Der September hat sich irgendwie zum Science-Fiction-Monat entwickelt. Ein wenig Fantasy/Krimi ist allerdings auch dazwischen geraten. Und am gruseligsten von allen Büchern was das Sachbuch über ganz reale deutsche Politik…
Der galaktische Krieg der Nerdarmee gegen Brasilien
Ok, die Überschrift ist ein wenig irreführend. Aber nicht sehr und ich will ja auch nicht zu viel spoilern. Aber wahrscheinlich bin ich sowieso wieder mal der letzte, der das Phänomen des “Bobiverse” entdeckt hat. Es handelt sich um die drei Bücher “We are Legion (We are Bob)”, “For we are many” und “All these worlds” von Dennis Taylor. Auf deutsch ist der erste Band unter “Ich bin viele” erschienen, der zweite kommt im Dezember (“Wir sind Götter”). Alles fängt an mit Bob, ein reicher Softwareingenieur und Mega-Nerd, der sich auf einer Science-Fiction-Convention gerade entschlossen hat, seinen Kopf nach seinem Tod einzufrieren. Womit Bob allerdings nicht gerechnet hat: Kurz danach von nem Auto überfahren zu werden.
Er “erwacht” ein paar hundert Jahre in der Zukunft; in den USA regiert ein fundamentalistischer christlicher Gottesstaat; der Rest der Welt gehört Brasilien, Australien, China und Europa/Russland. Und es gibt eine Art Wettrüsten zum Bau von “Van-Neumann-Proben”. Raumsonden, die in der Lage sind, sich selbst zu replizieren. Die Dinger sollen andere Planeten finden und erforschen um der Menschheit die Kolonisation fremder Sterne zu ermöglichen. Künstliche Intelligenzen sind zu blöd um so eine Probe zu steuern, Menschen leben nicht lange genug. Also taut man ein paar Leute aus der Vergangenheit auf, transferiert ihr Bewusstsein in nen Computer und auf gehts!
Bob wird zur Van-Neumann-Probe und macht sich auf den Weg ins Weltall während hinter ihm die Erde in einem nuklearen Weltkrieg versinkt (die fiesen Brasilianer!). Und auch im All trifft er auf seine brasilianischen Konkurrenten. Aber für was kann man sich replizieren! Aus einem Bob werden zwei und mehr – und dank irgendeinem Quantendings keine exakte Kopie und sondern lauter leicht unterschiedliche Persönlichkeiten.
Der Konflikt der Bobarmee und Brasilien ist natürlich nicht die Haupthandlung. Die gibts in der Form nicht; Bob und seine Bobs haben jede Menge Dinge zu erledigen. Planeten finden und erforschen. Die Erde rechtzeitig vor dem nuklearen Winter evakuieren. Aliens untersuchen und verstehen. Neue Dinge und Raumschiffe bauen. Und bei der Erforschung der Milchstraße eine tatsächlich ziemlich grauenhafte und furchterregende Entdeckung zu machen…
Ich hab selten ein Buch gelesen, das so viel Spaß macht. Es ist extrem spannend und herrlich absurd. Der grandiose Nerd Bob, der es irgendwie schafft, zum galaktischen Computerüberwesen und Beschützer der Menschheit zu werden – und alle mit seinen uralten popkulturellen Anspielungen nervt, die niemand versteht. Dazu kommen jede Menge schöne Sci-Fi-Elemente (Erstkontakt, Weltraumschlachten, etc) und viel interessante echte Wissenchaft. Sollte man gelesen haben!
Kinder der Zeit
Das Buch “Children of Time” (auf deutsch: “Die Kinder der Zeit”) von Adrian Tchaikovsky ist schon vor ein paar Jahren erschienen und in der Zwischenzeit mit diversen Preisen hoch dekoriert worden. Zu Recht. Wer es noch nicht kennen sollte: Ändert das. Es spielt in einer ferneren Zukunft; die Menschheit hat sich übers Sonnensystem ausgebreitet, ein paar Planeten anderer Sterne kolonialisiert und ist dabei, noch viel mehr zu versuchen. In einem Projekt sollen Affen auf einem speziell vorbereiteten Planeten ausgesetzt und dann mit einem Nanovirus “upgeliftet” werden. Der Virus soll also ihre kognitive Entwicklung beschleunigen und aus ihnen in kurzer Zeit eine intelligente Spezies machen. Wenn da nicht fiese Terroristen wären, die alles in die Luft sprengen. Die Affen gehen hops, ebenso fast der gesamte Rest der Menschheit im sich entwickelnden Krieg und übrig bleibt nur eine Wissenschaftlerin in ner Statiskammer im Orbit um den affenlosen Planeten und der Nanovirus, der jetzt halt planlos schaut, was es da sonst noch zum upliften gäbe.
