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Sternengeschichten Folge 336: Félicette die Weltraumkatze (und andere Raumfahrttiere)
Alle kennen Laika, die Hündin die am 3. November 1957 ins All flog und nicht mehr zurück kam. Nachdem die Sowjetunion am 4. Oktober 1957 mit Sputnik 1 den ersten künstlichen Satelliten in eine Umlaufbahn um die Erde brachte, wollte man mit dem zweiten Satelliten gleich noch eine Premiere feiern und das erste Lebewesen um die Erde kreisen lassen. Also schnappte man sich eine in den Straßen von Moskau herum streunende Hündin, den dreijährigen Mischling Laika (was übersetzt so viel wie “Kläffer” bedeutet). Natürlich wurde Laika nicht direkt von der Straße in die Rakete verfrachtet, zusammen mit zwei anderen Hunden wurde sie entsprechend trainiert und auf den Flug vorbereitet. Laika überstand den Start der Rakete, ihr Puls zeigte aber, dass sie deutlich mehr gestresst war als bei allen Tests auf der Erde. Nach knapp sechs Stunden starb Laika. Die Raumkapsel war vermutlich schlecht gegen Überhitzung geschützt und es wurde so heiß, dass sie erstickte. Ein Happy End war für Laika aber sowieso nicht vorgesehen. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte man sie nach etwa 10 Tagen mit vergifteten Futter getötet. Dass Laika schon viel früher durch die schlecht konstruierte Raumkapsel starb, hielt die Sowjetunion allerdings lange geheim. Noch 1999 behauptete man in Russland, die Hündin habe vier Tage lang überlebt; erst 2002 erklärt einer an der Mission beteiligten Biologen dass Laika kurz nach dem Start an zuviel Stress und Hitze starb.
Wesentlich erfolgreicher verlief die Mission der Hunde Belka und Strelka, die 1960 ins All flogen und wieder lebendig zur Erde zurück kehrten. Das war das erste Mal, dass das gelang und machte den Weg frei für den ersten Menschen. Das war Yuri Gagarin, der kaum ein Jahr später seinen revolutionären Flug ins All durchführte.
Bei all den hündischen Weltraumpionieren wird aber oft die erste Katze vergessen, die sich auf den Weg ins All gemacht hat. Ihr Name war Félicette und es war weder die Sowjetunion noch Amerika die sie in den Weltraum brachten. Sondern das französische Weltraumprogramm und zwar am 18. Oktober 1963. Auch Félicette war eine in Paris herum streunende Katze die gemeinsam mit 13 anderen Katzen von der französischen Regierung für ihr Raumfahrtprogramm ausgewählt worden war. Man unterzog die Tiere einem ähnlichen Training wie es auch die menschlichen Astronauten durchmachen mussten. Sie wurden in Zentrifugen gesteckt um zu sehen, wie sie auf starke Beschleunigungskräfte reagieren. Man steckte sie in kleine Behälter, um sie an die Enge in der Raumkapsel zu gewöhnen. Und implantierte ihnen Elektroden ins Gehirn, um möglichst viele körperliche Reaktionen messen zu können.
Das war für die Tiere mit Sicherheit nicht angenehmen und im Gegensatz zu den menschlichen Astronauten hatten sie sich nicht freiwillig dafür entschieden, Teil des Weltraumprogramms zu sein. Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob diese Versuche wirklich nötig waren. Spätestens als 1961 mit Yuri Gagarin der erste Mensch ins All flog, hätte man die Experimente an Tieren eigentlich einstellen können. Aber wenn die Tierquälerei im Namen der Raumfahrt schon stattfinden musste, dann soll man die Geschichten der nicht-menschlichen Raumfahrt auf jeden Fall nicht vergessen.
Félicette wurde erst am am Tag des Starts als die Katze ausgewählt, die tatsächlich ins All fliegen würde. Sie hatte von allen Tieren als einzige das korrekte Gewicht; die anderen waren alle ein wenig zu schwer. Also war sie es, die in die Véronique AGI gesteckt wurde, eine Rakete die Frankfreich zur Erforschung des erdnahen Weltraums einsetze. Sie konnte eine Höhe von maximal 210 Kilometer erreichen und dabei eine Nutzlast von 60 Kilogramm transportieren. Die ganze Rakete war nur 7 Meter hoch und wurde mit einem Flüssigtreibstoff auf Basis von Salpetersäure und Terpentin angetrieben. Gestartet wurde sie von Hammaguir aus, einem Startplatz in der Sahara, der heute zu Algerien gehört, das aber bis 1962 eine französische Kolonie war. Auch nach der Unabhängigkeit war es Frankreich aber erlaubt, von dort Raketen zu starten und am frühen Morgen des 18. Oktobers 1963 machte sich Félicette in ihrer kleinen Rakete auf den Weg ins All.
