Eine Schlagzeile im Online-Standard hat kürzlich meine Aufmerksamkeit erregt: “Klimawandel und Job-Unsicherheiten lassen Horoskop-Apps boomen”. Mehr Horoskope dank Klimawandel? Klingt auf den ersten Blick ein wenig dubios; andererseits bei genauerer Betrachtung auch irgendwie plausibel. Astrologie ist ja vor allem ein Instrument von dem sich Menschen Sicherheit und Entscheidungshilfen versprechen und der Klimawandel gehört zu den vielen Problemen der Gegenwart angesichts derer man sich leicht ein wenig hilflos fühlen kann. Aber leider handelt der entsprechende Artikel dann nicht von einer wissenschaftlichen Studie in der die Gründe für die Nutzung astrologischer Dienstleistungen analysiert werden. Sondern von einem neuen Trend in der Astrologie: Smartphone-Apps.
Die – zumindest wird das dort behauptet – boomen nämlich gerade und jede Menge Risikokapital wird in die Entwicklung neuer Apps gesteckt. Der Anbieter “Co-Star” hat zum Beispiel erst kürzlich 5 Millionen Dollar bekommen um eine Android-Version seiner App zu entwickeln in der man sich ein personalisiertes Horoskop erstellen lassen kann. Inklusive aller Buzz-Words die man heutzutage braucht. Da hilft nämlich eine “künstliche Intelligenz” bei der Erstellung der Horoskope und man nutzt Daten der NASA. Ich weiß zwar nicht, wozu man die braucht – der Himmel den die Astrologen nutzen hat nichts mit dem realen Himmel zu tun mit dem sich die NASA beschäftigt – aber es klingt natürlich gut. Auf der Homepage von Co-Star ist man aber auf Leute wie mich vorbereitet: “not convinced? check out ur chart” wird man da gefragt. Aber nachdem ich meine Daten und meine Mailadresse eingegeben habe, wurde mir nur gesagt, dass da ein Fehler vorliegt. Die künstliche Intelligenz macht wohl gerade Pause.
Was nichts an den Millionen ändert die die App-Astrologie einnimmt. Nicht nur “Co-Star”, sondern auch jede Menge andere Apps, wie man zum Beispiel auch in diesem Artikel der New York Times lesen kann. Dort wird neben dem Klimawandel ein weiterer Grund für den Boom der Astrologie aufgeführt: Donald Trump. Die Wissenschaft habe sehr demonstrativ versagt, als sie einen klaren Sieg von Hillary Clinton bei der Wahl prognostiziert hat und die Menschen wurden offener für alternative Welterklärungssysteme. Von der Astrologie versprechen sie sich “Struktur, Hoffnung und Stabilität für ihr Leben”. Auch das ist in gewissen Sinne nachvollziehbar; auch das ist aber nicht das Resultat einer wissenschaftliche Studie. So wie die Sache mit dem Klimawandel handelt es sich auch hier um die Aussage einer Astrologin.
Aber nicht alle sehen die Sache mit den Apps so locker, berichtet der Standard. Die Apps seien nicht so intim und persönlich wie die “echte” Beratung von Person zu Person. Ich persönlich finde diese Diskussion irgendwie interessant. Rein objektiv gesehen ist die Sache ziemlich klar: Astrologie ist Unsinn. Astrologie funktioniert nicht. Das, was angeblich aus der scheinbaren Position der Planeten in Bezug auf die Sterne über die Persönlichkeit eines Menschen abgelesen werden kann, entspringt der Fantasie der Astrologinnen und Astrologen; ihrer Menschenkenntnis und scheint aus Sicht der Kundschaft nur deswegen zu stimmen, weil die Aussagen alle so vage gehalten sind, dass man sie immer als für sich selbst passend interpretieren kann wenn man möchte. Ob man das astrologische “Wissen” nun als per Sternzeichen-Horoskop in der Tageszeitung anbietet, in einer presönlichen Sitzung oder jetzt halt über eine App am Handy ist daher ziemlich egal.
Die ganze Angelegenheit demonstriert aber sehr schön worum es bei der Sache eigentlich geht: Ums Geschäft! Natürlich sind die Astrologie-Apps ein Problem für die klassischen Vertriebswege der Wahrsager. Wenn ich einfach per Handy und Abo jeden Tag eine persönliche astrologische “Prognose” bekommen kann, dann ist das sehr viel bequemer als der persönliche Besuch irgendwo. Alte Geschäftsmodelle werden durch neue Techniken abgelöst – in anderen Branchen ist das völlig normal. Die Astrologie mag zwar bei ihrer Arbeit immer noch das geozentrische Bild des Himmels benutzen das schon seit mehr als 400 Jahren nicht mehr aktuell ist. Die Entwicklung der modernen Technik können sie aber vermutlich nicht so einfach ignorieren wie die Entwicklung der modernen Wissenschaft.
