Am Montag habe ich dazu aufgerufen, das in Österreich gerade zur Unterstützung bereit stehende Klimavolksbegehren zu unterschreiben. Was ich auch jetzt noch tue. Weil es wirklich wichtig ist, dass jetzt Maßnahmen zum Klimaschutz passieren. In der Diskussion zum Artikel kam aber auch das Thema der “Überbevölkerung” auf. Kurz gesagt lautete das Argument einiger aus der Leserschaft folgendermaßen: “Jede Maßnahme zum Klimaschutz ist langfristig sinnlos weil die Zahl der Menschen auf der Erde immer weiter wächst. Und mehr Menschen sind immer klimaschädlicher als weniger Menschen. Ein Volksbegehren zu unterschreiben wäre potenziell aktionistisch und könne nichts ändern. Das einzige was etwas ändert ist eine Reduktion der Weltbevölkerung. Die wichtigste Klimaschutzmaßnahme ist also dafür zu sorgen, dass die Geburtenrate sinkt.”
Damit bin ich nicht ganz einverstanden. Und wollte das Thema hier noch einmal gesondert zur Diskussion stellen.
Natürlich bestreitet niemand dass wir Menschen die Ursache des menschengemachten Klimawandels sind. Und dass weniger Menschen prinzipiell klimafreundlicher sind als viele Menschen. Aus diversen anderen Gründen ist ein weiteres und starkes Wachstum der Erdbevölkerung auch nicht wünschenswert. Aber die Geburtenrate geht ja schon zurück. Was aber nicht heißt, dass die Weltbevölkerung auch gleich zu sinken beginnt.
1987 waren wir 5 Milliarden. 12 Jahre später (1999) waren wir 6 Milliarden, die siebte Milliarden haben wir 2011 voll gemacht und 2023 werden wir 8 Milliarden sein. Im Jahr 2100 sind wir laut aktuellen Prognosen bei 11 Milliarden angelangt. Und da sieht man schon eine Reduktion: Von 5 auf 6 Milliarden; von 6 auf 7 und von 7 auf 8 Milliarden hat es jeweils nur 12 Jahre gedauert. Für die restlichen 3 Milliarden veranschlagt die Prognose der UNO aber ganze 77 Jahre! Wir werden also mehr, aber langsamer. Was daran liegt, dass die Geburtenrate weltweit sinkt. Nicht nur bei uns, auch überall sonst auf der Welt!
Zwischen 1950 und 1955 gab es 37 Geburten pro 1000 Menschen. Zwischen 1995 und 2000 ist die Zahl schon auf 22 Geburten gesunken. Aktuell (2020-2025) stehen wir wie 17,5. Und für 2095-2100 werden nur 11,6 Geburten pro 1000 Menschen prognostiziert. Oder, in “Kinder pro Frau” berechnet: Im Zeitraum von 1950 bis 1955 waren es noch fast 5 Kinder die pro Frau geboren wurden. Aktuell stehen wir bei einer globalen Geburtenrate von 2,4 Kindern pro Frau. Um 2060 rum wird die Geburtenrate 2,1 Kinder pro Frau erreichen was circa der Punkt ist, an dem das Wachstum zum Stillstand kommen kann (das passiert nicht bei exakt 2 Kindern, da es ja leider immer Kindersterblichkeit gibt und auch immer ein bisschen weniger Frauen als Männer).
Die Geburtenrate sinkt also seit Jahrzehnten; man kann fordern dass sie das weiter tun soll oder schneller tun. Aber man muss sich nicht mehr die Mühe machen darauf zu beharren dass man was tun muss um die Zahl neuer Menschen auf der Erde zu begrenzen. Das passiert schon. Die Bevölkerungszahl wächst halt noch ein bisschen weiter. Unter anderem wegen der in den letzten Jahrzehnten ebenfalls stark gestiegenen Lebenserwartung. Die Menschen (und Kinder), die es jetzt schon auf der Erde gibt, bleiben noch eine Zeit lang hier. Und die, die noch kommen, bleiben noch länger (weil mit einem weiteren Anstieg der Lebenserwartung zu rechnen ist).