Die Triebwerke der Rakete brannten kaum eine Minute lang, sie erreichte eine Höhe von 157 Kilometern. Eine Umlaufbahn um die Erde erreichte die Kapsel nicht, sie flog in einem hohen Bogen aus der Atmosphäre hinaus, erlebte dort knapp 5 Minuten Schwerelosigkeit bevor sie wieder zurück zur Erde fiel. Neun Minuten nach dem Start öffneten sich die Fallschirme der Kapsel und Félicette schwebte wieder zurück zum Boden.
Der ganze Ausflug hatte 10 Minuten und 36 Sekunden gedauert und die Katze hatte alles überstanden. Aber, wie bei fast allen Experimenten mit Tieren, auch hier gibt es kein Happy End. Ein paar Monate lang lebte Félicette noch und musste diverse Versuche über sich ergehen lassen. Dann wurde sie eingeschläfert, weil man auch ihr Gehirn auf durch den Raumflug verursachte Veränderungen untersuchen wollte. Eine weitere Katze, die kurz nach Félicette ebenfalls ins All fliegen sollte, starb beim Absturz der Rakete. Weitere Katzen sind bislang nicht ins All geflogen – aber dafür jede Menge andere Tiere.
Die allerersten Tiere die ins All flogen, waren Fruchtfliegen. Sie wurden von den USA am 20. Februar 1947 in eine der V2-Raketen gesteckt, die man im zweiten Weltkrieg in Deutschland erbeutet hatte. Damals stand die Raumfahrt noch ganz am Anfang und man wollte wissen, wie sich die Strahlung in großer Höhe auf Lebewesen auswirkt. Die Fruchtfliegen gelangten mit der Rakete in eine Höhe von 109 Kilometern. Für die Landung wurde die Kapsel mit den Fliegen aus der Rakete ausgeworfen und gelangte an einem Fallschirm zurück zum Boden. Sie hatten die Mission überlebt; im Gegensatz zu den nächsten Tieren die die USA ins All schickten. Am 11. Juni 1948 flog der Rhesusaffe Albert ebenfalls in einer umgebauten V2-Rakete auf eine Höhe von 63 Kilometern. Er erstickte und starb bei der Mission. Da der Weltraum laut offizieller Definition erst bei 100 Kilometern anfängt, hatte es Albert also nicht einmal bis dahin geschafft. Das gelang dem etwas unsensibel “Albert II” genannten Affen der ein Jahr später, am 14. Juni 1949 eine Höhe von 134 Kilometern erreichte. Auch er starb, als der Fallschirm der Landekapsel versagte und sie ungebremst auf der Erde aufschlug. In den folgenden Jahren schickte die USA jede Menge weitere Affen ins All – und nur ein Drittel von ihnen überlebte dabei. Der erste war “Miss Baker”, bei einem Raketenflug am 28. Mai 1959 – der Affe lebte noch bis 1984.
Ein weitere Affe der erfolgreich war, war der Schimpanse Ham. Er startete am 31. Januar 1961 mit einer Mercury-Raumkapsel. Man hatte vorher trainiert diverse Hebel und Knöpfe zu drücken, was Ham dann auch im Weltall tat. So demonstrierte er, dass es auch unter den Bedingungen in der Schwerelosigkeit möglich war, solche Aufgaben zu erledigen und machte den Weg frei für Alan Shepard, der drei Monate später als erster Amerikaner (und zweiter Mensch) ins All flog.
Insgesamt flogen mindestens zwei Dutzend Affen für die USA ins All. Und während man in Amerika Affen für die Experimente benutzte, verwendete die Sowjetunion Hunde. Von Laika, Belka und Strelka habe ich schon erzählt. Aber vor ihnen flogen Tsygan und Dezik ins All. Am 22. Juli 1951 wurden die beiden Hunde zwar hoch über die Erde, aber nicht in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht. Sie erreichten auch die offizielle Höhe von 100 Kilometer nicht, aber überlebten im Gegensatz zu den amerikanischen Affen und waren – nach den Fruchtfliegen – die ersten Lebewesen die erfolgreich einen Flug mit einer Rakete überlebten.
