Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 311: Antimaterie
Antimaterie kennt man aus der Science-Fiction. Da gibt es Antimaterie-Waffen; Raumschiffe fliegen angetrieben mit Antimaterie durchs Universum und so weiter. In der Realität ist Antimaterie bei weitem nicht so prominent vertreten. Aber sie existiert und sie kann uns einiges über das Universum sagen.
Wenn wir Antimaterie verstehen wollen, müssen wir zuerst kurz die Materie betrachten. Also das Zeug, aus dem wir und alles andere was wir normalerweise so sehen können, besteht. Darüber habe ich ja schon ausführlich in Folge 46 der Sternengeschichten gesprochen. Wir kennen einen Schwung von Elementarteilchen aus denen die gesamte Materie besteht. Und ein paar Teilchen, die wir verwenden um die Kräfte zwischen der Materie zu beschreiben. Jedes Teilchen existiert aber in zwei verschiedenen Formen. Es gibt eine normale Form und eine Anti-Form, also ein Antiteilchen.
Jedes Teilchen hat ein paar Eigenschaften, durch die es beschrieben wird. Dazu gehören etwa die Masse, der Spin, die Stärke mit der es durch die verschiedenen Kräfte wechselwirkt und seine Lebensdauer, also die Zeit die es existiert, bevor es sich unter Umständen spontan in ein anderes Teilchen umwandelt. All diese Eigenschaften sind bei Teilchen und Anti-Teilchen identisch. Es gibt aber auch Eigenschaften die unterschiedlich sind. Das ist vor allem die elektrische Ladung. Wenn ein Teilchen eine elektrisch negative Ladung trägt, dann hat sein Anti-Teilchen eine elektrisch positive Ladung und umgekehrt. Aber Teilchen und Anti-Teilchen untertscheiden sich auch in ihrem magnetischen Moment, also vereinfacht gesagt die Stärke mit der sie magnetisch wirken. Und dann gibt es noch einen ganzen Schwung sogenannter Quantenzahlen, die weitere Eigenschaften von Teilchen beschreiben, auf die ich jetzt aber im Detail nicht eingehen will. Aber dort, wo diese Quantenzahlen mit der elektrischen Ladung zusammenhängen, unterschieden sich Teilchen und Anti-Teilchen ebenfalls.
Es kann aber auch Teilchen geben, die ihr eigenes Anti-Teilchen sind. Das Photon zum Beispiel hat keine elektrische Ladung in der es sich von einem etwaigen Anti-Teilchen unterscheiden könnte. Photon und “Anti-Photon” sind also identisch, das gleiche gilt zum Beispiel für das Higgs-Boson, das ebenfalls sein eigenes Anti-Teilchen ist.
Materie ist aus Teilchen aufgebaut. Ein Wasserstoff-Atom zum Beispiel hat einen Atomkern, der aus einem elektrisch positiv geladenen Proton besteht und eine Atomhülle in der sich ein elektrisch negativ geladenes Elektron befindet. Wobei man korrekterweise anmerken muss, dass das Proton selbst ja nur ein aus Quarks zusammengesetztes Teilchen ist. Es besteht aus zwei up-Quarks und einem down-Quark. Was für die Materie gilt, gilt für die Antimaterie ebenso: Anti-Teilchen können sich zu Antimaterie zusammenschließen. Das Anti-Teilchen des Protons wird – wenig überraschend – Anti-Proton genannt und das ist elektrisch negativ geladen und besteht aus zwei Anti-up-Quarks und einem Anti-down-Quark. Das elektrisch positiv geladene Anti-Elektron hat dagegen einen eigenen Namen bekommen und heißt Positron. Und wenn sich ein Anti-Proton und ein Positron zusammenfinden, dann kriegen wir ein Anti-Atom des Anti-Wasserstoff.
Antimaterie ist also auf den ersten Blick nicht sonderlich anders oder komplizierter als normale Materie. Sondern mit ihr identisch, bis auf die elektrische Ladung und ein paar andere quantenmechanische Eigenschaften. Aber wozu braucht man das Zeug überhaupt und warum vor allem sieht man so wenig von ihr? Immerhin hat es ziemlich lange gedauert, bis wir sie entdeckt haben. 1928 hat der britische Physiker Paul Dirac eine mathematische Gleichung entwickelt, die heute nach ihm Dirac-Gleichung genannt wird. Mit ihr lässt sich das Verhalten eines Elektrons beschreiben und Dirac hat darin die Quantenmechanik auf die spezielle Relativitätstheorie angewandt. Bis dahin existierten diese beiden großen wissenschaftlichen Theorien isoliert voneinander; Dirac war der erste der sie kombinieren konnte. Und in seiner relativistischen Beschreibung der Quantenmachnik eines Elektrons sah Dirac eine interessante Symmetrie. Wenn irgendwo ein Elektron erzeugt wird, dann bleibt laut seiner Gleichung eine Art elektronenartiges “Loch” übrig, mit entgegengesetzter elektrischer Ladung. Das nannte Dirac ein “Positron”, beschrieb es als Teilchen und sagte so die Existenz von Antimaterie vorher.
