Der September war eine überraschend stressige Zeit. Ich dachte eigentlich, ich hätte viel mehr Bücher gelesen. Aber eine ausführliche Zählung am Ende des Monats hat ergeben: Ich habe nur genau drei Bücher gelesen. Aber das waren dafür drei sehr gute und spannende Bücher. Es geht um Yoga. Und um sehr hervorragende dystopische Literatur.

Der Report der Magd und seine Fortsetzung

Das Buch “The Handmaid’s Tale” (auf deutsch “Der Report der Magd”) von Margaret Atwood aus dem Jahr 1985 ist ein absoluter Klassiker. Nicht nur für Fans der dystopischen Literatur; es ist ein Buch das eigentlich alle gelesen haben sollten. Spätestens seitdem das Buch 2017 als Fernsehserie verfilmt worden ist ist es auch – zu Recht – einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Und obwohl es schon relativ alt ist, ist es erschreckend aktuell.

Die Ausgangslage der Geschichte von Atwood ist nicht kompliziert: In den USA gab es einen Staatsstreich. Religiöse Fundamentalisten haben einen Gottesstaat errichtet in dem streng nach einer (verqueren) Version des christlichen Glaubens gelebt wird und Frauen keinerlei Rechte habe. Gegner und Andersgläubige wurden umgebracht oder deportiert. Und der neue Staat “Gilead” wird von einer elitären Kaste an strenggläubigen (bzw. machtgierigen) Männern – den “Commandern” – regiert. Frauen gibt es im wesentlichen in drei Versionen. Es gibt die “Wives”, die Ehefrauen der Commander die noch die meisten “Rechte” haben. Es gibt die “Aunts”, die in einer Mischung aus Geheimpolizei, Umerziehungseinrichtung für Frauen und Schule die weibliche Hälfte der Bevölkerung kontrollieren. Und es gibt die “Handmaids”, zu der auch die Hauptfigur des Romans zählt. Ihr Name ist “Offred”, was natürlich kein echter Name ist, sondern nur eine Besitzbezeichnung. Sie ist die Magd “of Fred”, gehört also einem Commander und ihr einziger Job ist es, schwanger zu werden. Denn die Welt von Gilead wird von einer Plage der Unfruchtbarkeit heimgesucht (vermutlich aufgrund von Umweltverschmutzung, aber das wird im Buch nie so genau erläutert). Die meisten Frauen können keine Kinder bekommen; die Kinder die geboren werden sind oft nicht lebensfähig – und die Frauen die in der Lage sind schwanger zu werden, werden von Commander zu Commander weitergereicht.

Das spannende an Atwoods Buch ist nicht nur die Geschichte an sich. Sondern auch der Kontrast zwischen fiktiver Dystopie und echter Welt. Offred erzählt ihre Geschichte als Magd und Sklavin; blickt aber immer wieder zurück in die Zeit, als noch alles “normal” war und sie als normale Frau vor dem Coup in den USA gelebt hat. Im Gegensatz zu Dystopien wie etwa “Die Tribute von Panem” wird die Fiktion dadurch erschreckend real. Immer wenn man sich denkt: “Sowas kann doch in echt gar nicht passieren!”, kommt eine Passage in der Atwood beschreibt wie sich das faschistische Regime von Gilead durchgesetzt hat; zuerst mit Gewalt und dann schleichend aber immer unaufhaltsam und immer gerade so dass man nicht ausschließen kann dass so etwas auch in der echten Welt passieren könnte.

Offred jedenfalls erzählt die Geschichte ihre Unterdrückung und des Alltags im religiösen Fundamentalismus. Ich will sie hier nicht wiederholen weil ihr sie selber lesen sollt. Atwoods Buch ist ein absoluter Klassiker und gehört gelesen! Und ich haben das Buch deswegen jetzt im September gelesen, weil da auch die Fortsetzung erschienen ist!