Die ersten Tiere die den erdnahen Weltraum verlassen haben waren zwei Schildkröten, die am 14. September 1968 im Rahmen der sowjetischen Zond-5-Mission den Mond umkreisten. Sie kehrten sogar zur Erde zurück und überlebten den ersten Ausflug den das Leben von der Erde zum Mond gemacht hatte.
Die Zahl der Tiere die für uns ins All flogen und diese Missionen dabei sehr oft nicht überlebten, ist groß. An die 50 Hunde mussten für das sowjetische Raumfahrprogramm ins All fliegen. Aber es blieb nicht bei den Hunden: 1959 schickte die Sowjetunion Marfusa in den Weltraum, den ersten Hasen. Die ersten Mäuse die für die USA eine Rakete besteigen musste, überlebten ihren Flug im Jahr 1950 nicht. Genau so wie die Frösche die 1959 mit ihrer amerikanischen Rakete explodierten. 1961 überlebte das erste Meerschweinchen seinen Weltraumflug für Russland und bevor Frankreich die Katze Félicette ins All schickte, startete man dort 1961 eine Rakete mit der Ratte Hector. 1966 und 1967 schickten die USA zwei “Biosatelliten” ins All, die mit Fruchtfliegen, Wespen, Käfern, Bakterien, Amöben, Pflanzen und Pilzen angefüllt waren. 1983 schickte auch die Sowjetunion das erste Mal Affen ins All; entsprechende Mission liefen bis 1993.
Und noch im Jahr 2013 schickte der Iran einen Affen ins All. Zumindest behauptet man, man hätte am 28. Januar 2013 einen Affen 116 Kilometer hoch über die Erde transportiert. Details zur Mission wurden nicht veröffentlicht; ebenso wenig wie zum zweiten Flug eines iranischen Affens im Dezember 2013. Ebenso wenig weiß man über die chinesischen Tierversuche im All: Eine Raumkapsel mit einem Affen, einem Hund und einem Hasen flog über 2 Wochen durchs All um die Lebenserhaltungssysteme zu testen. Es wurden allerdings keine Bilder der gelandeten Kapsel veröffentlicht was nahe legt, dass die Tiere ihre Mission nicht überlebt haben.
Der erste Fisch wurde 1973 mit der amerikanischen Syklab-3-Station ins All geschickt, zusammen mit den ersten Spinnen (die die Namen Arabelle und Anita bekommen haben). Es gab Krebse und Molche im All, Heuschrecken, Schnecken, Karpfen, Quallen, Seeigel, Kröten und Schmetterlingslarven. Kakerlaken flogen ins All, Bärtierchen, Ameisen, Seidenraupen und jede Menge andere Insekten und Fische.
Die Tierversuche im Weltraum gehen weiter. 2018 wurden 20 Mäuse an Bord einer Dragon-Raumkapsel von SpaceX zur Internationalen Raumstation transportiert. Sie waren bei weitem nicht die ersten Mäuse die dort ankamen. Es gibt auf der Raumstation ein eigenes “Rodent Research Hardware System” zur Erforschung der Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf die Mäuse. Daraus erhofft man sich Erkenntnisse über das, was auch mit uns Menschen passiert, wenn wir uns für lange Zeit im Weltall aufhalten.
Mittlerweile müssen die Tiere zwar nicht mehr damit rechnen, schon beim Start der Rakete zu sterben. Aber trotzdem stellt sich auch hier – so wie überall sonst in der Wissenschaft – die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Tierversuchen. Immerhin haben wir ja nun schon ein paar Jahrzehnte Erfahrung mit menschlichen Astronauten im All. Wenn wir wissen wollen, was mit Menschen im Weltraum passiert, könnten wir auch direkt die Menschen untersuchen.
Und wenn es ein wenig mehr internationale Kooperation geben würde, dann müssten Länder wie Iran oder China nicht immer wieder neu damit anfangen, Affen und andere Tiere zu Testzwecken ins All zu schicken sondern könnten die vorhandenen Informationen der schon stattgefundenen Versuche nutzen.
In manchen Bereichen der Wissenschaft ist es vermutlich noch länger nicht möglich, ganz ohne Versuche an Tieren zu dem Wissen zu kommen, das wir haben möchten. Aber in der Raumfahrt haben wir mittlerweile wirklich schon genug Tiere in die Luft gesprengt, ersticken oder anderweitig sterben lassen um vielleicht darüber nachzudenken, es ohne sie zu probieren. Laika, Albert, Félicette und all die anderen Tiere haben schon genug für uns getan.
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