Jahr in der Milchstraße ungefähr ein oder zwei Dutzend neue Sterne entstehen. Heute weiß man es etwas genauer: Die Zahl neuer Sterne pro Jahr liegt bei 4 bis 19 Sternen. Aber ob es auch Planeten bei anderen Sternen gibt, ob die in der habitablen Zone sind, und so weiter: Das war in den 1960er Jahren komplett unbekannt. Zumindest was das angeht, sind wir ein bisschen weiter gekommen. 1995 hat man den ersten Planeten eines anderen Sterns entdeckt. Mittlerweile kennen wir ein paar tausend und wissen, dass es ungefähr so viele Planeten wie Sterne selbst gibt, also ein paar hundert Milliarden. Und wir haben zumindest eine halbwegs brauchbare Vorstellung davon, wie viele dieser Planeten sich rein statistisch gesehen in der habitablen Zone befinden; ein paar Milliarden sollten es sein.
Aber so wie in den 1960er Jahren haben wir keine Ahnung, auf wie vielen dieser Planeten es Leben gibt. Wir kennen genau einen Planeten mit Leben und das ist die Erde. Aus einem Datenpunkt kann man keine weitreichenden Schlüsse ziehen, aber man kann es trotzdem versuchen. Wir wissen, dass sich das Leben auf der Erde mehr oder weniger unmittelbar zu dem Zeitpunkt entwickelt hat, als die Bedingungen auf der Erde die Entstehung von Leben ermöglich haben. Wenn wir das verallgemeinern, dann könnten wir optimistisch schließen, dass auf jedem Planeten Leben entsteht, auf dem das auch möglich ist. Aber wie ist es mit Zahl Nummer 5? Wie viele Planeten haben intelligentes Leben? Das ist eine ganz andere Frage. Auch hier gilt: Wir haben einen Planeten – die Erde – auf dem es intelligentes Leben gibt. Und dieses intelligente Leben – wir Menschen – hat sich erst enorm spät entwickelt. Das Leben selbst ist bei uns vor circa 3,5 Milliarden Jahren entstanden. Und fast die gesamte Zeit dieser 3,5 Milliarden Jahre ist es wunderbar ohne Intelligenz ausgekommen. Uns Menschen gibt es in der heutigen Form erst sein ein paar hunderttausend Jahren; wenn man großzügig ist, kann man auch ein paar Millionen Jahre nehmen. So oder so ist das nichts im Vergleich mit der ganzen restlichen Zeit in der es Leben, aber eben kein intelligentes Leben auf der Erde gab. Nimmt man das als allgemeines Prinzip an, dann würde daraus folgen, dass es enorm unwahrscheinlich ist, dass sich aus Leben intelligentes Leben entwickelt.
Was die letzten beiden Zahlen angeht, kann man hier nicht einmal mehr vernünftig spekulieren. Die technischen Möglichkeiten der interstellaren Kommunikation besitzen wir seit ein paar Jahrzehnten. Aber wenn die menschliche Geschichte ein wenig anders abgelaufen wäre, hätten wir sie vielleicht auch schon hundert Jahre früher entwickeln können. Oder aber vielleicht auch erst tausend Jahre später. Und wie lange eine Zivilisation überleben kann? Wir waren schon ein paar Mal kurz davor, einen weltweiten Atomkrieg anzuzetteln, was unsere technischen Möglichkeiten sicherlich deutlich reduziert hätte. Und wir sind gerade dabei, das Klima der Erde massiv zu verändern und den Planeten für uns immer lebensfeindlicher zu machen. Vielleicht lösen wir die Probleme; vielleicht kommen neue auf uns zu mit denen wir noch nicht rechnen. Und egal was wir aus UNSEREM Verhalten schließen: Für irgendwelche Aliens muss das alles absolut nicht gelten.