Das neue Buch heißt “The Testaments” (auf deutsch “Die Zeuginnen”) und schließt nicht direkt an die Handlung von “The Handmaid’s Tale” an. Es gibt Verbindungen zwischen den beiden Büchern, aber hier erzählt Atwood eine ganz andere Geschichte. Sie erzählt die Geschichte, die in dystopischer Literatur sehr selten erzählt wird. Sehr oft stammen diese Bücher ja aus den USA und spielen auch dort. Und ich frage mich dann immer: Was ist eigentlich mit dem Rest der Welt los? Ist da auch alles den Bach runter gegangen? Wenn etwa in “Die Tribute von Panem” in Nordamerika eine faschistische Dikatur errichtet wird – was treibt dann Europa? Interessiert man sich dort nicht mehr für das, was im Rest der Welt passiert? Die Ignoranz was außerhalb der Grenzen der Dystopie passiert macht die Bücher immer ein klein wenig unglaubwürdig. Aber Atwood schließt in “The Testament” diese Lücke. Das Buch besteht aus drei Berichten von “Zeuginnen” die einerseits vom typischen Werdegang eines jungen Mädchens der Oberklasse in Gilead erzählen. Andererseits erfährt man nun auch noch genauer, wie Gilead die Macht in den USA übernehmen und so viele Frauen versklaven konnte. Es wird aber auch die Geschichte einer Widerstandsbewegung erzählt und vor allem spielt ein guter Teil der Handlung in Kanada, wo man die Vorgänge hinter der Grenze eher skeptisch betrachtet, sich aber auch nicht dramatisch deutlich vom fundamentalistischen Nachbarn distanziert – ganz so wie es in der echten Welt ja auch der Fall ist (nicht zwischen den USA und Kanada, aber wenn man sich die Beziehungen zwischen den westlichen Demokratien und den fundamentalistischen Ländern in Asien, Afrika oder der arabischen Welt ansieht erkennt man durchaus Ähnlichkeiten).

Zusammen sind die beiden Bücher von Atwood Pflichtlektüre. Nicht nur für Fans von fantastischer/dystopischer Bücher. Sondern für alle! Lest sie!

Yoga: Sport, Philosophie oder Wissenschaft?

Ich habe mich in letzter Zeit ein wenig mit Yoga beschäftigt. Als Ausgleich zum Laufen ist es eine recht interessante und gute körperliche Betätigkeit. Aber wer schon mal Yoga gemacht hat wird wissen, dass das nicht einfach nur “Sport” ist. Oder “Fitness”. Im Gegensatz zu einem üblichen Kurs im Fitnessstudio, wo man halt diverse Übungen macht, kriegt man in einer Yoga-Einheit üblicherweise jede Menge Kontext mitgeliefert. Je nach Stil und Übungsleiter bzw -leiterin gibt es Esoterik, Mythologie, Medidation, Philosophie, und so weiter. Man macht nicht einfach nur körperliche Übungen sondern bekommt ein physisch/psychisches Komplettpaket geliefert.

Als eher rational orientierter Mensch – was ich ja bin – kann das oft ein wenig verstörend sein. Wenn einem erzählt wird, man solle diese Übung machen oder jene um irgendwelche “Energie” durch die Wirbelssäule fließen zu lassen oder “Chi-Punkte zu aktivieren”, dann fällt es mir schwer, das ernst zu nehmen. Auf manches dagegen sollte man sich einlassen; in meinen ersten Yoga-Einheiten war ich zum Beispiel immer leicht irritiert, wenn mir gesagt wurde, ich solle in meine Beine, meine Arme oder sonstirgendwo “hin atmen” wo Atemluft rein anatomisch eigentlich nichts zu suchen hat. Aber dann habe ich gemerkt, dass das eigentlich nur Heuristiken sind um die Übungen so machen zu können, wie sie gemacht werden sollen. Wenn ich in meine Beine atme, dann tue ich das natürlich nicht wirklich. Aber wenn ich mir das während der Übung sehr intensiv vorstelle, dann bewege ich mich genau so, wie ich es soll. Gleiches gilt für die meditativen “Atembilder”, bei denen man sich zum Beispiel irgendwelche Blumen oder anders vorstellt die am eigenen Körper wachsen und mit der Atmung pulsieren.

Ich habe Yoga als sehr interessanten und spannenden Ausgleich zum meinen anderen Sportarten kennengelernt. Mich aber trotzdem gefragt: Was ist denn da jetzt dran an den ganzen Behauptungen? Was kann Yoga und was nicht? Genau das wird im Buch The Science of Yoga: The Risks and the Rewards” (auf deutsch “The Science of Yoga: Was es verspricht – und was es kann”) von William Broad (Pulitzerpreisträger und Wissenschaftsjournalist der New York Times) erklärt.

