In den letzten Tagen gab es jede Menge Medienberichte über die “größte Explosion seit dem Urknall”. Das klingt dramatisch (und ein klein wenig gefährlich). Es klingt auch nach typisch medialer Übertreibung. Was ausnahmsweise aber nicht der Fall war, denn von der “biggest explosion seen in the universe” schreibt auch die offizielle Pressemitteilung der Forschergruppe die diese enorme Explosion beobachtet hat. Obwohl “beobachtet” das falsche Wort ist: Man hat nicht irgendwo im All etwas auf dramatische Weise explodieren gesehen. Sondern die Spuren des Ereignisses entdeckt und in mühsamer Arbeit rekonstruiert was vor langer Zeit passiert sein muss. Und das waren beeindruckende Spuren! Der “Krater” der Explosion war so groß, dass unserer gesamte Milchstraße 15 Mal hineinpassen würde!
Es geht um Galaxienhaufen und schwarze Löcher. Galaxienhaufen sind genau das, was das Wort nahelegt: Haufen von Galaxien! Unsere eigene Milchstraße, also die Galaxie die aus der Sonne und ein paar hundert Milliarden anderer Sterne gebildet wird, ist nicht isoliert im Kosmos sondern Teil der sogenanntet “Lokalen Gruppe”. Die besteht aus ein paar hundert Galaxien die durch ihre wechselseitige Gravitationskraft aneinander gebunden sind (und ich habe mehr über die lokale Gruppe erzählt). Es gibt aber natürlich auch noch andere Galaxienhaufen im Universum (jede Menge!) und mehrere solcher Haufen können sich zu noch größeren Strukturen zusamenschließen die dann passenderweise “Superhaufen” genannt werden. Die Milchstraße und der Rest der Lokalen Gruppe sind Teil des Virgo-Superhaufens; die Geschichte der größten Explosion im Universum findet aber anderswo im Universum statt und zwar im “Ophiuchus-Superhaufen”.
Das Ding ist einer der Galaxienhaufen in unserer “Nachbarschaft”; das Licht von dort braucht “nur” knapp 390 Millionen Jahre bis zu uns. Das Zentrum des Ophiuchus-Superhaufens wird von einer sehr großen Galaxie gebildet die – wie alle großen Galaxien – in ihrem eigenen Zentrum ein supermassereiches schwarzes Loch besitzt. Schwarze Löcher sind nun zwar per Definition nicht sichtbar; ich habe aber schon oft erklärt, dass man ihre unmittelbare Umgebung durchaus sehr gut sehen kann, weil von der sehr viel Strahlung abgegeben werden kann. Schwarze Löcher die aus ihrer Umgebung Strahlung durch die Gegend schicken nennt man “Aktive schwarze Löcher” bzw. “AGNs (active galactic nucleus)”.
Was es in Galaxienhaufen noch gibt ist jede Menge Gas zwischen den Galaxien. Dieses Gas ist enorm dünn, aber es ist da und zwar in großen Mengen. Die Strahlung schwarzer Löcher kann dieses Gas beeinflussen: Wenn ein Loch einen Aktivitätsausbrauch hat, kann die dabei entstehende Strahlung quasi ein Loch in das Gas schießen. Das ist kein neues Phänomen; den Einfluss der schwarzen Löcher auf das Gas zwischen den Galaxien hat man schon oft beobachtet. Im Jahr 2016 hat man im Gas das sich im Zentrum des Ophiuchi-Superhaufens befindet genau so ein “Loch” entdeckt (“Deep Chandra study of the truncated cool core of the Ophiuchus cluster”). Ein wirklich großes Loch. So groß, dass man sehr skeptisch war, was seinen Ursprung angeht. Wäre es wirklich von der Strahlung erzeugt worden, die von einem supermassereichen schwarzen Lochs ausgeht, dann müsste dieses Loch gewaltige Mengen an Energie durch die Gegend geschickt haben. Mehr Energie als man für möglich hielt. Außerdem konnte man auch nur einen Teil des Lochs sehen und es war ganz allgemein nicht klar, was da vor sich geht.