Das erste Problem mit der Drake-Gleichung ist also, dass wir keine Ahnung haben, welche Zahlen man einsetzen soll. Ein paar können wir recht gut abschätzen, beim Rest haben wir absolut keine Ahnung. Und wenn man sich die Gleichung ein wenig genauer ansieht, sieht man auch noch ein zweites Problem. Beziehungsweise nicht ein Problem an sich, aber eine mathematische Besonderheit. Bis auf eine sind alle sieben Zahlen sehr klein. Die Zahl der neuen Sterne ist nicht höher als 19. Die restlichen Zahlen bis auf die letzte sind alles Zahlen die zwischen 0 und 1 liegen; es handelt sich ja um Prozentangaben. Wie viel Prozent der Sterne haben Planeten? Und so weiter. Wenn wir den allerbesten Fall annehmen, können wir überall von 100 Prozent ausgehen. Das würde bedeuten, dass JEDER Planet in der Milchstraße von intelligenten Aliens bewohnt wird, die gerne kommunizieren wollen. Das ist zwar nicht der Fall, aber wir tun mal so, als wäre es so. Dann wäre die erste der sechs Zahlen in der Gleichung 19. Die nächsten 5 Zahlen wäre alle 1. Und 19*1*1*1*1*1 ist trotzdem immer noch 19. Die müssen wir jetzt noch mit der letzten Zahl multiplizieren, der typischen Lebensdauer einer Zivilisation. Wie lange das ist, wissen wir wie gesagt, nicht. Aber wir können – wieder optimistischerweise – davon ausgehen, das sie länger ist als 19 Jahre. Wir können vermutlich auch davon ausgehen, dass sie deutlich länger ist als 19 Jahre; 1000 Jahre; 10.000 Jahre oder vielleicht noch mehr. Alles läuft also darauf hinaus, das wir im allerbesten Fall eine kleine Zahl – die 19 – mit einer großen Zahl – der Lebensdauer – multiplizieren. Und wenn wir auch das noch vereinfachen, können wir die kleine Zahl einfach ignorieren. Dann vereinfacht sich die Frage nach dem Ergebnis der Drake-Gleichung auf die Frage nach der Lebensdauer einer Zivilisation. Bei unserer superoptimistischen Abschätzung brauchen wir die ganzen komplizierten Fragen nach Planeten in der habitablen Zone, Planeten mit Leben, usw also gar nicht.
Die Zahl der Alien-Zivilisationen in der Milchstraße ist also im allerbesten Fall ungefähr so groß wie Lebensdauer so einer Zivilisation (ausgedrückt in Jahren). Und hier zeigt sich das Dilemma der Drake-Gleichung sehr deutlich. Man kann im Wesentlichen einsetzen, was man gerne möchte. Und so auch jedes Ergebnis bekommen, das man gerne möchte. Man kann sieben plausible Zahlen finden und zu dem Ergebnis kommen, dass es ein paar Millionen Alien-Zivilisationen in der Milchstraße gibt. Man kann aber auch sieben andere und ebenso plausible Zahlen einsetzen und das Ergebnis erhalten, das wir die einzigen intelligenten Wesen in der Milchstraße sind.
Die Drake-Gleichung erweckt mit ihrem mathematischen Aussehen den Anschein, sie würde ein exaktes und verlässliches Ergebnis auf eine enorm faszinierende Frage liefern. Aber sie tut es nicht, weil wir nicht wissen, was man da einsetzen soll. Deswegen bin ich kein großer Fan dieser Gleichung. Sie wurde in der Vergangenheit von Leuten benutzt um zu zeigen, das außerirdisches Leben enorm häufig ist und genau so von Leuten, die damit das genaue Gegenteil demonstriert haben. Die Drake-Gleichung ist ein wunderbares Instrument um über die Frage nach außerirdischem Leben nachzudenken! Dabei stößt man auf all die offenen Fragen, die wir noch beantworten müssen und all das faszinierende Wissen, das wir schon haben. Aber man sollte sie auf keinen Fall zu ernst nehmen und sich von ihr eine definitive Antwort erhoffen!
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