Am Montag habe ich im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung für Lehrerinnen und Lehrer einen kleinen Workshop zum Thema “Esoterik, Fake News & Co: Wie man mit Verschwörungstheorien und Pseudowissenschaft sinnvoll umgehen kann” gehalten. Ich fand die Veranstaltung sehr interessant, vor allem weil es hier speziell um die Frage ging wie man mit den “üblichen” Themen umgehen kann, wenn man damit in einem schulischen Umfeld konfrontiert ist.
Ich habe dort zuerst all die Dinge erklärt, die ich zu dem Themenbereich immer wieder erkläre. Dass es zum Beispiel so gut nie zielführend ist, wenn man Leute einfach mit Fakten bombardiert, um sie von einer irrationalen Ansicht abzubringen. Wer bereit ist, rationalen Argumenten zuzuhören kommt auch normalerweise gar nicht erst auf die Idee irgendeinen irrationalen Quatsch zu glauben. Wenn man Glaube einfach wegdiskutieren könnte, dann gäbe es schon längst keine Religion mehr auf diesem Planeten. Aber das geht natürlich nicht; man glaubt ja nicht aus Mangel an Wissen sondern oft gerade entgegen besseren Wissens an etwas. Es gibt nicht deswegen so viele Anhänger von Homöopathie, Astrologie & Co weil diesen Leuten bis jetzt noch niemand gesagt hat, dass es Quatsch ist. Das haben die schon oft genug gehört und sie glauben dadurch nur noch stärker daran.
Was – manchmal – hilft ist einerseits Fragen zu stellen. Wer nett und ernsthaft nachfragt kann dadurch vielleicht einen Denkprozess im Gegenüber auslösen. Der am Ende dann dazu führt dass die Person von selbst auf die Idee kommt, dass mit ihrer Ansicht irgendwas nicht stimmt. Nur so kann man nachhaltige Erkenntnis auslösen. Was auch funktioniert ist Zustimmung. Niemand bekommt gern gesagt, dass man blöd ist und sich irrt. Wer mir so kommt, dem will ich nicht zuhören. Aber man kann immer irgendeinen gemeinsamen Punkt finden, von dem ausgehend man ein konstruktives Gespräch beginnen kann. Wer Angst vor der Gentechnik hat, hat das normalerweise aus wissenschaftlich nicht belegbaren Gründen. Aber es gibt auch durchaus vernünftige Gründe, die Gentechnik kritisch zu betrachten. Wenn man sich in einem Gespräch anfangs darauf konzentriert, kann man eine gemeinsame Basis schaffen und dann das entkräften, was wirklich Quatsch ist.
Ich habe aber während des Workshops gemerkt, dass man in einem schulischen Umfeld noch ganz andere Möglichkeiten hat. Hier kann man als Lehrperson zum Beispiel Experimente in den Unterricht einbauen und die Schülerinnen und Schüler selbst herausfinden lassen, ob das was sie glauben richtig ist oder nicht. Manche Dinge sind aber im schulischen Umfeld auch viel schwerer zu behandeln. Ich habe daher die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten mir jeweils einen “Mythos” zu nennen, der aus ihrer eigenen Erfahrung besonders nervig und hartnäckig ist. Um dann darüber zu diskutieren, was man dagegen tun kann. Und da die Zeit des Workshops begrenzt war, sind wir damit nicht so weit gekommen wie es eigentlich nötig gewesen wäre.