Vor ein paar Wochen ist nun aber eine neue Forschungsarbeit erschienen. Simona Giacintucci vom Naval Research Laboratory in Washington und ihre Kollegen haben sich die Sache noch mal ganz genau und ganz anders angsehen (“Discovery of a giant radio fossil in the Ophiuchus galaxy cluster”). Die ursprüngliche Beobachtung fand mit dem Röntgen-Weltraumteleskop Chandra statt. Das (sehr heiße) Gas zwischen den Galaxien gibt Röntgenstrahlung ab und zuerst wurde genau diese Art des Lichts auch verwendet um die Befunde von 2016 bestätigen; diesmal mit dem Röntgen-Weltraumteleskop XMM-Newton. Das Loch war also da. Dann aber wandte man sich von der kurzwelligen Röntgenstrahlung zum langwelligeren Radiolicht und nutzte die Daten zweier Radioteleskope um sich die Sache noch einmal anzusehen. Das Resultat sieht so aus:
In rosa sind die Daten der Röntgenteleskop zu sehen und würde man nur diese Bilder betrachten fällt es tatsächlich schwer sich sicher zu sein ob man da ein “Loch” vor sich hat oder nicht. Der einzige Hinweis auf das Loch ist die leicht gekrümmte untere Kante der im Röntgenlicht sichtbaren Gasmassen. Wenn man aber auch das blaue Radiobild dazu nimmt, wird die Sache klar. Die beiden Bilder passen zusammen wie ein Puzzle. Von den Rändern des Lochs erreicht uns die Röntgenstrahlung; im Loch befinden sich hochenergetische Elektronen die die Radiostrahlung erzeugen.
Es gibt also ein Loch und irgendwas muss es erzeugt haben. Normalerweise würde man erwarten, dass man beim verantwortlichen supermassereichen schwarzen Loch entsprechende Aktivität beobachtet; lange Ströme aus Strahlung und Material zum Beispiel (“Jets”) die vom Loch ausgehen. Das ist hier aber nicht der Fall; das Loch ist ruhig und nicht aktiv. Andererseits muss es das auch nicht sein, denn die Analyse der Radiostrahlung hat gezeigt, dass die Explosion schon sehr lange her sein muss – vor ein paar hundert Millionen Jahren. Und sie könnte auch der Grund sein, warum das Loch heute ruhig ist: Der enorme Strahlungsausbruch hat das Gas so schnell und weit davon geschoben, dass quasi kein Treibstoff mehr für weitere Aktivität vorhanden ist. Denn so ein Loch kann nur dann aktiv sein, wenn ausreichend viel Material in seiner unmittelbaren Nähe vorhanden ist. Dieses Material wird durch die Gravitation des Lochs beschleunigt, aufgeheizt und gibt dann die Strahlung ab.
Vor langer Zeit muss es im Zentrum des Ophiuchi-Superhaufens also einen enormen Ausbruch gegeben haben. Dabei wurde eine ebenso enorme Menge an Energie frei (circa 5×1061 Erg, falls jemand mit so einer Zahl etwas anfangen kann). Die Beobachtung zeigt uns also, dass schwarze Löcher deutlich mehr Energie freisetzen können als man bisher für möglich erachtet hat – hunderttausend mal mehr Energie als man üblicherweise beobachtet. Offene Fragen bleiben aber natürlich: Zum Beispiel sieht man nur ein Loch; eigentlich schickt so ein Loch aber im Strahlung in zwei entgegengesetze Richtungen davon und es müsste noch ein zweites Loch gegenüber dem ersten geben. Das hat man aber noch nicht beobachtet. Man weiß auch nicht genau, was für den Ausbruch gesorgt hat. Material dass in die Zentralregion des Haufens und in die Nähe des dortigen Lochs fällt, nur dass dieses “Material” mehr oder weniger einer ganzen Galaxie entsprechen. Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, wie das Zentrum des Haufens die ganze Explosion überstanden hat. Andere, ähnliche Ausbrüche deren Folgen man beobachtet hat, zeigen Galaxienhaufen deren Zentralregionen mehr oder wenig komplett in Stücke gerissen worden sind.
Das Universum hat also immer noch jede Menge faszinierende Dinge für uns zu bieten. Was seine Erfoschung auch so spannend macht. “This has been like discovering a dinosaur, with just a little piece (the unusual X-ray edge) sticking out at first and then suddenly a new kind of creature coming out from the ground.”, sagte Simona Giacintucci. Und wenn wir noch ein wenig genauer auf all die ungewöhnlichen “Stücke” schauen die überall im Universum stecken, werden wir mit Sicherheit noch andere Dinosaurier finden!
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