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Sternengeschichten Folge 378: Die Kármán-Line – Wo beginnt der Weltraum?

Wo fängt eigentlich der Weltraum an? Das ist eine ziemlich simple Frage und eine ziemlich fundamentale noch dazu. Und man sollte eigentlich denken, dass es darauf auch eine simple Antwort gibt. Tatsächlich ist die Sache aber deutlich komplexer als man erwarten würde. Fangen wir am besten mal unten und am Boden der Erde an. Wenn wir durch die Gegend spazieren, dann würden die meisten zustimmen, dass wir nicht im Weltraum sind. Wenn wir das akzeptieren, dann muss der Weltraum irgendwo weiter oben über unseren Köpfen beginnen. Aber wo genau?

Über unseren Köpfen befindet sich zuerst einmal die Atmosphäre der Erde. Unsere Lufthülle verändert sich aber je weiter wir uns vom Erdboden entfernen. Die Luft wird immer dünner und dünner bis sie irgendwann gar nicht mehr da ist. Wenn wir uns weit genug vom Erdboden entfernt haben um uns im luftleeren Raum zu befinden, sind wir im Weltraum – auch da werden die meisten wahrscheinlich zustimmen. Aber genau da fangen die Schwierigkeiten an. Wo genau ziehen wir die Grenze?

Wer nicht ausreichend trainiert und vorbereitet ist, kann unter Umständen schon Probleme kriegen wenn man sich mehr als 2500 Meter über dem Meeresspiegel befindet. Das ist nicht sonderlich viel; auf Berge die so hoch sind kann man auch wandern wenn man keinen Extremsport betreibt. Aber auch wenn ein paar Menschen schon in solchen Gebieten unter der Höhenkrankheit leiden, würde man wohl kaum alle als “Astronauten” bezeichnen die auf die Zugspitze oder den Großglockner steigen. Ebensowenig wie all die Menschen die in Tibet leben oder zum Beispiel in Quito, der Hauptstadt von Ecuador die ebenfalls über 2500 Meter liegt. Deutlich unangenehmer, gefährlicher und lebensfeindlicher wird es auf den wirklich hohen Bergen. Wer auf den Everst klettert muss Sauerstoff mitnehmen oder wirklich sehr gut trainiert sein. Aber selbst Leute wie Reinhold Messner, die ohne Sauerstoffflasche auf die höchsten Berge der Welt geklettert sind, waren nicht im Weltraum und wir nennen sie auch nicht “Astronauten”. Dann müssten ja auch alle, die mit einem Flugzeug in noch größeren Höhen über den Erdboden fliegen sich im Weltraum befinden.

Was nicht der Fall ist, aber mit Flugzeugen kommen wir der Sache schon näher. Ein Flugzeug benutzt man zur Luftfahrt wohingehen Raketen zur Raumfahrt verwendet werden. Irgendwo hier muss also eine Grenze zwischen Luft und Weltraum zu finden sein. Wo man sie ziehen kann, hat der Physiker Theodore von Kármán in den 1950er Jahren vorgeschlagen. Je höher ein Flugzeug fliegt, desto dünner wird die Atmosphäre durch die es sich bewegt. Das heißt aber auch, dass es um so schneller sein muss, um aus der dünnen Luft noch ausreichend Tragkraft zu beziehen und aerodynamisch gesteuert und kontrolliert zu werden. Raumfahrzeugen dagegen ist die Aerodynamik – vereinfacht gesagt – egal. Sie sind so schnell, dass sie einfach um die Erde herum fallen. Sie befinden sich im “freien Fall”; sie haben die nötige “Fluchtgeschwindigkeit” erreicht um nicht mehr auf die Erde zurückzufallen, wie ich in Folge 151 der Sternengeschichten ausführlich erklärt habe.