Broad übt selbst seit Jahrzehnten Yoga aus. Und fing irgendwann an, medizinische Literatur dazu zusammenzutragen. Denn behauptet wird in der Yoga-Szene ja jede Menge. Yoga sei der einzige Sport den man ausüben müsse; er würde all das leisten was der Rest auch leistet. Yoga mache fitter als laufen oder radfahren. Yoga sei das beste um abzunehmen. Yoga helfe gegen Depressionen; Yoga entspannt; und so weiter. Es gibt kaum etwas, was nicht über Yoga behauptet wird und Broad hat sein bestes getan all das zu prüfen.

Das Buch beginnt mit einer sehr spannenden geschichtlichen Einführung. Das, was wir heute als “Yoga” kennen hat sich im wesentlichen erst im 20. Jahrhundert entwickelt, davor war es eher eine seltsam mystisch, stark sexuell orientierte Disziplin spezieller hinduistischer Sekten. Dass Yoga so populär wurde wie es heute ist hat unter anderem mit hinduistischen Unabhängigkeitsbestrebungen und der britischen Kolonialisierung zu tun. Und Hollywoodstars aus den 1960er Jahren. Allein diese historische Einsortierung lohnt die Lektüre schon; dann folgt aber der medizinische Hauptteil und der ist mindestens genau so lesenswert. Broad sammelt und erklärt eine Unzahl wissenschaftlicher Studien zu Yoga und stellt heraus, was es kann und was nicht. Viele Behauptungen sind tatsächlich nicht belegbar: Yoga macht nicht fitter als etwa Laufen oder Radfahren. Aber Yoga kann zum Beispiel wirklich bei Depressionen helfen; Yoga kann die Kreativität steigern; Yoga kann als Therapie bei diversen körperlichen Problemen eingesetzt werden. Yoga kann – und auch das behandelt Broad sehr ausführlich – aber auch jede Menge körperliche Probleme verursachen; bis hin zum Tod. Die Verletzungsgefahr bei manchen Übungen ist groß und das wird von der Yoga-Szene immer noch oftnicht so wirklich anerkannt. Was auch damit zusammenhängt dass es keine einheitliche Ausbildung und Prüfung von Yoga-Lehrerinnen und Lehrern und -Theparien gibt wie das etwa bei anderen medizinischen Therapien der Fall ist.

Wer Yoga betreibt oder einfach nur einen rationalen und objektiven Blick auf diese immer populärer werdenen Aktivität werfen will, soll das Buch von Broad lesen! Ich habe es sehr gern und mit viel Gewinn getan. Und finde Yoga nun noch spannender als zuvor…

So weit für den September. Im Oktober werde ich vor allem damit beschäftigt sein über mein eigenes neues Buch – “Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen” zu sprechen. Aber dazwischen sicher auch Zeit für die Lektüre des einen oder anderen nicht von mir geschriebenen Buchs finden. Darüber berichte ich dann in einem Monat. Bis dahin!

Die Links zu den Bücher sind Amazon-Affiliate-Links. Beim Anklicken werden keine persönlichen Daten übertragen.

Kommentare (3)

  1. #1 Peter Uhle
    Hoppegarten
    27. September 2019

    Zu deinem Abschnitt:
    Yoga: Sport, Philosophie oder Wissenschaft?
    möchte ich folgenden link auf einen meiner blogbeiträge setzen:
    https://krabbenhueter.blogspot.com/2019/09/bar-und-kranich.html
    Und ich finde, dass das dort Geschriebene für Yoga genauso zutreffen kann.

  2. #2 Dampier
    28. September 2019

    Dieser Artikel ist selbst eine Leseempfehlung wert. Danke :]

  3. #3 Werner
    30. September 2019

    Das ist Yndisch wie Schach – heute schon die Chakren geölt?
    Ist wohl seit dem Bhagwahn-Meditations-Trip der 80-er ununterbrochen Hip in Mode – auch bei Esoteriker –
    viel Spaß, mir ists etwas zu gesund, ich bleib beim Gehen und Darten 😉