So oder so: Mit Astrologie kann man auf jeden Fall Geld verdienen. Und solange sich das nicht ändert, werden sich auch Geldgeber finden die damit noch mehr Geld verdienen wollen. Um den Boom von Astrologie-Apps zu stoppen müsste man den Kapitalismus abschaffen und das ist mindestens so unrealistisch wie die Abschaffung der Astrologie selbst. Aber einen Punkt darf man auf keinen Fall ignorieren. Nämlich das, was die Astrologinnen in den zitierten Artikel über Klimawandel, Trump und die Unsicherheit gesagt haben. Da haben sie meiner Meinung nach nämlich völlig Recht!
Astrologie ist und war immer schon ein Weg für Menschen, um mit ihrer eigenen Unsicherheit angesichts der Welt umzugehen. Genau so wie Religion, Esoterik und so weiter. Wenn die Welt uns zu komplex erscheint, fühlen wir uns unsicher und suchen nach Erklärungen die alles einfacher und strukturierter machen und so die Unsicherheit mindern. Dabei ist es erst einmal egal, ob diese Erklärung wahr oder falsch ist. Es geht um vage Emotionen und nicht um konkrete Fakten. Wenn mir zum Beispiel die Medien Tag für Tag einreden, dass die EU böse ist oder die geflüchteten Menschen aus Afrika uns alle umbringen werden, dann werde ich unsicher. Am Ende gibt es dann sowas wie den Brexit oder die AfD, die diese vage Unsicherheit mit einfachen Erklärungen scheinbar strukturieren. Daraus folgt aber nicht, dass alle Menschen die etwa für den Brexit gestimmt haben, die AfD gewählt haben oder eben Menschen die Sicherheit bei der Astrologie suchen, dumme Idioten sind. Die wird es dort auch geben (so wie überall), aber erstmal sind die Menschen die an Astrologie glauben Menschen. Und es sind irrationale Menschen, weil ALLE Menschen irrational sind. Die Astrologie hat ihnen einfach nur das attraktivste Angebot zur Beseitigung der Unsicherheit gemacht! Das sollten all diejenigen nicht vergessen, die sich der Aufklärung verschrieben haben und die gerne möglichst viele Menschen davon überzeugen wollen, dass Astrologie Quatsch ist. Euer – beziehungsweise unser (ich zähle mich da ja auch dazu) – Angebot ist in diesen Fällen einfach schlechter als das der Astrologie.
Wir haben es nicht geschafft, die komplexe und sehr oft tatsächlich Angst einjagende Welt auf eine Weise zu erklären, die den Menschen die Sicherheit geben kann, die sie aus der Astrologie beziehen. Natürlich haben wir auch eine schwierigere Ausgangsposition: Die Astrologie muss sich nicht an die Realität halten; ich schon – zumindest wenn ich die meine Erklärung der Welt auf Wissenschaft basiere. Und manche Probleme lassen sich schlicht und einfach nicht durch simple Erklärungen lösen. Aber dann muss man sich eben bemühen um einen Weg zu finden, wie man das so vermitteln kann, dass es die Menschen erreicht.
Mit einem simplen “Astrologie ist Quatsch” ist es in Sachen Aufklärung nicht getan. Wenn man den Menschen das wegnimmt (bzw. probiert wegzuargumentieren) aus dem sie eine – wenn auch nur scheinbare – Sicherheit beziehen ohne ihnen ein besseres Angebot machen zu können, wird man keinen Erfolg haben. Meiner Ansicht nach ist der wissenschaftliche Blick auf die Welt dieses bessere Angebot. Keine Erklärung ist so faszinierend wie die Realität; nichts was sich die Astrologie oder eine andere Pseudowissenschaft ausdenken könnte, kann so beeindruckend sein wie all die Phänomene die das reale Universum für uns bereit hält. Wer die Welt versteht, hat weniger Angst vor ihr. Ich werde mich daher weiter bemühen, möglichst vielen Leuten die Faszination der Wissenschaft zu vermitteln. Selbst wenn ich dafür keine Millionen von Risikokapitalgebern bekomme 😉
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