Und das sind Spinnen! Tchaikovsky beschreibt extrem gut und originell wie sich eine intelligente Spinnenzivilisation entwickeln könnte! Er hat ein paar sehr coole Ideen dazu, die ich aber nicht verraten möchte (allein die Art und Weise wie dort “Computer” gebaut werden!!). Parallel zum Aufstieg der Spinnen entwickelt sich im Buch die Geschichte der letzten Reste der Menschheit, die aus der Asche des Kriegs Jahrtausende später ohne viel Verständnis aus uralter Technologie ein Generationenschiff zusammenzimmern um die sterbende Erde auf der Suche nach einer besseren Welt zu verlassen. Und natürlich treffen sie dabei auf die Spinnen! Was klingt wie der Plot eines schlechten B-Movies ist nichts davon, sondern eine sehr gute, sehr spannende und äußerst schöne Geschichte mit einem Titel, der besser nicht sein könnte!
Origin
Damit es nicht langweilig wird, hab ich diesmal auch ein schlechtes Buch dabei! “Origin” (im Original: “Origin”). Ein Notkauf, als ich ein paar Stunden mit dem Zug liegen geblieben bin, meinen Ebook-Reader nicht dabei hatte und im Zeitschriftenladen kaum besseres zu kriegen war. Man kann ja durchaus mal ein Buch von Brown lesen. Aber dann reicht es auch. Die Grundhandlung ist immer gleich; die Figuren sind immer die gleichen Stereotypen und alles läuft immer nach dem gleichen Muster ab. Und dann ist halt alles bei Brown immer so schrecklich dumm.
In irgendeiner Rezension zu Brown hab ich mal gelesen: “Dan Brown schreibt so, wie dumme Menschen glauben, das kluge Menschen reden”. Das trifft es recht gut. Brown schreibt über Wissenschaft und Wissenschaftler so, wie Leute die keine Ahnung von beidem haben sich vorstellen, das Wissenschaft und Wissenschaftler zu sein haben. Aber im echten Leben würde sich ein Forscher nie und nimmer so verhalten wie Brown sich das vorstellt. In “Origin” geht es um ein Computergenie, das mal so nebenbei und angeblich die Antworten auf die Fragen “Woher kommen wir?” und “Wohin gehen wir?” gefunden hat. Endgültige und definitive Antworten, die niemand bezweifeln kann, heißt es. Allerdings wird er umgebracht, bevor der Welt seine Forschungsergebnisse im Rahmen einer millionenteuren Multimediashow im Guggenheimmuseum in Bilbao verkünden kann (was Wissenschaftler halt so machen, wenn sie neue Ergebnisse publizieren…). Und natürlich steckt wieder die Kirche mit drin. Denn, das weiß Brown natürlich, die Kirche und die Wissenschaft sind Todfeinde und wenn die Wissenschaft jemals etwas entdecken sollte, das den Lehren der Kirche widerspricht, dann wird die Kirche unweigerlich zerstört und alle Gläubigen werden sofort zu Atheisten (kennt man ja aus der langen Geschichte der Wissenschaft; da passiert das ja andauernd). Deswegen muss die Kirche die wissenschaftliche Entdeckung auch bekämpfen und hat ganz sicher den Typen mit seinen Antworten auf die großen Fragen umgebracht!! Oder vielleicht nicht?? Dank Browns Subtilität ist eh schon vom ersten Kapitel an klar, dass die Kirche natürlich NICHT dahinter steckt und wer auch nur halbwegs mitdenkt, kann die übliche Brownsche “überraschende” Wendung schon ab dem ersten Viertel des Buchs vorhersehen.