Wer also fordert dass die Zahl der Weltbevölkerung jetzt oder auch nur in den nächsten paar Jahrzehnten zu sinken habe, sollte dazu sagen, wie genau das ablaufen soll. Weil ohne einen großen Teil der aktuell noch lebendigen Bevölkerung mehr oder weniger aktiv in einen nicht mehr lebendigen Zustand zu versetzen wird das nicht funktionieren… Und auch wenn einige Menschen das tatsächlich glauben: Zum Glück gibt es nirgendwo ernsthaft Ambitionen die Weltbevölkerung durch künstliche Viren, Chemtrails oder ähnlich absurde Mittel drastisch zu verringern.
Ich sag es sicherheitshalber nochmal: Natürlich ist es wichtig darauf zu achten, dass die Bevölkerung der Erde nicht weiter dramatisch ansteigt. Aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch sonst. Aber die Geburtenrate sinkt ja schon. Und sie wird weiter sinken, je weiter sich Bildung und Emanzipation von Frauen ausbreiten (das ist der wichtigste Faktor bei der Reduktion der Geburtenrate). Als akute Klimaschutzmaßnahme taugt das alles aber nicht.
Erstens, weil es nicht so einfach ist, wie manche sich das vorstellen. Der Großteil der klimaschädlichen Aktivitäten findet im globalen Norden ab, da wo die Geburtenrate sowieso schon gering ist. Dort, wo man (ein wenig stereotypisch) das “unbegrenzent” Bevölkerungswachstum vermutet das uns angeblich alle ins Verderben reiten wird, also in Afrika oder Asien, passieren deutlich weniger klimaschädliche Aktivitäten. Es ist zwar verlockend über das “Argument” der Bevölkerungsexplosion die Verantwortung für den Klimaschutz in die Ferne und auf die Menschen im globalen Süden zu schieben. Aber halt auch falsch.
Und zweitens geht es beim Klimaschutz vor allem darum, weniger Treibhausgase in die Atmosphäre zu entlassen! Nicht irgendwann, nicht in der Zukunft, nicht irgendwo anders. Sondern JETZT. Und dort, wo momentan das meiste CO2 freigesetzt wird. Man wird immer irgendwas finden mit dem man unangenehme Entscheidungen auf die Zukunft verschieben kann. “Die Kernfusion wird uns alle retten”. “Neue Technik wird dafür sorgen das wir unsere Lebensweise nicht ändern müssen”. Und so weiter. Aber das sind auch nur Mythen und Scheinargumente. Wir müssen jetzt etwas tun; je früher desto besser. Zu sagen dass es eh nix bringt was zu tun weil ja zu viele Menschen auf dem Planeten leben, ist bestenfalls uninformiert und schlechtenfalls aktive Irreführung. Die Geburtenrate sinkt und wird weiter sinken. Die Weltbevölkerung wird aufhören zu wachsen. Aber das dauert und ohne globalen Völkermord wird sich daran nichts ändern. Und da globaler Völkermord nur in den wirren Hirnen von Verschwörungsanhängern existiert, taugt die Sache mit der Weltbevölkerung nicht als Argument sondern nur als Ablenkung von dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen.
Wir können gerne darüber diskutieren wie aussichtsreich die Ziele des Klimavolksbegehrens sind. Aber zumindest ist es ein legitimes Mittel der direkten Demokratie und ein Weg, zu probieren sich Gehör zu schaffen in einer politischen Landschaft die immer noch viel zu wenig hören will. Worüber wir aber nicht diskutieren können: Dass es dringend notwenig ist, jetzt etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen. Aus welchen Gründen auch immer damit zu warten macht nichts besser.
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