Es ist erstaunlich! Im Februar 2019 schicken italienische Forscher eine wissenschaftliche Arbeit an eine Fachzeitschrift. Im Juni 2019 wird der Artikel dort akzeptiert. Im Juli wird er veröffentlicht, zusammen mit entsprechenden Pressemitteilungen. Und dann hat es keine 10 Monate gedauert, bis die Click-Bait-Schleuder auf futurezone.de einen ausreichend schlechten Artikel darüber schreiben konnte! Dort wurde gestern ein Text mit dem Titel “Was aus diesem Schwarzen Loch kommt, kann das Universum neu formen” veröffentlicht. Der Antreißertext dazu: “Astronomen haben etwas beobachtet, das sie zuvor nie sehen konnten. Aus Schwarzen Löcher treten “UFOs” hervor, die einen großen Einfluss auf viele Galaxien haben.”.
Galaxienbeeinflussende UFOs die aus schwarzen Löcher kommen… Erstaunlich, dass nur Futurezone.de diese grandiose Meldung im Programm hat und der Rest der wissenschaftlich-medialen Welt uns diese Neuigkeit bisher vorenthalten hat! Aber die Artikelserie in der ich hier jetzt darüber schreibe heißt ja nicht umsonst “Schlechte Schlagzeilen”. Es ist also keine Überraschung wenn ich jetzt erklären, dass das alles Quatsch ist (so wie fast alles, was bei Futurezone.de in der beschönigend benannten Rubrik “Science” zu finden ist). Es geht um den Fachartikel “Multiphase quasar-driven outflows in PG 1114+445” des italienischen Astronoms Roberto Serafinelli von der Uni Rom und seinen Kollegen der im im Juli 2019 veröffentlicht worden ist. Klingt ein wenig enttäuschend, dieser Titel. Wo sind die UFOs! Wo sind die schwarzen Löcher?! Wo ist die Beeinflussung des Universums?!
Die schwarzen Löcher findet man tatsächlich im Titel, wenn auch ein wenig versteckt und zwar im Wort “quasar-driven”. Ein Quasar ist großes schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie und zwar eines, das “aktiv” ist. Damit ist gemeint: In der Umgebung dieses schwarzen Lochs gibt es jede Menge Gas, Staub und anderes Zeug. Das wird von der Gravitationskraft des Lochs stark beschleunigt, wirbelt enorm schnell um das Loch herum bevor es irgendwann darin verschwindet und leuchtet zuvor noch sehr hell aufgrund der starken Beschleunigung. Das ist natürlich nur die vereinfachte Erklärung so eines Quasars aber im wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass die Umgebung aktiver schwarzer Löcher in den Zentren großer Galaxien sehr hell sein kann. Damit ist nicht nur normales Licht gemeint, sondern alle Arten von elektromagnetischer Strahlung. Unter anderem Röntgenlicht und mit einem Röntgenteleskop haben die italienischen Astronomen auch diesen speziellen Quasar (mit der Bezeichnung PG 1114+445) untersucht.
Ok – da ist also das schwarze Loch. Und wo sind die UFOs? Dazu schauen wir wieder zu dem Zeug dass um das Loch herumwirbelt. Es bildet eine Scheibe und nicht alles davon landet irgendwann im Loch. Manches wird auch so stark beschleunigt, dass es wieder vom Loch weg geschleudert wird. Das ist kein neuer Effekt, den kannte man schon länger. Man unterscheidet grob zwei Arten dieses Flusses von Material aus der Umgebung eines schwarzen Lochs. Einmal ein ziemlicher schneller Fluß bei dem Material auf bis zu 40 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird, einmal ein wenig langsamer mit nur ein paar hundert Kilometer pro Sekunde. Im ersten Fall spricht man von einem “ultra-fast outflow”, das zweite Phänomen nennt sich “warm absorbers”. Und wie das in der Wissenschaft so ist, gibt es für alles entsprechende Abkürzungen. Jetzt dürft ihr raten, wie die im Fall von “ultra-fast outflow” heißt: Richtig – “UFO”. Was aber natürlich absolut nichts mit irgendwelchen Alien-Raumschiffen zu tun hat, wie es die Redaktion von futurezone.de so nett andeutet.
Die Forschungsarbeit ist durchaus interessant, weil diese Materieflüsse natürlich Einfluss auf den Rest der Galaxie haben, zum Beispiel in dem sie anderes Material in der Zentralregion der Galaxie regelrecht hinauspusten und so dafür sorgen, dass dort keine neuen Sterne mehr entstehen können. Wenn man verstehen will, wie so eine Galaxie in ihrer Gesamtheit funktioniert, dann muss man auch verstehen wie die Interaktion zwischen einem Quasar und dem ganzen Gas und Staub zwischen den Sternen abläuft. Dazu muss wissen, wie diese Materieflüssen sich verhalten und wechselwirken. Genau das ist den italienischen Forschern gelungen, sie haben beobachtet wie der sehr schnelle Ausfluss langsamer wird und schließlich in den langsameren Fluss der “warm absorbers” übergeht und diese Übergangsregion erstmals im Detail beobachten können. Also genau den Prozess, bei dem die ganze vom schwarzen Loch stammende Energie auf das Material der restlichen Galaxie übertragen wird.
Coole Forschung also, wenn man die Entwicklung von Galaxien verstehen will. Über die man auch entsprechend berichten könnte. Ganz ohne komplett irreführende und falsche Schlagzeilen. Denn die Schlagzeile ist falsch, wenn sie behauptet etwas käme “aus” einem schwarzen Loch. Das passiert nicht; aus schwarzen Löchern kommt nichts raus. Es geht um das, was in der Umgebung schwarzer Löcher stattfindet. Und das kann auch nicht “das Universum neu formen”. Sondern beeinflusst das Verhalten von Galaxien. Immer schon. Futurezone.de erweckt den Eindruck, irgendwelche Raumschiffe würden aus schwarzen Löchern fliegen um den Kosmos zu modifizieren – ein besseres Beispiel für “Click Bait” kann man fast nicht finden.
Bleibt noch eine Frage: Wieso veröffentlicht man das gerade jetzt, 10 Monate nach der eigentlichen Forschung? Hat man gar nicht getan… wenn man sich den Link ansieht, dann erkennt man dort noch den Text einer anderen Überschrift: https://www.futurezone.de/science/article226842203/Durch-dieses-Schwarzes-Loch-betritt-etwas-das-Universum.html. Und “Durch dieses Schwarze Loch betritt etwas das Universum” war auch der ursprüngliche Titel des gleichen Textes, der schon 2019 veröffentlicht worden ist. Anscheinend hatte man dort keine Lust, sich neuen Quatsch über Astronomie auszudenken und hat einfach einen alten Artikel mit einer neuen (schlechten) Schlagzeile versehen. Tja.
Mehr schlechte Schlagzeilen gibt es hier.
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