Die Antworten auf die großen Fragen werden natürlich auch noch gegeben, ganz am Schluss. Ich will nicht spoilern, falls doch noch mal wer das Buch lesen will. Aber es ist halt nicht der so große Wurf, den Brown sich wahrscheinlich vorstellt. Sondern ein paar zusamengegoogelte Thesen aus dem Internet, die Brown nicht wirklich verstanden zu haben scheint (und deren reale Vorbilder sich auch gegen die Vereinnahmung wehren).
Insgesamt also genau das, was man sich von Dan Brown erwarten kann. Aber die Zeit am Bahnhof hat das Buch immerhin einigermaßen gut vertrieben!
Thüringer Verschwörung
Ich habe früher schon einmal über ein Buch von Ralf Sakulowski geschrieben: “Das Feengrottengeheimnis” ist in etwa das Buch, das Dan Brown schreiben würde, wenn er aus Thüringen käme und ein wesentlich besserer und originellerer Autor wäre. Deswegen hab ich mich nach der Brown-Lektüre von “Origin” auch gleich mal umgeschaut, ob Sakulowski vielleicht wieder was Neues geschrieben hat. Hat er! Und zwar “Die Gloriosa-Verschwörung”.
Hauptperson ist wieder der Historiker Jonas, der schon im sehr guten “Feengrottengeheimnis” ein mysteriöses Geheimnis aus der Vergangenheit aufdecken musste. Und so wie damals wirkt die Vergangenheit bis in die Gegenwart nach. Diesmal spielt das Buch nicht in Saalfeld sondern in Erfurt. Und obwohl es mir ebenfalls gut gefallen hat, war ich doch ein wenig enttäuscht. Beim “Feengrottengeheimnis” war die Trennung zwischen Mystery und Realität bis zum Schluss unklar und es blieb offen, ob man das Buch als Fantasy verstehen will oder nicht. In “Die Gloriosa-Verschwörung” bildet das Mystery-Element allerdings gleich den Einstieg ins Buch und es ist kein Raum für Vielschichtigkeit. Es geht hier definitiv NICHT alles mit rechten Dingen zu und in Erfurt passiert mehr zwischen Himmel und Erde als unsere Schulweisheit uns in einem normalen Krimi vermuten lässt. Aber trotzdem ein nettes Buch!
Inside AfD
Definitiv real aber trotzdem enorm gruselig ist das, was Franziska Schreiber in ihrem Buch “Inside AfD” beschreibt. Schreiber war Politikern bei der “Alternative für Deutschland”, enge Mitarbeiterin von Frauke Petry und in der Führungsriege “Jungen Alternative”. Bis ihr der Nazi-Mist irgendwann zu viel wurde, und sie die Partei verlassen hat. Wie sie zur AfD kam, was dort alles wirklich passiert und wie sich alles entwickelt hat sie in ihrem Buch aufgeschrieben.
Es ist ein ziemlich schockierender Bericht. Was man von der AfD zu halten hat, sollte einem als normal denkender Mensch ja eigentlich sowieso klar sein. Aber selbst dann ist der Insider-Bericht erschreckend. All die Manipulation, die Skrupellosigkeit, die (intern) unverhohlene Sympathie zum Nationalsozialismus und die Pläne für die Zukunft, wenn der “geschichtliche Moment” gekommen ist und die AfD nicht mehr so tun muss, wie sie jetzt tut sondern so sein kann, wie sie will… da kann einem schon das kalte Grausen kommen.
Schreiber erzählt, wie sie in der Jungen Alternative absichtlich Fake News verbreitet haben, wie sie mit Rechtsextremen paktiert und taktiert haben und wie die AfD sich und den Rest der politischen Landschaft in Deutschland zwangsläufig immer weiter radikalisiert. Natürlich muss man auch dieses Buch kritisch lesen (und ich kann bei Schreiber bei ihrer neoliberalen-kapitalistischen Post-Afd-Weltsicht absolut nicht zustimmen). Aber es gibt immerhin jede Menge Quellen und Belege, die eine eigene Recherche und Prüfung dessen was Schreiber erzählt möglich machen.
Wer immer noch denkt, die AfD wäre ein Phänomen das bald wieder verschwendet bzw. glaubt, da wären halt ein paar extreme “Einzelfälle” in einer ansonsten normalen Oppositionspartei: Der sollte dieses Buch unbedingt lesen! Und natürlich alle, die sich für Politik interessieren!
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