Vier Jahre später konnte der amerikanische Physiker Carl David Anderson dann dieses bis dahin nur theoretisch vorhergesagte Antiteilchen auch in der Realität nachweisen. Er hat das Positron übrigens nicht selbst mit irgendwelchen Teilchenbeschleunigern oder anderen Maschinen erzeugt sondern konnte zeigen, das es in der Natur selbst vorkommt. Er fand es in der sogenannten “kosmischen Strahlung”. Das sind diverse hochenergetische Teilchen die von der Sonne und anderen Sternen ins All geschleudert werden. Wenn sie auf die Erdatmosphäre treffen und mit den Atomen unserer Lufthülle kolldieren, können sie dort weitere Teilchen erzeugen, die man dann am Erdboden nachweisen kann. Die kosmische Strahlung ist also eine Art natürlicher Teilchenbeschleuniger. Und sie enthält bzw. verursacht Anti-Teilchen.
Das Problem bei der Antimaterie: Sie existiert normalerweise nicht lange. Nicht, weil sie selbst instabil ist. Sie ist – wie ich vorhin gesagt habe – genau so stabil oder instabil wie es die jeweils zugehörige Materie ist. Aber wenn Antimaterie und Materie zusammenkommen, dann kann eine sogenannte “Annihilation” stattfinden. Da beide Arten der Materie genau gleiche aber entgegengesetze Eigenschaften haben, können sie sich bei einer Kollision gegenseitig auslöschen. Also nicht ganz, sie verschwinden natürlich nicht komplett. Die Annihilation setzt Energie frei, normalerweise in Form von hochenergetischer Gammastrahlung. Aus dieser Energie können dann wieder neue Teilchen entstehen. Auch das ist kein sonderlich geheimnisvoller Prozess der nur bei Antimaterie existiert. Man kann auch zwei Materie-Teilchen mit ausreichend hohen Geschwindigkeiten kollidieren lassen so dass bei der Kollision neue Teilchen entstehen. Genau das macht man ja auch in Teilchenbeschleunigern. Aber weil Materie und Anti-Materie elektrisch gegensätzlich geladen sind, geht das hier besonders einfach.
Jetzt springen wir kurz zurück zum Anfang des Universums. Kurz nach seiner Entstehung war es extrem heiß; sehr viel Energie war auf sehr kleinem Raum konzentriert. Aus dieser Energie entstand Materie. Aber auch Antimaterie. Denn es gibt ja diverse Erhaltungssätze: Wenn aus reiner Energie Materie entsteht, muss immer auch eine gleich große Menge Antimaterie mit elektrisch entgegengesetzter Ladung entstehen. Alles muss ausgeglichen sein! Die Materie und die Antimaterie haben sich gegenseitig wieder ausgelöscht und zurück in Energie verwandelt. Das ging immer wieder hin und her. Aus Energie entstand Materie und Antimaterie; aus der Materie und der Antimaterie entstand Energie. Es herrschte ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Vernichtung von Teilchen und Antiteilchen.
Aber nicht lange. Denn das Universum dehnte sich aus. Je größer es wurde, desto weniger konzentriert war die Energie und desto kühler wurde es. Irgendwann hat die Energiedichte nicht mehr gereicht, damit aus der Energie neue Materie bzw. Antimaterie entstehen konnte. Die Energie blieb also Energie. Wir können die hochenergetische Strahlung die damals entstand noch heute beobachten: Das ist nichts anderes als die kosmische Hintergrundstrahlung (nicht zu verwechseln mit der vorhin erwähnten kosmischen Strahlung), die sich seit Milliarden von Jahren durchs Universum bewegt und die wir heute benutzen um mehr über den Anfang des Universums herauszufinden (und irgendwann mach ich nochmal eine eigenen Folge dazu).
Aber warum gibt es noch Materie und Antimaterie? Eigentlich dürfte heute nichts anderes mehr vorhanden sein als Energie. Dann dürfte es nichts geben im Universum, außer Energie. Es dürfte keine Sterne geben, keine Planeten, keine Menschen. Denn Materie und Antimaterie hätten sich ja auch gegenseitig zu Energie auslöschen sollen. Haben sie auch. Aber damals hat es ein klein wenig mehr Materie gegeben als Antimaterie. Ungefähr ein zusätzliches Materie-Teilchen für jede Milliarde Materie-Antimaterie-Teilchenpaare. Und nachdem sich alles gegenseitig vernichtet hat, ist dieses bisschen überschüssige Materie übrig geblieben. Daraus besteht die gesamte Materie die wir heute im Universum sehen. Und das ist nicht nur sehr überraschend und beeindruckend, sondern auch sehr mysteriös. Warum gab es mehr Materie als Antimaterie? Die Antwort darauf ist einfach: Wir haben keine Ahnung!
Nach allem was wir bis jetzt wissen, sind Teilchen und Anti-Teilchen tatsächlich identisch, bis auf die unterschiedliche Ladung natürlich. Wenn das wirklich so ist, dann dürfte es aber auch keine Ungleichheit zu Beginn des Universums gegeben haben. Dann müssten exakt gleich viele Teilchen und Anti-Teilchen entstanden sein. Es MUSS also irgendeinen Unterschied geben, irgendeine Asymmetrie, irgendeinen Prozess bei dem sich Materie und Antimaterie unterschiedlich verhalten. Deswegen beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überall auf der Welt mit der Erforschung der Antimaterie. Deswegen gibt man sich so viel Mühe, sie in Teilchenbeschleunigern herzustellen oder in Experimenten auf der Erde und im Weltraum nach ihr zu suchen. Nicht, weil wir irgendwelche Antimaterie-Bomben bauen wollen oder auf der Suche nach neuen Energiequellen sind. Sondern weil wir eine ganz fundamentale Frage beantworten wollen: Warum gibt es überhaupt irgendwas in diesem Universum!
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