Theodore von Kármán (Bild: NACA, gemeinfrei)

Theodore von Kármán hat nun, gemeinsam mit jeder Menge anderer Leute probiert zu berechnen wo genau ein Flugzeug so schnell durch die immer dünner werdende Luft fliegen müsste, dass die Luft keine Rolle mehr spielt. In welcher Höhe es also so schnell sein muss um noch aerodynamisch fliegen zu können, dass es die Orbitalgeschwindigkeit erreicht; sich also so schnell bewegt wie es etwa auch ein Satellit tun würde. Oder anders gesagt: In welcher Höhe die Atmosphäre so dünn geworden ist, dass ein Flugzeug nicht mehr wie ein Flugzeug fliegen kann, weil nicht mehr ausreichend viel Luft vorhanden ist. Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, unter anderem auch von der Bauweise des Flugzeugs. Aber es passiert irgendwo in der Nähe von 100 Kilometern Höhe, weswegen man sich auf diesen runden Wert geeinigt hat.

Würde ein Flugzeug also höher als 100 Kilometer fliegen wollen, könnte es sich die Mühe auch sparen ein Flugzeug zu sein und gleich ein Satellit sein, denn es bewegt sich dann nicht mehr nach den Gesetzen der Aerodynamik sondern nach denen der Raumfahrt. Diese Grenze von 100 Kilometer wird heute die Kármán-Line und von der Internationalen Aeronautischen Vereinigung als Grenze zum Weltraum festgelegt.

Der Weltraum fängt also in 100 Kilometern Höhe an. Das wäre eine schöne und simple Antwort auf die Frage die ich zu Beginn gestellt habe. Aber so einfach ist die Sache in der Realität dann doch nicht. Zuerst einmal, weil es keine allgemeingültige Definition ist. Die NASA hat als Grenze zum Weltraum eine Höhe von 50 Meilen festgelegt, was circa 80 Kilometern entspricht und alle die es so weit nach oben schaffen sind Astronautinnen und Astronauten. Andererseits ist die Atmosphäre der Erde weder in 80 noch in 100 Kilometern zu Ende.

Sie hört nicht einfach irgendwo abrupt auf; sie wird einfach immer dünner und dünner. Aber selbst dort wo sich die Internationale Raumstation befindet, von deren Bewohnerinnen und Bewohner wir definitiv sagen würden sie seien “im Weltraum”, ist sie nicht verschwunden. Ein bisschen Luft finden wir auch noch dort, in Höhen von 400 Kilometern und das ist auch der Grund, warum die ISS sich selbst überlassen auch nicht überleben könnte. Durch die Reibung mit den wenigen aber dennoch vorhandenen Luftmolekülen würde sie immer tiefer und tiefer sinken und irgendwann auf die Erde fallen – weswegen sie regelmäßig “angeschoben” und wieder ein Stück nach oben gehoben werden muss.

Irgendwo da ist die Grenze. Oder auch nicht (Bild: NASA)

Die äußerste Schicht der Erdatmosphäre wird “Exosphäre” genannt und auch wenn sie quasi gar nix mehr ist, ist sie eben nicht komplett nichts. Die allerleichtesten Atome, wie etwa der Wasserstoff befinden sich dort und sie sind zum Teil noch durch Gravitation an die Erde gebunden, zum Teil aber nicht mehr. Eine exakte Grenze zwischen den noch zur Erde gehörenden Teilchen und denen, die sich dann schon definitiv im Weltraum befinden kann man nicht ziehen; die Exosphäre reicht aber mit Sicherheit mehr als ein paar tausend Kilometer hoch über den Erdboden hinaus! Wenn es also danach ginge, dann wäre nur die paar Menschen die zum Mond geflogen sind, im Weltraum gewesen und alle anderen Astronautinnen und Astronauten hätten sich noch innerhalb der Erdatmosphäre herumgetrieben.