Deswegen möchte ich die Frage an die große Blogleserschaft weitergeben. Stellt euch vor, ihr unterrichtet Kinder in der Schule. Und werdet mit pseudowissenschaftlichen/esoterischen Aussagen aus folgender Liste konfrontiert. Welche Taktik haltet ihr für angebracht um damit vernünftig umzugehen:
- Evolution ist Blödsinn
- Homöopathie wirkt
- Granderwasser ist besser als normales Wasser
- Der Klimawandel ist nicht vom Mensch gemacht
- 5G-Strahlung ist gefährlich für den Menschen
- Der Mensch ist nie am Mond gelandet
- Bestimmte Steine haben heilende Kräfte
- Impfungen sind gefährlich
- Australien gibt es nicht
- Mädchen sind schlechter in Physik und Mathe als Jungen
- Kaffee ist ungesund
Vielleicht braucht es noch ein paar Erläuterungen dazu. Es geht nicht darum, die “richtigen” Fakten zu finden, die diese Aussagen entkräften. Da muss man nicht lange suchen; da finden sich genug davon wenn man Lust darauf hat. Die Menschen die so etwas ernsthaft glauben, haben aber eben gerade keine Lust irgendwelche wissenschaftlichen Fakten oder Studien zu diesen Themen zu akzeptieren. Mir geht es um vernünftige didaktische/pädagogische/wissenschaftskommunikatorische Strategien wie man mit solchen Aussagen umgehen kann.
Wenn es um Homöopathie geht, kann man den Jugendlichen in der Schule natürlich irgendwelche Studien vorsetzen – was die aber eher wenig interessieren wird. Oder man kann mit ihnen ein Experiment machen. Und ihnen zum Beispiel versprechen, sie dürften jetzt alle Schnaps trinken – aber nur in der passenden homöopathischen “Potenz”. Wenn man den Prozess der homöopathischen Verdünnung im Experiment selbst durchexerziert und das Endprodukt dann verkostet, wird man nicht nur merken, wie seltsam es erscheinen soll dass dieses Zeug noch irgendeine Wirkung hat sondern die angebliche Wirkung dann auch nicht spüren (vom homöopathischen Schnaps wird kein Jugendlicher auch nur annähernd besoffen werden…). Beim Granderwasser kann man eine Blindverkostung machen; ebenso kann man mit den “Heilsteinen” umgehen – oder vielleicht das faszinierende Thema der natürlichen Radioaktivität behandeln die ja unter speziellen Umständen tatsächlich eine heilende Wirkung haben kann und das dann mit den Aussagen der Esoterik vergleichen.
Wenig hilfreich konnte ich beim Mythos “Mädchen sind schlechter in Physik und Mathe als Jungen” sein. Das ist ein so hartnäckiges und lang existierendes Vorurteil das man es vermutlich nur gesamtgesellschaftlich angehen kann. Man sollte natürlich nicht dazu beitragen, es weiter zu verbreiten; man sollte es durch Beispiele und passende Darstellungen entkräften wo es nur geht. Aber vermutlich und leider wird es so schnell nicht verschwinden…
Was die Sache mit “Australien gibt es nicht” angeht: Das war die Frage eines Lehrers, der wissen wollte, wie man mit Aussagen umgeht die so offensichtlich Blödsinn sind, dass es kaum vorstellbar erscheint das sie jemand wirklich ernsthaft vertritt (was zum Beispiel bei den Anhängern der Flachen Erde der Fall ist). Die Geschichte mit dem “Kaffee ist ungesund” fand ich auch sehr interessant. Denn das ist ja prinzipiell nicht falsch. Zuviel Kaffee ist ungesund bzw. ist Kaffee in geringeren Mengen auch für spezielle Bevölkerungsgruppen ungesund. Hier geht es nicht um Esoterik/Pseudowissenschaft an sich. Sondern eher um die Art und Weise wie man über Wissenschaft spricht und das betrifft ganz besonders die Ernährungswissenschaft/Medizin. Wenn man sich ansieht was da laut Medien alles Krebs verursacht/heilt dann ist die Verwirrung groß. Rotwein erhöht das Krebsrisiko und schützt vor Krebs. Und so weiter – das Spiel kann man für fast jedes Lebensmittel spielen. Und wenn man das entsprechend aufarbeitet sehr gut klar machen, wie Wissenschaft funktioniert und wie Medien funktionieren.
Aber jetzt bin ich gespannt auf eure Vorschläge! Wie geht man mit all diesen pseudowissenschaftlichen/esoterischen Mythen um und zwar speziell im Kontext eines schulischen Umfeldes? Ich freue mich auf eure Kommentare!
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