Ich persönlich bin der Meinung, dass die ganze Sache mit der Atmosphäre sowieso der falsche Ansatz ist. Das ist eine ziemlich erdzentrierte Sicht der Dinge. Wir haben eine Atmosphäre, aber andere Planeten nicht. Hätte die Erde keine Atmosphäre, wären wir dann schon im Weltraum wenn wir einfach nur mal kurz in die Höhe springen? Würden wir auf der Oberfläche des Merkur oder des Mondes spazieren, wo wären wir dann? Die Frage nach dem Ort wo der Weltraum beginnt ist eigentlich falsch gestellt. Wir haben ja auch erst ziemlich spät gemerkt dass es so etwas überhaupt gibt. Die längste Zeit über haben wir einfach auf der Erde gelebt und uns keine große Gedanken über das gemacht, was über unseren Köpfen stattfindet. Beziehungsweise haben wir das natürlich schon, aber entweder in einem eher religiösen oder mythologischen Sinn und dort die ganzen Götter wohnen lassen. Oder uns vorgestellt, dass da halt auch “Luft” ist oder “Äther”. Dass wir nur ein kleiner Planet in einem gewaltigen Weltraum sind; dass die Sterne keine Lichter an irgendeiner über unseren Köpfen hängenden Himmelskuppel sind, und so weiter: Das haben wir erst spät verstanden.

Aber eigentlich gibt es gar keinen Grund danach zu fragen, wo der Weltraum anfängt. Beziehungsweise gibt es den schon, aber die Antwort müsste lauten: Hier! Wir sind nicht irgendwie getrennt vom Rest des Universums; es gibt kein “hier unten” und “dort draußen”. Wir SIND mitten im Weltraum; da ist kein Deckel über uns der uns vom Kosmos trennt. Der Weltraum ist überall und wir sind alle Astronautinnen und Astronauten…

Kommentare (8)

  1. #1 Mze
    23. Februar 2020

    Schön gesagt. Amen Bruder.

  2. #2 René
    Halle
    24. Februar 2020

    Hallo,
    ich finde schon, dass wir einen Unterschied machen sollten zwischen “hier unten” und “da oben”. Den Weltraum stellen sich viele (wenn nicht sogar alle) als ziemlich lebensfeindlichen Ort vor. Nur ein wenig wärmer als der absolute Nullpunkt, fast perfektes Vakuum und vom Sonnenwind bekommen wir innerhalb von Sekunden einen schönen Sonnenbrand. Klar kann man anhand dieser Daten keine exakte Grenze ziehen und auch die ist abhängig von dem Planeten aber solche Bedingungen gibt es Gott sei Dank ja nicht auf der Erde hier unten und daher ist es durchaus legitim zu sagen “hier unten” und “da oben”. Letztlich ist es ja auch nahezu egal, ab wann man nun genau von “Astronaut” oder von “Fluggast” oder “Bergsteiger” spricht. Hauptsache man kommt wieder lebend zurück nach “unten”.

  3. #3 Bullet
    25. Februar 2020

    @René:
    Es gibt kein “hier unten” und “da oben”. Das ist Flacherdlerlogik. Genausogut könntest du behaupten, in der “Mitte der Welt” zu wohnen.

  4. #4 Frank
    Bonn
    25. Februar 2020

    Quito – Hauptstadt von Kolumbien. Solche Bugs sind doch geplant, damit man mal auf die HP geht.

  5. #5 PDP10
    25. Februar 2020

    Hä?

    Quito

  6. #6 Jolly
    26. Februar 2020

    „Hä?“ (PDP10)

    Hilfreich wäre ein Tipp-Ex für mp3 (nicht für html).

  7. #7 Yggis Kosmos
    Hessen
    28. Februar 2020

    Wieder mal eine sehr gelungene Folge! Die entsprechende Sterngeschichte habe ich mir schon angehört 🙂

    Wo der Weltraum beginnt und wie die Atmosphäre endet ist doch letztendlich ein fließender Übergang. Wir erleben das Unten und Oben ja nur deshalb, weil uns die Gravitation an die Erde bindet und unser Gleichgewichtssinn uns entsprechend “ausrichtet”. Astronomisch gesehen gibt es da nur mehr oder weniger Gasmoleküle um einen Körper herum.

    Man stelle sich vor, es hätte sich eine Zivilisation unter dem Eispanzer von Europa entwickelt. Diese Wesen hätten einen ganz anderen Sinn von Oben und Unten, da ihr Oben eine geschlossene Eisdecke und ihr Unten der Grund eines vielleicht 100 km dicken Ozeans wären.

    Weiter so mit der guten Arbeit 🙂

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